Bitte warten...

[OBF-410329-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 29. März 1941.

Mein geliebtes Herz! Mein lieber, liebster [Roland]! Du!!

Sonnabend ist, der Feiertag will beginnen; die Uhr zeigt ½ 8, es wird schon dunkel draußen, und bei mir hier drinnen am Tisch läßt sichs' bald nicht mehr schreiben. Jetzt habe ich Licht gemacht und noch einmal mußte ich sinnend in die rosenroten Wolken des Abendhimmels schauen, ehe ich das dunkle Rollo über die Fenster gleiten ließ. Zu Dir gehen meine Gedanken – zu Dir, Geliebter!! Ob auch Du solch friedvollen Feierabend erleben darfst? Friedevoll in Deiner Umgebung, friedevoll auch in Deinem Herzen? Ach Du!! Das wüßte ich so gerne, mein [Roland]! Ob Du Dich schon ein wenig heimisch – wenigstens wohl fühlst – in Deiner neuen Umgebung? Bei uns hier ist es doch garnicht so, als lebten wir in der bösen Kriegszeit. So still und friedlich liegt alles und schaut uns die Heimat an, so wie sie es immer schon tat – nichts vermisse ich – keine böse, zerstörende Macht hat hier Unheil erwirkt.

O nein – wir dürfen kein Wort der Unzufriedenheit sagen. Nur eines fehlt mir zu einer echten Zufriedenheit und inneren Freude: Du! Du!! Geliebter!!

Dann wäre nicht mehr das ewige Suchen und Sehnen und Lauschen mit mir – dann wären all meine Sinne, all meine Gedanken erlöst vom Grübeln, sie wären frei. Frei für die glückvolle Wirklichkeit; für Dich! Du! Doch, einmal kommt der Tag, da sich mein Sehnen erfüllt! Mein Sehnen? Unser Sehnen – Du!!! Gott allein weiß, wann. Herzlieb, wir müssen fein geduldig warten! Und nicht verzagen! Du!! Ich will so ganz stark sein mit Dir, mein [Roland]! Der Herrgott wird unsre Geduld und unsre Treue belohnen! Du!! Das glaube ich so fest, wie ich an Deine Liebe glaube, Geliebter! Der Ausblick auf dieses künftige Glück, um das wir unsren Herrgott zu bitten nie müde werden wollen, es läßt mich in einer ganz wundersamen Freude der Erwartung durch die Tage gehen. Das ist so schön, mein [Roland], wenn man ein heimlich frohes Wissen um eine Erfüllung in sich trägt. Es kann Dir den Alltag so erhellen – es vermag Dich nach dem trübsten Tag wieder froh zu machen.

Dieses heimlich frohe Wissen um eine Erfüllung, es ist schon in mir, seit wir uns näher kennen. Es hat mir immer und immer wieder Kraft geschenkt und Mut und Zuversicht. Gewiß, es kommen trübe Tage in eines jeden Leben – wie draußen in der Natur nicht ständig Sonnenschein sein kann – und zuletzt, nichts als der Glaube und dieses frohe Wissen um Erfüllung, das wie der Pulsschlag des Lebens mich durchrann, war es, was mich herausriß aus dem Dunkel; war es, was mich emporhob über jede menschliche Schwäche. Man sieht sein Ziel als ein leuchtendes Bild – nichts, daß [sic] mir den Glauben daran zerstören könnte, außer denn – ich zerbräche selbst daran. Und noch im Entsagen verließe mich der Glaube an dieses, mein Ziel nicht. Du warst mein Ziel. Mein leuchtendes Bild. Für Dich habe ich gelebt, gebetet, seit ich Dich sah. Das war keine Laune. Das überkam mich wie eine Leidenschaft. Ich kannte nichts mehr, als Dich – ich wollte Dich mir erringen.

Wir staunen beide über das Wundersame, das mich bewog, gerade Dich zu lieben; über die Kraft und Beständigkeit meiner Liebe, die wuchs, ohne Gegenliebe.

Das Weib ist wohl von Gott mit einem besonderen Gefühl geschaffen hierfür – es weicht hier ganz ab von der Verstandesschärfe des Mannes.

Und ich will Dir hier ein Beispiel anführen, das uns zeigt, wie hierin das Weib und der Mann verschieden geartet sind. Wenn mein Herz nicht spricht, dann schweigt mein Verstand auch, sagt die Frau.

Schweige, Herz, damit der Verstand zu Worte kommen kann, sagt der Mann.

So mögen die beiden Wesen, Mann und Weib in ihrem Ursprung sein.

Herzallerliebster! Gott hat es gnädig gefügt, daß wir in Liebe uns fanden. Wir haben unsre Wesen glückvoll vereint zu einem Ganzen. Wir sind einander von Herzen zugetan, eines lebt im andern – es gibt außer dem ,du' nichts mehr, daß [sic] unser Herz so ganz ausfüllt. So muß es sein, wenn echte Liebe zwei Menschenseelen verbindet, eines muß so ganz für das andere aufgehen. Eines muß für das andere leben. Eines muß Spiegel sein dem andern.

Geliebter! Was ich Dir mit all den Worten sagen möchte?

Daß heiliger, mächtiger Glaube in uns bleibe, an unser Glück! Daß feste Zuversicht in uns lebe, auf ein frohes Wiedersehen, auf die Fortsetzung unsrer Lebensaufgabe, die wir erfüllen wollen Gott zum Preis und Dank! Daß nimmermüder Wille in uns wache, unser Ziel fest zu halten und uns einander in Treue und Reinheit zu bewahren.

Geliebter!! Mein herzlieber [Roland]! Ich bin Deine Heimat. Du sollst glücklich stets daran denken! All Dein Sehnen, Dein Hoffen und Wünschen – ich hege und halte es für Dich. Für den Herzallerliebsten mein! Du!!! Kehre froh zurück zu mir! Geliebter! Mein [Roland]!! Unser Herrgott schenke uns in Gnaden solches Glück! Du! Wir müssen jetzt hart gegen uns sein, wie die große Zeit es will. Du, Liebster, die Pflicht hat Dich ganz. Ich, warte und schweige – ich will nicht mehr ungeduldig sein. Ich will den Kopf nicht hängen lassen. Ich habe den unverrückbaren Willen, an unserem gemein[sa]men Leben weiterzubauen, wenn es auch nur im Verborgenen sein kann. Einmal wird auch unser Glück wieder aufblühen, Du!!, schöner als zuvor, da wir reifer und freier sind.

Herzallerliebster! Du!! Ich möchte Dir so lieb und fest die Hände reichen! Möchte Dir tief in Deine lieben Augen sehen, Dich küssen – lieb und leis, Du!! Sei ganz froh und gläubig und voll Vertrauen auf Gott mit mir! Du!! Ich harre treulich Dein! Geliebter!! Du bist nie allein! Ich halte Dich ganz fest, mein [Roland]! Gott schütze Dich! Er behüte Dich mir! Du! All mein Glück!!

In Liebe und Treue allezeit Deine [Hilde]. Dein!!!!!!!!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946