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[OBF-411204-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki] Donnerstag, den 4. Dez[ember]. 1941

Herzelein! Geliebte! Mein liebes, teures Weib!

O Schätzelein! Ganz lieb bist Du heute wieder zu mir gekommen! Hast mir soviel fFreude gebracht! Geliebte! Hast immer so lieb und treu mein gedacht – so treu! Herzelein! Von Dir kommt mir die höchste Freude! Du! Du! kannst mich am meisten und tiefsten froh und glücklich machen – mit Deiner Liebe! Oh Du! Ich fühle Dich an meiner Seite, ganz froh, und stolz, und glücklich! Fühle die Wärme und den Sonnenschein deiner Liebe – so belebend, kraftspendend! Fühle Dein lieben Augensterne auf mir ruhen und Deine liebe linde Hand – wie von der Mutter, traut und geborgen! Oh Geliebte! Ich weiß mich geliebt von Dir!

Weiß mich in der Huld des liebsten Weibes! Oh Schätzelein! Wie glücklich fühle ich mich! Und erhoben! Und nun muß ich dieses Leben lieben! Oh Herzelieb! Es ist so wie damals, wenn uns die Mutter einmal am allerliebsten hatte – oder wenn sonst eine tiefe Freuden mein Herz übersonnte. So ist es, in Deiner Liebe zu sein! Und wie in Kindertagen so rührt sich alle Liebe und gutes Wollen und Dankbarkeit. Oh Schätzelein! Du!!! – und kindliche Gläubigkeit – Dir alles Gute zu tun, Dir anzuhängen, Dich wiederzuerfreuen, Dir der aAllerliebste zu sein! „Die Liebe ist das größte Wunder“! Sie ist die Sonne, die alle gute Saat in uns weckt zu Wachstum und Streben.

Herzenschätzelein! Daß ich Dir auch so Sonne sein kann wie Du mir – ach Du! Ich glaub, wir sind in einem Märchenland, in seligem Kinderland – in einem Paradiesgärtlein! Oh! Möchte sie uns bleiben, möchte Gott sie segnen, unsre Liebe!!!

Sind doch heute drei liebe Boten zu mir gekommen – vom Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Der vom Dienstag steht noch aus. Herzelieb! Ergeht es Dir ebenso wie mir? Manchmal weiß ich doch kaum noch, woran Du mich erinnerst, daß ich es Dir soll geschrieben haben. Manchmal denk ich:; was wird mein Schätzelein dazu sagen? Wird es ihm Freude machen?

Früher – und in der ersten Zeit unsrer Freundschaft – konnte ich doch die Briefe fast auswendig. Aber das will ja gar nichts bedeuten. Heute, Du, ist aller Zeichen der Liebe zwischen uns – aller – Zeichen der Liebe: Die Freude, der Schmerz, die Sorge! Herzelein! Es ist das Leben miteinander und füreinander. Ich kann nicht mehr leben ohne Dich. Ich muß Freud und Leid mit Dir teilen. Ich muß Dir bekennen, vertrauen – ich muß Deine Liebe wieder und immer wieder suchen! Und Dir ergeht es ebenso. Mußt Dein ganzes Herz mir ausschütten und ausbreiten, daß ich es schaue und liebend umfange und mitbesitze – oh Geliebte! Wie glücklich bin ich darum!

Herzelein! Und jeden Tages Sinn und Bedeutung und Gewinn mündet in unsre Liebe! Sie steht und thront über allem. Sie muß es; denn sie ist ja ganz tief in unserem Herzen.

Wir können einander doch auch über dem lebhaftesten und reichsten Alltag nicht vergessen. Ach, er läßt uns der heimlichen Kostbarkeit nur desto froher bewußt werden! Es läßt das Sehnen noch dem Besinnen und Alleinsein mir nur desto lauter werden. Ich brauche doch gar nicht zu fürchten, daß mein Schätzelein mich vergißt über seinem so reich ausgefüllten Alltag. Muß nur ein wenig warnen, ganz lieb: Übernimm Dich nicht! Knaps dem Mannerli ein Stündchen ab einmal! Er ist Dir darum nicht böse.

Ach Du! Man muß sich hüten, daß man nicht in einen Wirbel der Betriebsamkeit hineingerissen wird, der einem die Besinnung raubt und – was Du auch empfindest – daß man nicht in eine Hast gerät, die nicht befriedigt, weil sie die Gründlichkeit verhindert. Das ist auch die Gefahr und das Leidwesen meines Berufes.

