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[OBF-410203-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 3. Februar 1941.

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]! Herzliebes, Du!!

Du! Heute schon kommen 2 liebe Boten zu mir vom Sonnabend und.[sic] Sonntag. Zu Mir, von Dir!! Von Deiner lieben Hand!! Von Deinem warmen, treuen Herzen!! Von meinem lieben, lieben Weib! Du!! Du!!! Magst das gern, wenn ich so manchmal von Dir sage? Mein liebes Weib? Du!! Du!!! Da ist mir so eigen, wenn ich Dir dieses Mäntelchen umhänge! Da sehe ich Dich so an der Grenze von der Mädchenzeit zur Zeit der vollen Blüte und Reife. Bist's noch [n]icht lange, Du!! mein liebes, schönes Weib!! Ist noch nicht lange her, daß Deine Augen wissend schauen – wie meine auch, Du!! Ach weißt, wenn Du Mann zu mir sagst, da komme ich mir so fremd und komisch vor. Hast's sicher selber schon empfunden. Dein Mannerli? Ja, das bin ich! Dein liebes Mannerli, noch so ein Dummerle, aber ein liebes, ja? Du!! Weißt: zu Fremden, da mag ich von Dir als meiner Frau reden. Glaubst: anders fühlen wir uns wieder in ein paar Jahren, anders zumal, wenn Kinder da [s]ind, denen gegenüber man dann und wann auftreten muß. Aber jetzt fühle ich mich noch so gar nicht als Mann, weißt so ein fester, bärbeißiger, verhärteter, behaarter, so ein routinierter! Du! Elastisch und beweglich und freudig aufgeschlossen – das möchte ich so lange bleiben noch – mit der Kraft, sich zu freuen, zu empfinden. Ach Herzlieb! Du!! Mit Dir und bei Dir bleibe ich's gewiß noch lange, wen [sic] Du so bist wie ich! Du bist so wie ich! Du!! Du!!! Du paßt doch gerade bloß zu mir, Du lieber Bub!! Stell Dich mir nur gleich mal wieder vor! Ach Du!! Ich merk schon, es wird nichts aus dem Messen. Wenn ich die lieben Guckäugel seh – und das Mündchen, und wo das liebe Herzel sich rundet – ach und das ganze liebe Packl zusammen, da muß ich Dich gleich liebhaben – und da haben wir ja schon das richtige Maß: liebhaben müssen wir uns – ganz sehr lieb! Wir können nicht anders.

Weißt, heute schnitt ich Deinen lieben Boten schon in der Schreibstube auf: stand grade ein Bekannter und lachte; wie ich so einen Bogen nach dem andern von dem lieben langen auspacke: „Na, Deine Frau schreibt wohl Romane!" Nun wurden die andern aufmerksam und lachten mit. Und Dein Hubo, der nicht gern Gegenstand eines Gelächters ist, der war zunächst ein wenig betroffen und lief ein bissel rot an. Dann besann er sich aber bald und ließ seine Augen ein wenig von seiner inneren stolzen Freude sprühen. Du! Herzlieb!! Wir beide sind richtig! Auch wenn alle anderen die Köpfe schütteln. Sie lachen teils aus Unverstän[d]nis: Sie lieben nicht so wie wir! Und ihre Liebe erfüllt sie nicht so, wie sie uns erfüllt! Und sie ist ihnen nicht so wichtig und so teuer und so heilig! Ist ihnen vielleicht nur so viel wert wie Bier und Zigarre. Sie mögen ja auch nicht so treu sein. Und sie lachen teils über den Überschwang unserer Liebe vielleicht, der sich in den langen Briefen ausdrückt. Herzlieb! Du!! Das ist uns ja nur ein Kompliment, ein liebes, das uns zum Überfluß bestätigt – daß wir einander recht lieben. Überschwang? Herzlieb! Was gibt es Schöneres auf dieser Welt, als sich einer Sache oder einem Menschen so ganz widmen, hingeben, weiß[t] – so lieb und treu? Inbrunst und Innigkeit wollen und suchen wir in unsrer Liebe – sie g kann gar nicht überschwänglich genug sein. Steigt mit dieser Hingabe und Treue nicht etwas Göttliches, Lichtvolles, Unirdisches herab, das uns Menschen erst die rechte Würde und Auszeichnung gibt vor aller anderen Kreatur? Es gibt auch einen beschränkten Überschwang, einen hohl – pathetischen. O, Herzlieb, so ist der unsere nicht. Auf 3 Seiten schreibst mir ja von ganz alltäglichen Dingen – Du Herzlieb! Ich überschlage sie nicht! Ich sehe sie – und sehe sie so gerne. Nein, nein Du!! Weil wir uns so sehr liebhaben, und weil unsere Liebe und unser Bund uns so erfüllt bis in die Ecken und Winklein unsrer Herzen – und weil wir gar nichts Lieberes wissen,als auch über die Ferne miteinander zu leben – wir schreiben ja gar nicht richtig – wir sprechen, und plaudern und feiern doch miteinander in den Stunden, da wir die Bogen füllen. Du!! Du!!! Herzlieb! Weißt, wir brauchen gar kein Konzept mehr miteinander. Es kommt alles von Herzen und aus der Liebe und wendet sich an Herz und Liebe. Wir brauchen keine Erklärungen mehr. Du! Du!! Weil wir ganz eins sind! Eins!! Und bist doch ein andres! Bist nicht mein Selbst! Das hätte ich nicht so lieb!! Bist ein and[e]res –  aber ein andres, das erst mit mir ein Ganzes bildet. Ein andres – das mein Herz öffnet, zu sich herüber zieht, dem es sich öffnet und ergießt wie eine erbohrte Quelle – Du, etwas Wundersames, Geheimnisvolles! Liebe! Du!! Die Liebe ver[b]indet uns!!

