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[OBF-420214-001-01]
Briefkorpus

Wien, den 14. Febr. 1942

Herzallerliebste, Geliebte mein!

Zuerst muß ich Dir von ganzem Herzen danken für Deinen lieben Brief. Heute morgen gegen 11Uhr war meine Nachfrage auf dem Postamt nicht vergebens. Herzensschätzelein! Wie fein und lieb es doch ist, daß  Du mich nun mit Deinem Boten wiedergefunden hast – ach Schätzelein, daß ich mich wieder ganz fest umfangen weiß von Deiner treuen Liebe – sie ist ja immer mit mir, aber nun braucht sie nicht erst irre zu gehen.

Nun sitzt Dein Mannerli noch immer hier, den fünften Tag schon. Wenn man das hätte voraussehen können! Heute um 9 Uhr war der erste größere Appell. 400 Mann konnten wieder abfahren. Alle schimpfen und möchten weiter. Die Vorgesetzten schweigen sich weiter aus über das Wann und Wielangenoch [sic]. Etliche Kameraden sind schon 14 Tage hier. Schätzelein! Du weißt, wie gerne ich Dich bei mir hätte!!! Aber es ist zu abenteuerlich ungewiß. Vielleicht haben wir uns bald viel gewisser wieder! Du!!! Geliebtes Herz! Mein Goldherzelein! Mein Ein und Alles!

Hast schon wieder sooo herzlieb [sic] mein gedacht, aus lauter Liebe und Glück! Du! Du!!

Oh, sei Gott mit unserem Bunde!

Nun will ich Dir doch erst noch von gestern berichten! Nach dem Mittagessen habe ich das Soldatenheim aufgesucht, diesmal mit Erfolg. Ein großes Cafe, hell, freundlich, vornehm eingerichtet, ist dazu mit Beschlag belegt worden. Kaffee, eine Suppe, Zigaretten gibt es da gratis in einer bestimmten Menge. Darüber kann man sich noch dazu kaufen. Rotkreuzschwestern bedienen.

Ich bin ganz froh, daß ich diesen Aufenthalt gefunden habe. Es ist, mitten in der Stadt gelegen, doch ein Ruhepunkt. Gegen 4 Uhr fühlte ich mich gestärkt und erwärmt genug für einen Bummel in die Stadt. Ich ging nach dem Schloß zu, wollte auch nach dem kunsthistorischen Museum Ausschau halten. Im Schloß, in der Burg heißt es in Wien, bemerkte ich eine Gruppe von 4 Soldaten mitsammen einem lebhaften Alten in Tiroler Tracht und viel, viel Bart. Ich stellte mich dazu. Der Alte erklärte mit Feuereifer, ganz aus freien Stücken. Er war ein gelehrtes Haus, konnte [F]ranzösisch und Lateinisch und kannte alles Sehenswerte und verfügte über ein staunenswertes Geschichtswissen, ein verkappter Gelehrter, auch einmal Mitglied des Niederösterreichischen Landtages. Er führte uns in seiner Begeisterung und seinem Eifer von einem zu anderen: das Ehrenmal, die Minoritenkirche, in das Landtagsgebäude. Er hatte einen Rucksack bei sich. Ob er wohl auch Besorgungen machen wollte, womöglich für seine Frau? Oh weh, das arme Mannerli ! Er war ein richtiger Kauz. ¾ 7 Uhr war es geworden. Die Straßen waren trocken. Es graupelte fein. Nun bin ich aber geeilt! Habe Wurst und Butter eingekauft und mich dann beeilt, den Kameraden N. zum Abendbrot abzuholen. Bei unserem Tee haben wir dann den Abend in unserem nunmehr schon Stammlokal verbracht.

Die vergangene Nacht war wieder recht unruhig. Ein Kommen bis in die späte Nacht und ein Gehen schon im früh[en] Morgen. Aber ganz warm steckt Dein Mannerli.

Morgen Sonntag, will ich am Vormittag – falls wir noch bleiben müssen – das Hochamt im Stefansdom besuchen. In den Kirchen steckt noch die ganze bissige Kälte. Für den Nachmittag habe ich mir, auf die Gefahr hin, daß sie verfällt, eine Karte zu einem Sinfoniekonzert gesichert. Es findet am Nachmittag statt. Theaterkarten sind nicht zu haben. – Gleich sind nun acht Tagen über unserem Abschied vergangen – und noch habe ich kaum Ruhe gefunden, alles recht zu bedenken. Das werde ich auch erst können, wenn ich wieder an Ort und Stelle bin.

Herzelein! Mit Dir leben! Dieser Wunsch ist mächtig in mir! Und in diesem Wunsch ist alles, was uns bewegt. Herzallerliebste! Wir gehören zusammen, ganz fest, unlöslich! Wir verstehen einander und können einander ganz sehr liebhaben – ganz glücklich können wir miteinander sein! Und Du bist es! – Das ist doch mein ganzes Glück!

Ach Herzelein! Möchte nur erst einmal dieser Krieg zu Ende sein – dann ist mir um unseren Weg überhaupt nimmer bange – dann stehen wir vor dem Glück gemeinsamen Lebens und Schaffens! Und bis dahin? – Und auch dann – legen wir unser Leben vertrauend in Gottes Hand. In ihm liegt es beschlossen, das glauben wir, beschlossen aus lauter Güte.

Nun leb wohl für heute!

Behüt Dich Gott!

Sei von Herzen bedankt für Deinen lieben Boten.

Ich bin sooo reich! Dein ganz reiches, glückliches Mannerli – so reich – in Deiner Liebe! Du!!!

Und ich liebe Dich, Du! Liebe Dich von ganzem Herzen und bleibe ewig

Dein Roland

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946