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[OBF-380715-002-01]
Briefkorpus

14.7.38

Oberfrohna, am 15. Juli 1938.

Lieber Herr [Nordhoff]!

Es ist nicht in Worte zu fassen, wie glücklich ich bin. Die Zeit drängt und doch kann ich nicht eher schreiben, bis ich die volle Gewißheit habe. Heute wurde sie mir zu teil und ich kann es kaum fassen. „Ich darf”, noch nie waren diese beiden Worte so inhaltsschwer als diesmal. Ich habe den Eltern Ihre Zeilen ausgehändigt und sie waren nicht wenig erstaunt darüber. Kein Wort ist mir über die Lippen gekommen, von we[g]en gut zureden, oder gar betteln. Nein — ich bat sie, sich die Sache in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen und mir dann ihren Entschluß mitzuteilen, dem ich mich gehorsam fügen wollte.— Ist ihre Zusage nicht ein Beweis, wie viel Vertrauen sie in Sie setzen? Wir beide werden es ihnen danken, indem wir dies Vertrauen nicht mißbrauchen, sondern achten und zu schätzen wissen. Glauben Sie, die Stunden bis zur Gewißheit waren für mich direkt eine Folter. Ich denke, Mutter hat mirs an den Augen abgelesen, wie mir innerlich zu Mute war. Sie hat gestern wieder mal ernst mit mir gesprochen. Ich gebe Ihnen hier ungefähr den Inhalt dieses Gesprächs wieder: Sie ist in Sorge um die Zukunft. Wenn wir zusammen verreisen, lernen wir uns auch innerlich näher kennen — lernen uns vielleicht verstehen; man gewöhnt si[ch] aneinander. Eine Spanne Zeit vergeht — Ihre Eltern erfahren darum. Sind gegen dieses Verhältnis. Warum? Weil ihr gesicherter Stand, ihre Herkunft erlauben, daß Sie ein wohlhabendes Mädchen, eines aus besseren Kreisen freien können. Ihr will nicht in den Kopf, daß eine Verbindung zwischen uns zustande kommen könnte. Sie will nur das Gute, möchte mir alle Steine aus dem Weg räumen und mich vor Enttäuschungen bewahren. Ich weiß nicht, sie ist so bescheiden, fügt sich in ihr Los und wagt keine Forderungen an das Leben zu stellen. Ich aber sage: Warum sollen wir, wenn wir auch minder bemittelt sind, immer bescheiden im Hintergrunde stehen? Warten — bis uns vielleicht einmal im Leben das Schicksal gnädig ist, die Erfüllung unsrer Wünsche bringt? Ich nenne das altmodische Ansichten. In unsrer Zeit ist es anders; es entscheidet nicht nur der Stand, sondern das Herz, die Neigung und das wahre Verstehen.

Wir haben doch alle das Recht, glücklich zu sein. Und wenn wir den Mut und die Kraft spüren, unser Geschick zu ändern aus eigenem Willen — wer kann uns daran hindern?

Ich weiß, der Weg zum wahren Glück ist weit und dornenvoll; man muß Opfer bringen können. Aber das läutert doch den Menschen erst. Das ist mein Glaube: Gerade der Kampf darum ist das Herrliche, er macht ja den Besitz erst wertvoll und köstlich.— Ich begreife nicht, daß man so ängstlich sein kann. Es ist uns ja völlig ernst um diese Prüfung — wir müssen durch sie hindurch und wir stehen uns vollkommen frei gegenüber. Doch jetzt Schluß mit diesem Thema und mir wollen uns an der glücklichen Gegenwart erfreuen. Ich sehe ein, daß mein Vorschlag undurchführbar ist und billige Ihren Plan durchaus. Konnte aber im letzten Briefe nicht den Harz vorschlagen, weil ich nicht wußte ob es Ihnen wirklich angenehm ist, wenn wir zusammen dahin reisen — es schien mir auch unerfüllbar. Nach Halle fahre ich nicht erst, sondern komme von Oberfrohna nach dem unbekannten Ziele. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir recht bald de[n] außführlichen Reise- und auch Fahrplan zukommen ließen. Nochmals bitte ich Sie, lassen Sie mich die ganze Geldangelegenheit selbst tragen. Ich wäre ja sowieso verreist, also keine Angst, daß ich nicht darauf eingerichtet bin. Verstehen Sie mich bitte recht, ich kann das nicht annehmen. Sind Sie nicht beleidigt, es soll damit nicht gesagt sein, daß Sie mich, bietet sich Gelegenheit, nicht zu irgend etwas einladen dürfen. Ich warte nun auf Ihre Anweisungen und schließe, damit Sie der Brief noch rechtzeitig erreicht. Mutter fügt noch ein Schreiben bei; hoffentlich nicht eine der Moralpredigten, wie ich sie immer verabreicht bekomme.

Nun wünsche ich Ihnen eine glückliche Reise und trotz der Aufregungen gute Erholung. Ich werde immer an Sie denken.

Seien Sie recht herzlich gegrüßt von

Ihrer [Hilde Laube].

Haben Sie keine Sorge, ich bin für alle[,] die mich nach meiner diesjährigen Reise fragen, in Halle bei meinen Verwandten.

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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946