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[OBF-410302-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 1. März 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebe [Hilde]!

„Nicht zurück!" Herzlieb, ich glaube, Du warst es, die das sagte. Rüstig vorwärts schreiten, gläubig und mutig vorwärts schauen – das ist in die Zukunft, ins Nebelhafte[,] ins Ungewisse – in die Zukunft, von der wir hoffen und glauben, daß sie uns für immer zusammenführt – und jeder neue Tag, wenn er uns auch entfernt von den glücklichen Stunden [u]nseres Zusammenseins, wir sollten ihn darum froh begrüßen. Herzlieb! Wir sind beide noch so jung, daß die Hoffnung und Zuversicht in das Künftige den Schmerz um das Zurückgebliebene übertönt und überstimmt. Zu Ende geht ein Tag, der uns entfernt von unseren glücklichen Stunden, der uns näher bringt dem größeren Glücke unserer gemeinsamen Lebenszeit! Gott walte es!

½ 11 Uhr fuhr ich auf aus dem Versunkensein in die Arbeit – da hast Du gewiß mein Telegramm bekommen – es wäre also ziemlich lange gegangen – vielleicht ist die Leipziger Messe schuld. Ich konnte heute am Vormittag über einer längeren Listenschreiberei schön ausdösen. Überall bemerkte man meine Rückkehr – und viele Blicke und Worte boten mir einen Willkommen. „Wie war´s im Urlaub?" „Fein war´s "" [sic] – so hat Hubo zur Antwort gegeben. Herzlieb! sie ahnen nicht, was hinter diesen Worten steht: was mir die Heimat bedeutet – und was Du mir bedeutest, meine Heimat in einem ganz besonderen Sinne – und unsere Seligkeit! Ach Herzlieb! Ich muß dem allen schon ein wenig nachhängen – nicht trauernd und traurig – ach nein, froh und glücklich!! Du!!! Froh und glücklich – und dankbar!!!!!

Herzlieb! nun ist Sonntag. Tief und lange (für meine Begriffe) habe ich geschlafen, wie lange nicht mehr. Eben habe ich nun auch ein schönes Mittagsschläfchen hinter mir – nun bin ich fein munter. Um 3 Uhr ist es. Draußen stürmt und regnet es – gut so – dann habe ich Geduld zum Schreiben. Du wirst Dich aufmachen, um zu Gertrud G. zu gehen. Ich war so froh, Dich für diesen Sonntagnachmittag in Gesellschaft zu wissen – und war doch nun auch selbst Zeuge dafür, daß es Dir leid war um den verschenkten Nachmittag.

Mir ist so eigen zumute hier: mit dem Bild einer schöneren, besseren, und auch zuchtvolleren Welt bin ich zurückgekehrt – und nun empfinde ich die Rauheit und Rohheit und Haltlosigkeit dieses Soldatenleb[en]s deutlicher. Beim ersten Einrücken war das nicht so. Ich sehe verwüstete, aufgedunsene Gesichter, ich höre dieses gedankenlose Schimpfen und Fluchen. Ich bin froh, daß es dem Sommer zugeht, auf die Entscheidung zu, und damit, Gott gebe es, dem siegreichen Ende zu – dem Ende auch dieses ‚faulen´ Lebens. Ein Glück, daß ich den Tag über eine gute Beschäftigung habe. Eine anderes spüre ich noch: Ruhiger bin ich geworden in diesem Urlaub. Und mit dieser Ruhe gehe ich an die Arbeit, die ich schon kenne – ich will sehen, daß ich sie recht lange bewahre. Zu dieser Ruhe will ich den Trotz gegen dieses Leben hier legen, Herzlieb, und will nur Dir leben, nur Dir – bis ich wieder zu Dir kommen kann – vielleicht für immer, Du!! Das Bild dieses besseren schöneren Lebens soll mir niemand trüben, niemand kann es mir trüben. Du! Herzlieb!! Der Wille zu Dir ist so mächtig und einzig – gibt Gott mir seinen Segen, dann bin ich bald ganz bei Dir! Du!!! Gestern, am Sonnabend[,] waren wir zeitig fertig mit unsrer Arbeit, Sch. und der Spieß fuhren auf Sonntagsurlaub – ich meldete mich zu einem Botengang in die Stadt. Herzlieb! Du weißt warum: viel an die frische Luft will ich – und allein sein mit Dir. Spürst Du es auch, Geliebte? Frieden ist zwischen uns, Ausgeglichenheit, Du!!! Und wenn wir schon für immer umeinander wären, dann kämen nun Tage frohen, stillen Schaffens und Bereitens, und auch diese Tage wären erfüllt von der Liebe zueinander und dem gemeinsamen Wollen. Du! Herzlieb! Daß ich Ruhe fand, eine richtige, innere Ruhe, das mag Dir Beweis sein, daß Du mir Heimat bist – die Sehnsucht nach Dir macht mich unruhig – Du allein kannst sie stillen!