Ich bin erstaunt, daß Dir so mit einem Male nun die ganze Scharbeit obliegt. Ich stelle mir die Sache gar nicht leicht vor. Ich weiß, wie schwer es ist in der Schule, Kinder mit solch Bastelarbeiten zu unterhalten. Wieviel Schererei und Verdruß es schon allein macht, eh alle Kinder ein [b]ißchen Material und Handwerkszeug bei sich haben. Dazu dann die Mißerfolge und Versager infolge mangelnder Sauberkeit und Exaktheit, daß man an jedem Stück noch selber Hand anlegen möchte. Diese Arbeiten machen Schwierigkeiten bis ins 8. Schuljahr. Ich bewundere auch Deinen Mut. Mit dem Du an das Kasperletheater herangehst. Das dünkt mir eine schwierige Sache, wenn man sich noch nie damit befasste.

Ja, nun ist mein Schätzelein beinahe meine Vertreterin. Kinderaugen und Kinderherzen hängen an ihm und [er]schließen sich ihm – leichter als dem Lehrer. Und eine Weile noch hin, dann wirst Dich auf der Straße gar nimmer können sehen lassen, ohne daß nicht Kinder und Erwachsene Dich erkennen – wie einst Dein Mannerli auch. Ich bin gar nicht böse darum. Und der Umgang mit den Kindern wird Dir manche Freude bereiten und Erfahrung bringen. Vor die Pflicht gestellt, Kindern etwas beizu bringen und anzuerziehen, gewinnt man eher auch einmal das rechte Verhältnis zu den eigenen Kindern. Die Stellung zu ihnen ist freilich ein wenig anders, aber sie bedarf auch ein wenig des Abstandes, den die Erziehungsarbeit erfordert.

Ach, nun hast Dich so abgejagt und gekümmert, um mir eine Freude zu machen. Schätzelein! Wir spüren es nun auch hier, wie alles knapper wird, wie alle Möglichkeiten, noch etwas Besonderes zu bekommen, nach und nach versperrt werden. Oh Herzelein! Du weißt, woran ich all Deine Liebe ermesse und erkenne! Du weißt, wonach ich zuerst lange, wenn ich Deine Päckchen öffne – nach deinem Boten - nach deinen Worten, dem Munde lauschen, Deine Augen schauen – und es sehen – und hören – und fühlen: Daß Du mich noch liebst! Daß ich Deine Liebe habe! Und daß Du glücklich bist in meiner Liebe! Oh Herzensschätzelein! Dann ist bei mir alle Freude, Heimat, Geborgenheit, Sehnsucht, Wille, Dir heimzukehren, dann bin ich ganz glücklich, dann bist Du mir ganz nahe, bei aller Ferne.

Oh Herzlieb! Wir können einander nicht verlieren. Wir müßen einander ganz liebhaben. Und unsre Liebe kann sich nicht anders kundtun, als in den Zeichen unsrer Boten. Ach, Du sagst es und errinnerst daran: Wieviel leichter wird es dann sein, einander alle Liebe zu erzeigen. Geliebte! Dann kann die Feder rufen – dann müßen die Augen sich nicht anstrengen und die Gedanken brauchen nicht in die Ferne zu schweifen — und wenn wir dann einmal müde sind/[sic] dann lehnt sich Kopf an Kopf und schmie[gt] sich Herz an Herz – und wir Fühlen [sic] alle Traute und Geborgenheit der Liebe – beredter als Worte es vermögen.

Oh Herzlieb! Größere Freude, größeren Reichtum gibt es nicht als Deine Liebe! Und alle Freude, alles Glück liegt in ihr beschlossen. Ach Herzensschätzelein! Ich gäbe alles hin – nur Deine Liebe nicht! Die möchte ich behalten um mein Leben. Deine Liebe ist das kostbarste Geschenk, das mir je werden köonnte – und es ist das wundersamste: Es nützt sich gar nicht ab, es wird gar nicht alt – es wird mir immer kostbarer und ist eine lebendige Kraft! Oh Geliebte! Laß Dir danken! Ich halte Deine liebe Hand ganz fest! Ich lasse Dich nimmermehr! Ich habe Dich soo lieb, sooooooooooooo lieb!

Ich will nun schlafen gehen. Und morgen will ich mit Dir weiterreden! Ich bin so müde! Es war auch zu viel der Freude heute! Ich küße Dich – herzinnig – Geliebte, Holde! Herzenschätzelein!

Ich bleibe in Ewigkeit Dein [Roland]/ Du!!!  Du!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946