Naumburg am 18. Juli. [1938]
Liebes Fräulein [Laube]!
Heute speiste ich also zu Mittag auswärts, im schönen Naumburger Ratskeller bei einem Glase Saalewein. Gleich nach dem Essen habe ich Quartier bezogen und bin nach der Rudelsburg gewandert, einen reizenden Weg auf den Höhen der Saale hin. Es ist ein Stück Landschaft von eigenem Reiz. Der Boden ist kalkig, macht trocken einen weißen Staub und guten Durst, den ich im Burghof gelöscht habe. Über Burg Saaleck bin ich dann nach Bad Kösen gegangen und von da zurückgefahren. Ich bin in einen Gasthof geraten, der ist zu teuer [f]ür meine Verhältnisse. Am Nachbartische speiste ein junges japanisches Paar, nachdem es lange auf der Speisekarte gesucht und mit Mühe sich verständlich gemacht hatte. Nach dem Abendbrot will ich noch um die Naumburger Altstadt bummeln. Den Dom will ich morgen vormittag [sic] besuchen. So ward aus Morgen und Abend der 2. Tag.
Ich bin noch nicht reiselustig genug. Es steckt auch eine kleine Erkältung in mir, die sich auf den Magen gelegt hat. Es wird besser werden. Nun zum Dom. Er ist einer der ältesten und reicht zurück bis zum Jahre 960. Über 300 Jahrhunderte ist an ihm gebaut und erweitert worden. Berühmt ist er wegen seiner Bildhauereien. Auf der Postkarte 2 Stifter des Domes: Ekkehard und Uta, Bildwerke aus dem Jahre 1250, zeigen große Kraft des Ausdrucks.

Gestern beim Kaffee auf der Rudelsburg, heute beim Tee (schwarz und ohne Zucker gegen den verstimmten Magen) auf dem Kyffhäuser. Den ganzen Vormittag auf der Bahn gesessen und durch das schöne Thüringerland gefahre[n], am Nachmittag bei schönstem Wetter nach dem Kyffhäuser gewandert. Kyffhäuser, eine anmutige, mit Buchen bewaldete Höhe, trägt eine Burgruine und ein Denkmal zur Erinnerung an Kaiser Wilhelm I., ein eindrucksvolles, gewaltiges Monument. (Siehe Karte). [z. B., eine Karte aus der Jahrhundertwende]