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[OBF-410310-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 10. März 1941.

Mein geliebtes Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]!

Dein Brief vom Freitag ist bei mir, Du! Und nun lese ich die Überraschung von Deiner Versetzung. So schnell geht das also. Wie man pfeift, so müßt Ihr springen. Ich glaube, dieser Anruf hat Euch alle in der Schreibstube getroffen, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Und schon am Freitag solltest Du auch in Lübeck eintreffen? – da gibt es kein langes Besinnen. Nun wundere ich mich nicht mehr über meine Ruhelosigkeit am Freitag gegen Abend, als ich spazieren gehen mußte! Und nachts, als ich keinen Schlaf fand. Ach, Du warst gewiß auch immer bei mir mit Deinen Gedanken, Du!! Ich sehe es ja auch heute: ½ 12 [Uhr] war es, als Du noch einen letzten Boten von Barkelsby aus auf den Weg schicktest. Du!! Daß Du mich über diesen plötzlichen Drasch nicht vergessen hast! Darüber bin ich soo froh!! Ein andrer hätte vielleicht seine Habe gepackt und gehörig Abschied gefeiert; ach, ich kenne das doch. Du mein Herzlieb! Du hast trotz allem immer noch Zeit für mich. Und das danke ich Dir, Du!! So brauche ich mich nun nicht so um Dich zu sorgen. Ich war keinen Tag ohne Nachricht von Dir.

Mein [Roland]! Nun hast auch Du, einer von [Nordhoffs], wieder mal die Brücke hinter Dir abgebrochen; es muß ja in diesem Frühjahr direkt in Eurer Familie liegen, das Ziehen. Erst Siegfried, dann Vater – die beiden Ereignisse erlebten wir mit daheim. Nun Hubo! Und dann Hellmuth, gib nur acht!

Du! Herzlieb! Wie Du es aufnahmst, wie Du es trägst, das läßt mich aufatmen – ich freue mich über Deine Worte dazu, mein Lieb! Ich habe mit Sorge an Dich gedacht, als ich am Sonnabend Dein Telegramm bekam. Und so ist es recht: keine falschen Hoffnungen, aber auch keine Befürchtungen.

Lübeck ist eine sehr schöne, alte Stadt, ich sehe es an den schönen Aufnahmen, die Du mir zukommen ließest, lieber [Roland]. Ich habe mich sehr gefreut. Nun kann ich mir schon ein Bild machen!

Und wie Du es dienstlich treffen wirst? Ach – weißt Du, um Dich und Deine Arbeit ist mir nicht bange! Nein. Das wird Dir nicht schwer fallen. Und Dein Wesen Herzlieb, es wird sich seinen Platz erobern, es wird Dir einen ganz gewissen Platz sichern – daran zweifle ich keinen Moment. Nur die andere Seite: Umgebung in der Freizeit, Deine [ne]uen Kameraden, mit denen Du den gemeinsamen Wohn- und Schlafraum teilen mußt. Mit welcher Art Menschen wirst Du wohl nun auskommen müssen? Wie wird im großen u. ganzen der Umgang sein? Die Behandlung? Ob Du einen menschenwürdigen Unterschlupf fandest? Der Begriff: Barackenlager – Barackenlager Brandenbaum weckt immer sonderbare Gefühle in mir. Das Lager in Barkelsby war keines der schlechtesten!

Du wirst mir berichten. Und die neue Kost? Ob Du damit ebenso zufrieden sein kannst? Sieh, das sind nun die nächsten Sorgen, die eine Frau bewegen. Der Herrgott wird mit Dir sein, Du! Ich bin ganz getrost mit Dir! Und ich will ganz tapfer sein. Was Gott tut, das ist wohl getan.

Es ist alles, was er uns schickt nur zu unserm Besten, wir müssen uns nur mühen, den rechten Sinn zu erkennen; daraus zu erkennen suchen müssen wir, was er uns damit sagen will. Herzlieb! Und wenn es Dir auch äußerlich schlechter ginge – die Möglichkeit, mir Dein Herz auszuschütten, zu mir Dich zu flüchten mit allem, was Dich bedrückt, die bleibt. Die bleibt Dir immer! Du!! Ich bin Dein! So ganz Dein! Und ich warte ja immer darauf, dass Du zu mir kommst, daß Du heimfindest! Ich will mit Dir tragen, Geliebter! Denke immer daran!! Du hast es zuerst mir mitgeteilt, das Neue. Du!! Mir! Deinem Weib! Nun gehöre ich Dir doch so ganz, mein Herzlieb! Was Dein Herz bedrängt, sage es mir! Du! Freud und Leid – ich will alles mit Dir teilen und tragen! Du! So froh lese ich Deine Worte: „Ich bin ganz glücklich, wenn ich Dich nur habe." So beglückt bin ich darüber! Du!!

Mein lieber [Roland]! Es ist ½ 4 Uhr, der Postbote kam und brachte mir Deine Boten vom Sonnabend. Du! Mein Herzlieb! Sei recht lieb bedankt! Du!!

Wieder eine Neuigkeit. Du bist in einem Sammellager untergebracht. Es wird weiter gehen. Mein [Roland]! Du!! Ich bin ganz ruhig und gefaßt. Ich will tapfer sein! Ich will nicht zu viel Sorge tragen um Dich. Das ist nicht recht. Ganz stille sein – glauben, vertrauen auf Gott. Wir wollen es beide, mein [Roland]! Du!!!

Du! Wenn ich Deinen Abmarsch von Barkelsby lese, da habe ich soviel Mitleid mit Dir! Solch 'nen Huckepack hattest Du zu tragen! Und so weit!! Wenn ich Dir doch hätte tragen helfen können! Ach Du! Nacht war noch, als Du gingst! Du! Ich war wach um diese Zeit – ich bin in Gedanken bei Dir gewesen, nur Deinen Weg konnte ich nicht mit verfolgen. Aber um Dich, um Deine Person kreisten all meine Gedanken immer. Wie sonderbar, Du!! Von dem bunten Treiben da berichtest mir. Alles läuft in Blau herum – und Du sollst auch? Du!? Ach, es geht dem Sommer zu, warum nicht? Du!! Aber da will ich Dich unbedingt mal sehn! Mein blauer Bub bist Du dann! Und wenn ich Dich nur auf dem Bilde sehen kann, ja? Du!!!

Nun bin ich nur auf das eine gespannt: ob es fortgeht, und wohin und wann. Bleibst Du denn ein Schreiber? Oder schult man Dich um? Sag mir das nur bitte [e]inmal! Ob Du nun meine Briefe erhalten hast? Dann will ich das Päckchen mit den Apfelsinen und Äpfeln mit zur Post nehmen. Hoffentlich erhältst Du es noch! Und der arme Kuchen wird altbacken!

Mein liebster [Roland]! Du!! Ganz – oh ganz fest wollen wir nun einander halten, ganz innig will ich Dich in's Gebet einschließen! Du! Und ganz fest wollen wir unsre Herzen in die Hand nehmen. Oh Herzlieb! Mein Herzlieb! Wir bleiben uns!!! In unzerbrüchlicher Liebe und Treue bleiben wir uns einander. Der Herrgott schütze und behüte Dich mir! Er erhalte Dich mir! Du! Mein Sonnenschein! Mein ganzes Glück! Mein Leben!

Ich bin Dein! Ich liebe Dich! Oh – sooo sehr!! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946