Du schreibst mir wieder so viel Liebes! Und das Liebste ist mir doch, daß Du Dich mit mir freust, daß Du Dich sehnst, und daß Du mit mir Dich liebhaben willst, soo sooooo sehr lieb, Du!!! Und das ist auch das wichtigste, ist auch, was uns ganz erfüllen muß nach dieser langen Zeit der Trennung. Ach, manchmal denke ich, wir möchten uns zu sehr freuen darauf im voraus, daß wir dann enttäuscht wären. Aber, Herzlieb, beim letzten Wiedersehen war es doch gar nicht so. Die Worte können doch gar nicht heranreichen an all die Seligkeit, Du!!! Du!!!!! Das Glück, um Dich zu sein und bei Dir zu weilen, das ist ja so unsagbar groß! Du!!! Wir werden viel allein sein! Und so viel hell ist's auch noch nicht! Und kalt ist's draußen! Du!!!!! So recht die Zeit, sich lieb zu haben daheim. Ach, und wir werden doch auch etwas miteinander erleben – den ganzen lieben Tag mit seiner Ordnung, wir werden unsre Freude darum ranken! Und wir werden miteinander reisen, Herzlieb! Und wir wollen bestimmt ein gutes Konzert und Theater besuchen – vielleicht auch ein Kino! Und täglich miteinander spazieren gehen – ach Du! Du!!! Lauter Gelegenheiten – den ganzen Reichtum unsrer Liebe auszubreiten, das ganze Glück unsres Einsseins zu empfinden. Weißt, wozu ich auch noch Lust hätte – mal einen Abstecher nach Lichtenhain zu machen – aber es ist eben nur ein Wunsch, die Zeit wird uns so schnell vergehen, ach, viel zu schnell – soviel Abwechslung und Veränderung wird uns ja gar gar nicht not tun und lieb sein!! Du!!! Du!!!!!

Du!!! daß meine liebe Mutsch vom Himmelblauen schreibt! Darüber bin ich ja so froh! Du!! Ich hätte mich doch gar nicht richtig freuen können auf Kamenz! Ich mag doch gar keine Stunde abtreten an andre. Alle sollen sie Dir gehören! Du!!!!! An 5 Tagen Dich nicht einmal liebhaben? Du!! Du!!! Das kann ich jetzt nicht!!!!! Später? Du!! Das wird sich finden. Werden wir alle beide dreinzureden haben. Weißt, was der Dr. Martin Luther mal geäußert hat, der große Gottesmann und Gottesstreiter, der doch auf Erden stand mit beiden Beinen und darum rang, daß unser ganzes Leben ein Gottesdienst werden muß? Du jetzt muss ich aber ganz klein schreiben, mal sehen, ob Du's noch rauskriegst: jede Woche ihrer zweier, schaden weder ihr noch mir! Das ist deshalb kein Gesetz, das für alle gelten müßte. Luther war eine Bärennatur. Du schreibst: der liebe Sonnabend hat es mir angetan! Du!! Du!!!!! Ich glaub – – – Na, wenn Du mal mit dem Liebhaben so gierig bist wie jetzt mit dem Geldausgeben – Du! Ich weiß nicht – – – dann wird wohl die Glut in Deinem Mannerli erlöschen! Du Geizhals!

