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[OBF-410315-002-01]
Briefkorpus

[*]

am 15.3.41.

Lieber [Roland]!

Heute mache ich einmal den Anfang. Es geht bald fort, wie schade; in 30 Min. geht mein Zug. So will ich Dir wenigstens noch ein paar Abschiedsgrüße senden. Gestern Abend haben wir Nachhochzeit gefeiert ohne Mann! Hattest Du keinen Schlucken? Wir haben auf unseren Süßwassermatrosen getrunken. Also es eilt.

Soo herzliche Grüße und alles Gute

vom Siegfried.


Sonnabend.

Am Nachmittag ¾ 6 Uhr.

Mein geliebtes Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]!!

Nun sind wir wieder allein zu Haus. Siegfried reiste mit dem gleichen Zug ab, den wir damals nach Kamenz benutzten, um 1333 von Oberfrohna aus. Da wird er ungefähr um 6 [Uhr] wieder daheim sein. Es war ein kurzer, aber sehr fröhlicher Besuch. Auf dem Bahnhof hat er mich geneckt mit meinem Süßwassermatrosen, ich brauchte mich doch nicht so zu sorgen, der wäre bloß auf einem Kahn im Havelsee (weil die Berliner den Kanal voll hätten!) Da soll man nun ernstlich böse werden? Ich habs‘ nicht gekonnt. Und wir haben trotz unserer Wortgefechte einander mit den Taschentüchern zugewinkt, bis der Zug um die Ecke bog. Der Siegfried. Er ist Dein Bruder. Ich habe ihn im Stillen oft mit Dir verglichen. Du!! Herzlieb! Du wirst Dir das wohl denken können. Er ist ein rechter [Nordhoff] in den Grundzügen seines Wesens, wie Ihr Buben alle 5. Aber, wie mein [Roland] ist er nicht.

Erstens ist er ja auch um vieles jünger, daher seine Unbeschwertheit, seine unbekümmerte Fröhlichkeit. Und dann: nahezu 4 Jahre sind es, die er beim Militär verbrachte, das gibt dem Menschen auch ein besonderes Gepräge; ich glaube sogar, das kann ihn richtig verändern, er nimmt das ganze Leben gar nicht so ernst, so schwer wie wir – wie ich und Du zum Beispiel.

Ich will gar nicht sagen, daß ich im Siegfried nicht Deinen Bruder finde – oh, doch – nur in einer anderen Wesensart. Ich selbst bin ein Schwerblut und bei aller Jugend – ich glaube nicht, daß ich bei Siegried das gleiche Heimatgefühl und die gleiche Geborgenheit fände wie bei Dir.

Ach Herzlieb! Wie komme ich nur auf solche Gedanken!? Ich gehöre ja Dir!!! Ich habe Dir ja, allein Dir[,] mein ganzes Herz geschenkt, mein ganzes Leben geweiht!

Ich mußte nur einmal daran denken, wie es wohl wäre, wenn Siegfried Du wäre.

Ich hab ihn gern den Siegfried, ja. Aber lieb habe ich nur Dich. Du!!!!! Das habe ich ganz genau auch in diesen wenigen Tagen gespürt, da ein männliches Wesen um mich war. Ich kann meine Gedanken nicht von Dir lösen, bei allem was um mich her geschieht, geschweige denn mein Herz! Meine Liebe! Oh Du!! Du!!! Mein [Roland]!! Siegfried ist von einer Fröhlichkeit, der man sich unmöglich entziehen kann. Es ist wohl gut, wer so sein kann.

Wie sonderbar, Herzlieb! Gerade in den Tagen meiner größten Sorge um Dich, wo Du auf die Fahrt ins Ungewisse gehen mußtest, da kam der Siegfried zu uns. Gerade als solle er mir diese Tage erleichtern. Ich konnte mich dieses Gedankens all die Zeit jetzt nicht erwehren.

