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[OBF-410203-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 3. Februar 1941.

Herzallerliebster!! Du!! Mein lieber, liebster [Roland]!! Geliebter [!] Den dritten schreiben wir heute – wenn nur erst die 1 davorstünde!! 13.!! Ich denke so fest, daß Du am 13. bei mir bist! Weiß garnicht, woher mir die Gewißheit dazu kommt. Eben, weil mein Hubo und die 13 zusammen gehen. Du!!

Heute scheint draußen wieder die liebe Sonne, ganz herrlich ist es – ich will nachher, wenn ich unsere Wege besorge, einen kleinen Spaziergang einflechten. War lange nicht mehr im Sonnenschein bummeln. Ach Du!! Wenn Du erst bei mir bist!! Und wenn dann auch solch herrliches Wetter ist! Ich freue mich so!! Es liegt wieder bissel Schnee bei uns, doch kalt ist es nicht übermäßig. Es riecht nach Frühling, mein ich – vorhin tat ich ein paar ganz tiefe Atemzüge zum Fenster hinaus, da war mir grade so, als müsse das der nahende Frühling sein. Aber – bis dahin wirds‘ wohl noch Weile haben! Siehst Du denn manchmal auch noch nach unseren beiden Sternen? Herzlieb?

Sie sind jetzt jeden Abend allein am Himmel, wenn der Mond aufgeht – später kommen mehr. Und sie haben sich nun schon ein ganzes Stück voneinander entfernt. Aber umso näher rücken wir uns! Du!! Du! Deine liebe Mutter schreibt, daß alle Frontsoldaten bis zum März (noch) 3 mal Urlaub genommen haben müssen, ab März fiele jeglicher Urlaub weg. Siegfried hat es geschrieben, er kommt noch einmal heim. Wie schade, daß es doch niemals klappen will mit Eurem Urlaub untereinander. Ihr hättet Euch doch bestimmt gerne wieder mal gesehen. Aber es ist nun mal nicht allen Brüdern dieser glückliche Zufall beschert. Du!! In diesem Jahre soll doch Frieden werden!

Dieses Wunder! Diese Freude würde ja alles andre auslöschen, was gegen unseren Wunsch ging. Ach Du!! Das wäre soo wunderbar schön, man kann sich im Moment garnicht in diese Tatsache hineinversetzen, auf so viel Glück sind wir noch garnicht vorbereitet – wir bangen immer noch heimlich darum, daß es in diesem Jahre wahrhaftig Frieden geben soll.

Gebe der Herrgott seinen Segen zum glücklichen Gelingen! Ja – da wird es nun womöglich Dein erster und auch einziger Heimaturlaub sein dies Jahr. Dann kommst Du ja ganz, ganz, ach – für ganz und immer heim! Du!! Du!! Aber Du!! Dazwischen muß ich Dich noch mal besuchen, wenn es irgend möglich ist!! Wenn Du nicht weg d[ar]fst, ich darf weg von meinem ,Spieß‘ aus!! Du!!! Na – das wird sich alles entscheiden, darüber wollen wir heute noch garnicht [sic] sprechen! Ach! Du!! Das darf ich ja auch nicht vergessen! Dazu hat ja mein gestrenger Herr Finanzminister auch ein Wörtlein zu verlieren! Ja? Du!!!!!

Du!! Herzlieb! Heute früh kam Dein lieber Brief vom Freitag. Ich hab mich gefreut! Sei recht herzlich bedankt! Du!! Du freust Dich genau so sehr wie ich darüber, daß nun der alte lange Januar hinter uns liegt!

Ja, ja – Du!! Nun gilt der Kalender nur noch für uns. Weil Du nur am Freitag endlich für Dein Warten belohnt wurdest, mit meinem Boten. Und die Apfelsinen sind schon bei Dir? Da bin ich erstaunt! Na – ist recht fein so – da sind sie wenigstens noch genießbar.

Nun suchst Du schon wieder nach etwas Besonderem, Du alter Heimlicher, Du!! Das glaub ich Dir, daß Du wieder an die Apfelgeschichte gedacht hast, Du Lausbub!!

Übrigens, das fällt mir hier ein: Was Dir damals unleserlich war, heißt: die Schule der ,Evchen‘! Ich muß damals wieder mal ekelhaft geschmiert haben! Stimmts? Ach – Du!! Du kennst sie, meine schwache Seite – und ich schäme mich garnicht sehr vor Dir! Du!!!

Apfelsine heißt Liebesapfel, hast recht! Süß gemacht hatte ich sie diesmal nicht – Liebesapfel – sowas spricht ja für sich! Du Nimmersatt kannst aber auch nicht genug Süßes und Liebes kriegen! Na warte nur, wenn Du daheim bist, bekommst Du jeden Tag ein Täßchen Essigwasser zum abgewöhnen! Einverstanden?!! Welches Maß die beiden Großen haben? Wird nicht verraten. Und die Geschichte dazu, die hat mein Hubo richtig erraten, die paßt doch am besten! Apfelsinenpapa, -mama und ein Apfelsinenkind. Die Zipfel am kleinen, das sollen die Zöpfe sein! Die sich mein Dickerle bei seinem Weibel vergeblich wünscht!!! Spiel mir solange an den Zöpfen herum, bis Dirs‘ über wird! Dann kommt auch mein Bubenkopf wieder zu Ehren! Du!!!!! Aber Zöpfe hats‘[,] da ists‘ ein Maidlein!

Ja – das wird einmal ganz darauf ankommen, wer mehr Wunschkraft hat! Hubo oder [Hilde] – darnach richtet sich’s: Büblein oder Maidlein!!! Du!! Du!!!

