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[OBF-380626-002-01]
Briefkorpus

25.6.38

Oberfrohna, am 26. Juni 1938.

Lieber Herr [Nordhoff]!

„Ahnungen trügen nicht”, so möchte ich fast diesen Brief beginnen und es hat sich auch bewahrheitet. Ich bezweifle, ob ein einfacher Dank genügt, den ich Ihnen hierdurch sagen will für das, was Sie getan. Es ist beschämend für mich wie ich Sie einschätzte, daß ich glaubte die Sache wäre damit abgetan, wenn ich Ihnen versicherte, daß ich es an Ihrer Stelle übernommen habe die Erlaubnis der Eltern einzuholen.

Statt dessen haben Sie bewiesen, daß Sie ein Mann sind. Noch viel mehr — Sie haben mit Ihrer Feinfühligkeit auf sich genommen, was mich trotz allem Glücklichsein immer noch quält und bedrückt. Daß ich es war die den Anstoß zu allem gab. Ich empfinde das demütigend — doch wiederum: Ist denn Liebe eine Sünde?

Ich hatte große Angst. Die Eltern waren sehr erstaunt über Ihren Brief. Mutter glaubte immer, daß Sie mit mir Scherz treiben würden, sie konnte nicht recht daran glauben, um des Altersunterschiedes und Ihrer Stellung willen. Doch ich kenne Sie und ich weiß gewiß, wenn Sie andere Interessen geha[b]t, daß Sie mir das offen und ehrlich gesagt hätten. Auch wenn es das Schicksal anders für uns bestimmt hat, als wir vielleicht hoffen und wünschen. Auch dann weiß ich, daß es eine ehrenhafte Trennung für uns würde, an die ich nicht mit Bitterkeit und Reue zurückdenken müßte.—

Sie dürfen ganz beruhigt sein, daß unsere Verbindung auch von seiten meiner Eltern noch geheim bleibt. Wir leben sehr zurückgezogen — auch kennen wir den Kleinstadtklatsch, die lieben Nachbarn und Bekannten.—

Ich verstehe und weiß, daß es Schwierigkeiten zu überwi[n]den gibt[,] wenn wir uns nähertreten. Doch ich sage Ihnen: Ich will mich immer bemühen so zu sein, wie ich immer bin; denn ich will selbst nicht, daß wir uns einander etwas vormachen. Sie dürfen nicht immer daran denken, daß ich erst 18 Jahre alt war.—

———

Gestern, in der Singstunde hatten wir Besuch; ein Kantor Herr R., Freund des Herrn G. und wohnt bei Lichtenhain. Er fragte uns, ob wir Grüße für Sie zu bestellen hätten! Heute war Gottesdienst mit Ordination von P. [sic] B. Als Herr Pfarrer fortging verteilte er an seine Kinder Bilder, ich habe noch eins erwischt und schenke es Ihnen. Vielleicht machts Ihnen ein wenig Freude. Für Ihre Fahrplanaustellung danke ich herzlich, schöner hätte ich es nicht wünschen können. Wann wir uns treffen, ob am 3. oder 10. Juli, teilen Sie mir noch mit ja?

Nun gute Nacht und viele herzliche Grüße von

Ihrer [Hilde Laube]

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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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