Ende dieser Woche wird Maat H. auf Urlaub fahren. Sch. rechnet mit dem glücklichen Ereignis nächste Woche. Da kann es passieren, daß ich ein paar Tage ganz allein bin mit dem Spieß. Sonst hat sich während meiner Abwesenheit nichts von Bedeutung ereignet. 2 Tages– und einen Nachtalarm hat es gegeben ohne jeden Knalleffekt. Post ist während meines Urlaubs nicht gekommen, auch nicht aus Bad Schandau.

Herzlieb! Eben habe ich Siegfrieds Geburtstagsbrief geschrieben. Und nun wende ich mich Dir wieder zu. Du! Zum ersten Male habe ich nun die schönsten Bilder unsres Zusammenseins mit unseren Lieben aus der Erinnerung wieder hervorgeholt. Geliebte! Warst Du denn auch ganz erfüllt von allem Erleben dieser vergangenen Tage? Spürtest Du sie auch so [f]roh, die Bande, die uns mit unseren Lieben verknüpfen – in deren Augen unser Bund sich spiegelt als eine feste Gewißheit und als ein Glück: Spürst Du wie ich in Dir den Willen, so, wie unsere Eltern es sind, ein Mittelpunkt zu werden, ein Eigenes darzustellen?

Ach Geliebte! Spürtest Du so froh und glücklich wie ich meine Hand an der Deinen? Vielleicht hätte sich früher bei mir etwas gerührt, so öffentlich mich zu zeigen – Herzlieb! Das ist ganz anders geworden. Dich an meiner Hand zu wissen, das bedeutet mir so großes Glück! Ach Du! ich will sie noch alle lieb verwahren, die Bilder alle, mein Eigen, mein Pfand, Du!! Du!!! Zeugnis, daß Du mein bist!!!!!

Morgen wird Dein lieber Bote kommen. Und täglich wirst [Du] nun wieder einen auf den Weg schicken – Zeugen der Liebe, die nicht aufhört zwischen uns – Zeugen der Liebe, die Freude bereiten und sich verschenken will, – Zeugen der Liebe, die treu und eigensinnig sich vervollkommnen und erfüllen will. Herzlieb! Du!! Du!!! Nun bin ich richtig Dein Mannerli – und Du bist mein Weib!!! Ich glaube, das war das Erlebnis, das mich am glücklichsten werden ließ in den vergangenen Tagen. Es war ein langer Weg bis dahin – und wir wissen, die Trennung voneinander hat ihn uns inbrünstiger suchen und rascher finden lassen. Ich bin so dankbar darüber in meinem Herzen – so froh – ich halte nun wirklich das Schlüsslein in meinem Besitz – Du!verwahrst das Gärtlein. Du! Nun erst bist Du ganz me[in]!! Nun bist Du es!! O Geliebte! Ich kann darüber so froh und ruhig werden! Das Schlüsslein und Gärtlein zu aller Liebe Seligkeit, Du!, es ist ja vielmehr als diese äußeren Zeichen – wir beide wissen es. Und diese Seligkeit will errungen sein, will erdient sein – sie muß Krönung sein. Ach Geliebte! Wir sind wohl beide noch ganz benommen von viel Glückseligkeit, von der Freude darüber, daß wir nun ganz zueinander finden, daß wir unser Glück krönen durften.

Geliebte! Du sollst wissen, daß Dein [Roland] so glücklich ist an Deiner Seite – daß er in Dir sein Glück gefunden hat – Nun gehört er Dir ganz, so ganz, Du!!!

Gott behüte Dich, Herzlieb! Er führe uns bald, recht bald zusammen. Du! Wir dürfen hoffen, glücklich hoffen!! Geliebte! An dieser Hoffnung hängt mein ganzes Glück, mein Leben!! Sie ist mein Halt, mein Trost, meine Kraft, mein Sonnenschein. Du! Du!!

Herzlieb! Hast Du es gesehen in meinen Augen? Dein bin ich!! Alles möchte ich Dir sein, Dir alles bedeuten, all Deine reiche Liebe auffangen mit meinem Herzen!! Du!!!

Ich sah Dich glücklich an meiner Seite! [Ich] Sah Dich glücklich in meinen Armen!! Du! Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946