Ach Herzlieb!! Wir freuen uns doch über jedes Kindlein! Wenn es nur ein gesundes ist! Ja? Du!!

Sag! Hat Dir S. das kommende Familienereignis eigens anvertraut, oder hat er’s allen in der Schreibstube erzählt? Freut er sich nun? Oder ist er bang vor Zwillingen? Na – so einfach ist die Zwillingsgeburt für eine Frau nicht. Du!! Welch sonderbarer Zufall! Du fragst mich in Deinem Freitagsbrief, ob in Glauchau das Kindlein nun da sei. Du!! Und vorhin, um 1 Uhr, rief mich die Mittelfrohnaer Oma an, daß Tante Marthel am Freitagabend von einem gesunden Mädel entbunden worden sei! Vielleicht war’s eben um die Stunde, da Du an sie dachtest? Und ich habe in der Nacht zum Sonnabend von ihr und dem Kind geträumt. Es muß doch etwas an dieser Gedankenübertragung sein. Ja – am Mittwoch früh ¾ 8 [Uhr] will ich mit Oma zu Tante ins Krankenhaus nach Glauchau. Ich wollte ursprünglich erst mal hin zu ihr, wenn sie wieder zu Hause ist. Aber – ich [habe] mirs nun überlegt: Solange mag ich meinen persönlichen Glückwunsch nicht hinausschieben; wenn Du bei mir bist, da reise ich nämlich nicht bei der Verwandtschaft umher. Sieh, so klappt es am besten und da brauche ich auch nicht länger als einen Tag dort zu bleiben. Sie läßt uns nicht gerne am gleichen Tag wieder heim, wenn wir sie mal besuchen – aber nun, wo sie noch im Krankenhaus liegt, ist es gerade recht, da können wir sie 2 Stunden wohl besuchen, und haben dann auch gleich wieder einen guten Anschluß nach Hause zurück. Über Penig fahren wir, von Penig mit dem Zuge nach Glauchau. Im Winter mag ich nicht in Glauchau bei der Tante übernachten, bei ihr ists‘ soo kalt. Wenn ich sie dann wieder mal besuche ist Frühling, oder Sommer.

Du?!! Du möchtest mich gerne wieder einmal küssen? Und Du sagst mir wie Du Dich eigentlich hierin in diesem Nahsein geändert hast, gegen früher. Ich kann Dir das nachfühlen. Ich habe diesen Ekel auch empfunden – bei manchen Personen ganz besonders deutlich, und ich entsinne mich, wie ich mich damals, als ich noch mit Hilde und Luise K. hatte [sic], so sehr überwinden mußte, irgendwann mal etwas abzubeißen – die zwei hatten das so in der Mode, voneinander abzubeißen. Ich kriegte da immer eine Blase am Munde. So ist es auch heute manchmal noch, wenn mir vor irgend was [sic] graut, wenns mich ekelt. Aber bei Dir war das ganz was andres, weil ich Dir gut war. Und heute noch bin! Will ich doch nicht vergessen! Du!!! Du sagst, ich möchte das Küssen noch lieber, als Du?! Ich werde Dir’s beweisen, Du!! Ich küsse Dich überhaupt nicht!! Jawohl! Erstens hab ich einen Loch im Zahn, da zieht es ‘nein, wenn ich den Mund aufmache. Und zweitens – und zweitens – da – na, weil Du es eben behauptest – darum küsse ich Dich nu gerade nich! Du Lausbub!! Du bist wieder mal zu nischt nütze! Nur zu Dummheiten! Rosinen hast Du auch nicht im Kopfe? Ach – Ihr [Nordhoffs]!! Da schickt mir nun die Mutter – so ein Luder! – 4, vier ganze Rosinen mit im Brief – ich soll sie aufquellen lassen. Was macht man nun mit so’nem Nickel?! Na – ich werde schon was zusammenbacken! Und wenns garnicht rutschen will, der gute „Kathreiner“ hilft nachspülen!!

Ach Du!! Du!! Weißt? Ich hab bald keine Andacht mehr zum Schreiben!! Du!! Ich möchte nun bald mal bei Dir sein! Und das Tintenfaß in die Ecke stellen – immer bloß mit der Tinte liebhaben! Du[!] Das hab ich nu bald mal satt. Du auch? Ach, wie kann ich fragen!!! Du!! Du!!!!! Du! Lasse Dich nicht von Deiner alten Klappermühle zerhacken! Ich will einen vollständigen, einen ganzen Hubo haben!!! Und ich möcht‘ ihn schon gerne abholen, ja, ganz sehr gerne! Du!! Am Sonnabend hast Du fragen wollen! – Ob die Antwort schon auf dem Weg zu mir ist? Du!! Ich bin so neugierig – wie eine richtige Frau!! Sei fein artig und geduldig, Du!! Mein Dickerle!! Denk immer dran, daß Deine [Hilde] genau so brav und geduldig sein muß! Und – Du!! Sie muß vielleicht – [we]nn Du recht zeitig kommst – noch eine viel, viel härtere Geduldsprobe bestehen – ach Du!! Du!! Wenn ich Dich nur bei mir habe – dann will ich alles ertragen!! Herzlieb!! Du!!! Du!!!!! Komm bald zu mir! Geliebter! Mein Herzlieb! Ich sehne mich so sehr nach Dir! Du!!!!! Ich liebe Dich sooooo sehr! Mein [Roland]! Du mein Sonnenstrahl! Mein ganzes Glück! Ich bin Dir ja so von ganzem Herzen gut! Du!!! Gott behüte Dich mir auf allen Wegen! Er führe Dich gesund zu mir.

Ich bin in Ewigkeit Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946