Gott hat tausend Wege – er bedenkt uns nach unseren Kräften. Auch dies ist ein Zeichen seiner wunderbaren Allmacht. Und mit einem kleinen Aufatmen las ich Deine Worte in einem Deiner lieben Boten von Lübeck, daß Du einen netten Kameraden unter denen, die zur Schreibstube gehören, gefunden hast. Er ist aus meiner Heimat! Wenn Du Dich doch ein wenig an ihn halten könntest! Wenn Ihr doch gute Freunde werden könntet. Es ist so unendlich wertvoll und auch wohltuend, in der Fremde einen wahren Kameraden neben sich zu wissen. Wenn wir beide uns auch täglich die Hände reichen wollen, ein liebes Wort aus dem Munde eines treuen Kameraden kann so viel sein! Er ist Dir zur Seite im rechten Augenblick, eben dann, wann Ihr einander braucht. Die Ferne, die uns trennt, sie ist doch oft ein Hindernis für unseren Gedankenaustausch. Aber das soll uns nicht hindern, nach wie vor mit allem, was uns bewegt zueinander zu kommen. Es bleibt, als wären wir beisammen – nur, daß eine größere Spanne Zeit zwischen unseren Zeilen liegen wird. Mein lieber, guter [Roland]! Du!! Hast mir so lieb und treu geschrieben, war die Zeit auch noch so knapp! Ich danke Dir so sehr! Ich freute mich so sehr! Gestern, also Freitagnachmittag[,] kam Dein lieber Bote vom Mittwoch, er ist in Stendal abgestempelt, am 13.III. 15.00 [Uhr]. Noch in der Mittwochnacht [sic] ist die Reise angegangen – es war wieder ein 13. Ich kann Dich nun gar nicht verfolgen in meinen Gedanken, weiß doch überhaupt keine Richtung. Aber, Herzlieb!! Sie sind alle, alle bei Dir! Ganz bei Dir!! All meine liebsten und heimlichsten Gedanken, Du!! Mußt es ja spüren, wie fest ich Dein denke, Liebster!! Heute blieb Dein Bote aus – er wird nun einige Tage ausbleiben, Du sagtest es mir doch schon. Und ich will mich gar nicht ängstigen! Ich will ganz geduldig warten bis er bei mir ist, Dein lieber Bote. Ob Du denn alle meine Zeichen nachbekommst? Ich sende Dir nach wie vor jeden Tag einen Boten. Du!! Heute erreichte mich Dein kleiner Koffer mit der überflüssigen Wäsche; gut, daß er f vorm Waschfest ankam. Wolltest Du noch ein Paket schicken mit Wäsche?

Herzlieb! Ich bin heute ganz sehr müde. Eben habe ich gebadet. Als Siegfried wegfuhr, habe ich mit Mutsch die Wohnung sauber gemacht und die Hausordnung; es kam nun diese Woche alles an einem Tag zusammen. Und jeden Abend, seit Donnerstag erst nach 12 Uhr ins Bett. [D]as muß ich aber schleunigst nachholen, was ich da an Schlaf eingebüßt hab. Früh bin ich immer um 7 [Uhr] aufgestanden, damit ich mit meiner Hausarbeit fertig war und dem Siegfried ein wenig die Zeit vertreiben konnte. Ich hab ihn fleißig ausgeführt. Wir erregten richtig Aufsehen! Vor drei Wochen kam ich mit einem Grauen – heute mit einem Schwarzen ! (Uniform).

Gestern abend luden wir Trudi ein, seine Brautjungfer; es war recht nett, an Dich haben wir soo oft gedacht!! Dein Flohspiel weißt [Du]? Es wurde fleißig genommen, auch ich mußte mitspielen! Mein Sonnenschein!! Du!!! Ich muss erst einmal schlafen gehn! Ich fasse Deine liebe Hand morgen wieder ganz fest!! Geliebtes Herz! Gott behüte Dich mir! Er erhalte Dich mir! Du!!! Mein Glück! Mein Leben!

Ich liebe Dich so sehr!!! Mein [Roland]! Ganz Deine [Hilde].

 

[* = Die ersten Sätze wurden von Siegfried geschrieben]

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946