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[OBF-410131-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 31. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Mein [Roland]!! Du mein lieber, lieber [Roland]!!

Die große Freude geht nun hin und her zwischen uns. Und sie ist in Dir so hell wie in mir, Du!! Deine lieben Boten sind mir deutlichster Zeuge dafür! Du!! Wie ein frohes, dankbares Kind kannst Du Dich mit mir freuen! Nur mir willst Du aber diese reine, kindliche Freude zeigen – niemand sonst darf sie sehen, Du!! Bist doch immer wieder mein scheuer und eigensinniger [Roland]! Du!! Aber Du machst mich glücklich, wenn Du mir das sagst! Du!! Du fühlst, wie ich mich sehne, wie ich Deiner warte! Du!! Und darum ist Glück in Dir, Jubel! Herzlieb!! Es gehören immer zwei zum Glücklichsein, auch Du empfindest es deutlich!

Schlüsslein und Gärtlein, sie sind nur gemeinsam ein glückliches Ganzes! Du!!! Du!! Wir wollen garnicht richten, welches von beiden das Bessere ist, das Süßere und – das Wichtigere – keines findet Erfüllung ohne das andere – eines ist so wertvoll wie das andere, und ist es nicht nur im glückhaften Liebesspiel, Du! Es ist auch eines so wertvoll und wichtig und notwendig wie das andere, wenn wir uns[e]re tiefe Liebe krönen wollen mit dem Höchsten und Letzten. – Du sagst: kann mir doch garnicht denken, daß das Schlüsslein so notwendig ist! Du!! Du!! Was nützt uns denn ein verschlossenes Gärtlein? Du? Wenn wir kein Schlüsslein hätten, das uns die Seligkeit aufschließt? Du!! Du!! Du bist so wichtig wie ich! Und darum halten wir so fest zusammen, Herzlieb! Du hältst das Glück zu demselben Teil in den Händen wie ich! Und wir wollen einander gleich reich und glückhaft beschenken, Du!! Liebe um Liebe – Treue um Treue. Du!!! Du hast Dich gefreut über meine langen Boten vom Sonnabend und Sonntag und Du bedauerst, daß Du mir nicht so lange schicken kannst! Herzlieb! Du! Liebe und längere Boten wie Du mir immer schreibst, kannst Du mir doch garnicht schicken! Du! Ich bin soo glücklich über sie, und ich habe noch niemals ein unzufriedenes Gefühl dabei gehabt! Du!! Du opferst schon viel zu viel Deiner Freizeit mir – ja, ich weiß es! Und ich schätze das. Du!!! Weil Du mich nur verstanden hast und so gut, als ich Dir von meiner Liebe zur Einsamkeit schrieb. Wer könnte mich hierin wohl auch besser verstehen, als mein [Roland]? Der ja ebensolcher Einzelgänger ist! Und gar jetzt, seit er verheiratet ist, da ist er sogar ein wunderlicher Kauzzz! Das merkte ich aus einer Schilderung heraus, in einem seiner lieben Boten – ich glaube, der letzte Sonntagsbrief enthüllte mir seine neue Art! Und ich? Ich will doch meinem Hubo nichts nachstehen und darum bin ich nun auch Frau Kauzzz!

Du vergißt bei mir, daß Du alt bist? Du!! Als ich das las, da habe ich hellauf gelacht! Du bist ja garnicht alt!! Du bist nur älter als ich! So ist es nämlich! Dumme[rle]! Ach Du! Bei uns gibt es doch gar keinen Unterschied mehr – unsere Liebe schlägt feste Brücken über jeden Unterschied! Und unsere Liebe ist ebenso eigensinnig wie Herr und Frau Kauz persönlich! Sie will ebenso eigensinnig und allein im Herzen wohnen, wie die beiden am liebsten allein sind, wenn sie aneinander denken, – oder beieinander sind! Du! Ich bin genau wie Du: wenn ich mich beobachtet weiß beim Schreiben, dann zwinge ich mich, wie innerlich, so auch äußerlich zu einer bestimmten Miene. Ich kann dann nicht so gelöst sein wie sonst. Und am allerliebsten ist mir auch, wenn mir niemand die Zeit nachrechnen kann, die ich brauche zum Deingedenken[sic]! Du!! Ich brauche immer 3 Stunden, wenn ich ganz bei Dir bin! Gerade so lange wie zum Liebhaben alle Tage, wenn wir zusammen sind! Ja Du! Du sagst das auch! Und da muß es schon stimmen! Und wenn Du nun heimkommst, Du!! Da sind wir viel miteinander allein – es freut mich ganz sehr, Du!! Und dabei denkst Du noch einmal an Mutters Opfer ihrer unermüdlichen Arbeit. Du kannst es ihr so gut nachempfinden, was es ihr bedeutet, indem sie für uns schafft. Es macht ihr viel Freude – ich weiß es – Mutter möchte uns alles zuliebe tun. Aber mit ihrer Gesundheit darf sie dieses Opfern nicht bezahlen. Das wollen wir beide auf keinen Fall. Und es ist nun soweit, daß ich mit einem heimlichen Aufatmen sagen kann: eines wird sie lassen, das Arbeiten in Mittelfrohna. Wir wollen abwarten, ob sie sich noch einmal eines andern besinnt. Vorläufig hat sie es niedergelegt. Vaters Schwester Anna wird aushelfen.
Daß meine Eltern nicht wie wir sinnend und besinnlich verweilen mögen, vor aller Tiefe und Schönheit dieser Welt, es ist das Ergebnis ihrer Erziehung, ihres harten Lebens. Du empfindest das so verstehend, Herzlieb. Und wir können sie auf ihre Tage nicht mehr aus ihrem Geleise bringen. Du sagst ganz recht: wir würden sie so ihres Lebensrythmus [sic] berauben.