Na wart nur, wenn ich auf Urlaub komme, da nehme ich das Portemonnaie!x Aus Bad Schandau habe ich noch keine Nachricht, weder vom Schulrat noch vom Gehaltsrechner. Aber gehört habe ich – aber das behalt zuerst noch fein für Dich – daß die Brüningsche Kürzung der Gehälter ab 1. Januar 41 fortfallen sollen. Das bedeutet eine Erhöhung unsres Gehaltes um ¼ des jetzigen Betrages, also monatlich um 50 RM. Ach Herzlieb! Um unsre wirtschaftliche Zukunft ist mir am allerwenigsten bange. Wir würden glücklich sein miteinander auch bei bescheidenem Auskommen. Und wir werden ebenso glücklich sein, wenn wir nicht jeden Pfennig umwenden müssen, etwas hinter uns bringen können und unser Heim und Leben so noch besser nach uns[e]ren Wünschen ausschmücken und gestalten können. Und wenn wir nur diesen Krieg gewinnen – dann muss man uns wenigstens lassen, was wir schon bekommen, nun, man muss uns energisch aufbessern, sonst schert sich niemand mehr darum, Beamter zu sein. Also – hast kein ganz armes Mannerli erwischt. Obs freilich zum Reitpferd langt und zum Paddel-

x Mit dem Geldsäckel versteht ihr euch eben doch nicht so recht!!

boot und zur Reise und zum Kindlein auch noch? Mußt Dir wahrscheinlich etwas aussuchen! Darfst auf meine Lausbüberei auch gleich ein paar saftige Klitsche ankreiden – muß mir nachher im Bettlein gleich mal Dein Konto daraufhin durchsehen! Aber zum Klitschen gehören zwei, weißt – eine Klatsche und eine Klitsche, und zur Klitsche gehört ein Mannerli mindestens im Hemdlein – – Du!! Verwöhnen willst mich? Aber meine Prinzessin bist auch einen Tag, und wenn ich fein bitte, auch zwei Tage – und Deine Wärmflasche und Dein Bademeister – ach, mehr mag ich gar nicht! Du!, Du!! Wer mag sich noch so freuen, so glücklich sein, so glücklich wissen im Besize [sic] eines lieben, lieben Weibes als Dein Hubo? Dein!!!!! Wenn erwartet wie mich ein so liebes teures Herz – ein Menschenkind so voll Liebe und Güte – und ein Weib mit so viel [Sü]ßigkeit? Ach Geliebte! Und wir schätzen sie erst ein, diese Süßigkeit, die sich in den Vordergrund schiebt: Sie ist Zeichen! Unterpfand, Bürgschaft – und sie ist zu mancher Stunde Krönung unsrer Liebe. Und die diese Liebe ist beides in innigem Verein: Herz und Sinn!!!

Meine liebe, liebe [Hilde]! Einen Gruß muß ich Dir noch bestellen, eh ich Gutenacht sage: Unser Kompanieleutnant ging heute von uns. Er ging schwer, ungern – und ich sah ihn ungern gehen. In der Schreibstube gab er allen Unteroffizieren die Hand. Ich stand [d]raußen vor der Tür und wartete, um ihm mit meinem Händedruck Dank und Verehrung zu zeigen: „Lassen Sie es sich gut gehen, und [Nordhoff], und wenn Sie auf Urlaub fahren, grüßen Sie mir Ihre Frau von mir." Wir bildeten Spalier bis zum Schilderhaus. Das Auto wollte gar nicht losfahren, wir mußten es bis auf den Berg schieben. Der Vater und Führer unsrer Kompanie hat uns verlassen.

Du! Herzlieb! Ich habe Dich soo lieb! Ich mag mein ganzes Leben nur noch mit Dir leben und teilen. Gott im Himmel segne es und führe uns recht bald zusammen! Er behüte Dich auf allen Wegen!

Du! Du!! Herzlieb! [Hilde]lieb! Meine liebe, liebste [Hilde]! Mein Rehlein und Herzblümelein und Sonnenschein! Ich liebe Dich! Ich bin Dein allzeit in Liebe und Treue! Dein [Roland]!

Und Du? Meine [Hilde]!! Herzlieb!!!!!!!

Gut Nacht! Träum süß!

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946