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[OBF-380613-002-01]
Briefkorpus

12.6.38.

Oberfrohna, am 12. Juni 1938.
am 13. Juni 1938.

Lieber Herr [Nordhoff]!

Heute vorm Kirchgang erhielt ich Ihre lieben Zeilen. Es war nicht gut für mich; denn die Aufmerksamkeit ließ sehr zu wünschen übrig. Ich hätte Ihnen gerne dies und jenes von der letzten Predigt unsres Herrn Pfarrer mitgeteilt. Doch ich erlebte alles nur wie von ferne, ich weiß nur, daß alles bis auf den letzten Platz besetzt war (wohl mehr aus Neugierde, als aus dem Gefühl wahrer Gläubigkeit) und daß die ganze Stimmung eine traurig wehmütige war, so recht dem Anlass entsprechend. Ja ich war heut garnicht in dieser Stimmung und weit weg mit meinen Gedanken. Sie werden mich verstehen und — verzeihen.

Als Dirigent war Herr H. aus Limbach anwesend. Herr Kantor ist wieder eingezogen worden nach Freiberg doch er war heut hier unser „Leutnant”. Bedenken Sie, im Monat Juni können wir einmal Singstunde halten. O Sie fehlen sehr in allem.—

Machen Sie sich nicht unnötig Sorge um Ihre kleine Niederlage. Ich verzeihe Ihnen gern. Ich will Ihnen etwas sagen: Es ist mir jetzt nur zu gut verständlich, daß Sie zu dieser Annahme kamen. Ich habe mich in Ihrer Gegenwart oftmals zu übermütigen Streichen hinreißen lassen, Sie müßten ja direkt glauben, daß niemand anders, als ich es gewesen sei. Doch ich hab mich schon sehr gebessert, seit meinem 18. Geburtstag, das dürfen Sie mir glauben! Ich weiß, wir müssen viel Geduld miteinander haben. Ich glaube es ist gut, wenn sich zwei Menschen finden, die sich gegenseitig behutsam und mit Geduld und Güte erziehen.

Ach es ist so schön, ein großes Geheimnis in sich zu tragen, von dem niemand etwas weiß und ich tue nicht das [K]leinste wo ich annehme, es könnte dadurch entweiht werden. Doch eine weiß, daß ich mit Ihnen im Briefwechsel stehe — meine Mutter. Sie kann mich verstehen; doch bangt sie um mich, daß ich Ihnen zu gering sein könnte, weil wir nur einfache Leute sind. Meinem Vater hab ich noch nichts davon erzählt, eine gewisse Scheu hält mich davon ab. Doch Mutter hat bestimmt schon mit ihm gesprochen. Denn heute, als ich Ihren Vorschlag las, mußte ich doch Mutter Mitteilung machen von der großen Freude. Als ich aus der Kirche kam, sagt sie mir, daß auch mein Vater erlaubt, nach Dresden zu kommen. Ich freue mich ja so.— Ja ich hab mir das überlegt mit der Zustimmung der Eltern. Habe mich in Ihre Lage versetzt und habe feststellen müssen, daß es eine verteufelt schwierige Sache für Sie sein muß, brieflich mit meinen Eltern zu verhandeln. Sie dürfen aber jetzt nicht etwa mißtrauisch sein, ich finde den Weg von Ihnen höchst ehrenhaft; doch ich möchte es Ihnen nicht so schwer machen — deshalb hab ichs allein geregelt.

Es ist so sonderbar — in der letzten Woche hab ich oft mit dem Gedanken gespielt, daß es wohl das Günstigste sei, wenn wir uns in Dresden treffen könnten und Sie haben den gleichen Gedanken. Ich kenne diese Stadt, ihre herrliche Lage und Vielfalt. Ich weiß schon jetzt, daß mir diese künftigen Sonntage unter Ihrer Führung viel Neues, Schönes und Ungekanntes erschließen werden.—

Ich schrieb Ihnen, daß wir nach Bad Schandau kommen, ich hätte mich gefreut, Sie zu sehen; doch ich glaube nicht daran. Ich habe mich nochmal genau erkundigt und mußte eine Änderung des Plans erfahren — daß Rathen das Ziel ist. Wir kommen morgens 10 Uhr an, halten uns im "Erbgericht" (wo wir zu Mittag essen) bis 2 Uhr auf. Also 4 Stunden freie Zeit. Dann gehts mit dem Dampfer zurück, (ich glaube in Pillnitz warten die 2 Reisewagen) nach Frankenberg zur Lützelhöhe. Dort beginnt dann der Hauptteil, unser Kameradschaftsabend. Es wird von uns so allerlei veranstaltet und aufgeführt. Alles ist natürlich höchst geheimnisvoll, niemand weiß vom andern, was er tut. Ein Ansager vermeldet kurz zuvor die einzelnen Auftritte. Da ich nun selbst bei einigen Sachen mitwirke, kann ich leider Ihren Vorschlag, dort zu bleiben, nicht annehmen. Ich hab auf der Landkarte nachgesehen, es ist ein gutes Stück von Schandau bis Rathen und ich kann Ihnen nicht zumuten, nach dort zu kommen. Auch werden Sie zu dieser Zeit schwer wegkönnen, wegen dem Dienst, ja? Einen Wunsch hab ich, teilen Sie mir bitte im nächsten Brief mit, ob Sie Telephon im Hause haben; ich möchte wenigstens mal Ihre Stimme hören. Ich schlage nun vor, wir treffen uns am Sonntag dem 26. Juni, wenn es Ihnen angenehm ist, in Dresden zu der Zeit, die Sie mir mitteilten.

Gestern mußte ich unterbrechen, meine Freundin kam mich besuchen. Wir gingen abends in den Film „Dreiklang″. Die Handlung war ein wenig zu sentimental, doch dafür die Musik sehr gut. Eine Sonate von Beethoven ist mir noch gut in Erinnerung.

Heute sind Sie nun wieder hineingetreten in den Alltag. Der erste Tag nach dem Urlaub fällt immer ein wenig schwer nichtwahr?— Darf ich fragen welchen Roman Sie in den Ferien lesen wollten? Ich interessiere mich für Bücher, zur Zeit bin ich über dem Künstlerroman "Laubgewind" von Chr. Heer.—

Die Bilder sind heute fertig geworden, ich bin eigentlich ganz zufrieden damit. Hoffentlich kann ich Ihnen ein wenig Freude bereiten. damit. (Vergleichen Sie doch einmal die Augen mit der Aufnahme, von der Sie mir ein Bild schenkten.) Ich stelle Ihnen auch meinen Freund vor, mit dem ich den 2. und 3. Feiertag verlebte. Mein Patenkind aus Chemnitz. Wir halten gerade wissenschaftlichen Unterricht über die "Pußteblume" [sic].

Bis zum Wiedersehen grüßt Sie herzlich

Ihre [Hilde Laube].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946