[380720–1‑1]
Kelbra am Kyffhäuser, d. 20. Juli 1938
Heute ist der Himmel grau bedeckt, und es regnet. Ich bin bis 11 Uhr auf diesen Ort verbannt, weil eher kein Autobus zur Bahn geht. Diese Zeit benutze ich, um Ihnen Bericht zu erstatten. Gestern abend [sic] war mir ziemlich unwohl. Ich habe gegessen. Nach dem Essen stellte sich ein nervöses Rumoren in der Magengegend ein. Heute früh ist mir besser. Mein Plan für heute: Ich fahre mit dem Zug nach Nordhausen. Besichtige die Stadt und dampfe dann quer durch den Harz nach Wernigerode.
Es ist ein unverbesserlicher Regentag heute. Ich hatte wenig Lust, bei diesem Regen durch die Stadt Nordhausen zu schlendern, habe nur ganz kurzen Aufenthalt genommen und mich mit dem Zügle über den Harz schaukeln lassen. Ich bin eben frisch in Wernigerode eingetroffen, habe mich nach einem Nachtlager umgesehen, und während ich das schreibe, sitze ich in meinem Zimmer, einer geräumigen ausgebauten Bodenkammer, trotzdem nicht billig. Nachher will ich zur Kost gehen und diese Blätter aufgeben, morgen vormittag [sic] noch einmal dahingehen, um nach einem Zeichen von Ihnen zu fragen. Die Tage verstreichen, und bald werden Sie ans Packen denken. Ich habe sowohl mein Taschenmesser als auch eine Schere vergessen[,] wenn Sie an [e]inen dieser Gegenstände denken würden.
Grüßen Sie bitte Ihre Eltern.
Wenn Sie Ihnen Nachricht geben wollen, dann nach Blankenburg/Harz postlagernd.
Nun Ihnen glückliche Reise.
Auf eine frohes Wiedersehen grüßt Sie recht herzlich
Ihr [Roland Nordhoff]