Aber Herzlieb! Du hast in Deiner Liebe zu meinen Eltern an etwas ganz wichtiges [sic] gedacht. Und ich bin darum voll Dankes gegen Dich! Du!! Ich habe, so wie Du, noch nicht an diese große, ernste Aufgabe gedacht. Mir gebricht es dabei auch an der Art, mit meinen Eltern umzugehen – ich wüßte nicht, wie ich allein diese Aufgabe anfassen sollte. Weißt, Du, Herzlieb, wenn ich das so bedenke, was wir hier an guten [sic] Werk vorhaben; dann möchte ich sagen: das schöne Ziel bei meinen Eltern zu erreichen, wird uns erst dann gelingen, wenn wir beide selbst ein Ganzes darstellen, wenn wir ein Heim unser Eigen nennen. Wenn dann die Eltern bei uns aus und eingehen und so Einblick gewinnen in unsere Lebensart. Dann sieht sich diese Aufgabe um vieles einfacher an, denke ich.

Weißt Du? Um Mutter sorge und zweifle ich keinen Augenblick, daß unser Liebeswerk bei ihr vergeblich wäre – aber Vater – ich bin in Glaubensdingen bei ihm noch nie klug geworden. Er ist nicht verstockt gegen das Christentum, aber er äußert sich auch nicht einmal, wenn es die Gelegenheit gibt, daß ich fühlen könnte, wie es in seinem Inneren aussieht.

Du!! Daß Mutter jeden Abend betet, das weiß ich. Und sie hat es mich auch gelehrt, hat mich stets dazu angehalten. Ich hänge auch in allen inneren Angelegenheiten mehr an Mutter – ihr gegenüber kann ich mich eher einmal innerlich aussprechen.

Mein Vater ist so gleichgültig – so abgestumpft – ich sagte Dir das schon früher einmal. Wenn er nur weiß, daß so in der Familie alles um den Ring geht [sic], das ist ihm schon genug. Für mehr hat er kein Interesse. Und gerade deshalb bin ich ein wenig in Sorge um die Mutter, wenn ich einmal nicht mehr zu Hause sein werde. Dann fehlt ihr der Mensch, mit dem sie sich einmal so austauschen kann. Und darum bin ich Dir recht dankbar, daß Du daran gedacht hast, wie schön es ist, die Eltern beide dahin zu führen. Wir wollen das nicht aus unserm Gesichtskreis verlieren – doch jetzt halte ich für diese Aufgabe die Zeit noch nicht für gekommen. Erstens brauche ich Dich dabei, mein [Roland] – allein fühle ich mich dazu zu schwach.

Es scheint mir, hier bei uns ist es genau so, wie Du Dich ausdrücktest in Deinem lieben Boten, wo Du mir von Kindern und Eltern erzählst. Die Mutter hat sich in ihrer selbstlosen Liebe zum einzigen Kinde dem Manne versagt, nicht äußerlich versagt – aber innerlich – sie sah nur Sinn, in dem Wohl um ihr Kind, an das Weiterleben mit ihrem Lebensgefährten dachte sie nicht so mit aller Kraft, als an das Zusammenleben mit dem Kinde. Sie vergaß, ihr eigenes Leben mit dem Manne zu bedenken, daß sie ja einmal auch zu vollenden gedenken.

Und mein Vater, er war nicht stark genug seinen Lebenskameraden davon zurückzuhalten, er verstand es nicht, Mutter die Folgen zu vergegenwärtigen, die aus solchem Handeln ja erwachsen müssen, unumgänglich! Und ich sehe es ganz deutlich heute, daß es so ist und nicht anders. Vater ist oft eifersüchtig auf mich gewesen, wenn Mutter mich so mit aller Fürsorge umgab – ich denke daran. Die Mutter hat das immer viel zu leicht genommen, sie meint eben der Papa ist nun alt, er braucht als Er- […]

[*]

[...] uns über unseren Kindern auseinanderleben!

Nie und nimmer! Dazu liebe ich Dich viel zu sehr. Wir werden uns nur noch enger zusammenschließen in dem hohen Sinn dieser großen, schönen Aufgabe! Und wie viele uns der Herrgott auch schenken mag, mein Herz ist so weit! Du nimmst gewiß nicht den kleinsten Platz darin ein, Herzlieb!! Du!!

Du fragst mich, an welche Größe ich denke, wenn ich so selig vom Kindlein träume? Du fragst mich und beantwortest doch die Frage so, genau so, wie ich's getan hätte! Du!! Du!! Sag? Warum fragst Du? Wenn Du das so genau weißt! Lausbub!! Ja – die Kleinen hab ich am liebsten, sie sind so ganz kindlich. Sie haben so etwas Wunderbares, so etwas Unbeschreibliches in ihren Augen, in ihrem Blick – und das ändert sich mit ihrem Wiesen – mit ihrer Selbständigkeit. Aber trotzdem liebe ich die größeren auch! Ich fühle mich nur immer besonders von den kleinen gefangen genommen. Du!! Du!! Halt! Halt! Stelle Deine Rechenexempel ein – das sind mir dann doch zu viel[.] Da habe ich doch kaum mehr Zeit für mein lieb' Mannerli! Ach Du!! Du!! Ich könnte Dich doch im Leben nicht vergessen über einem Kindlein!! Du!!!!! Ich liebe Dich doch so, so sehr!! Herzallerliebster!! Ich blicke ganz froh und glücklich in solches, unser Dasein! Ich vertraue unserer innigen Liebe, unserer tiefen Zuneigung, diese köstlichen Schätze, sie werden uns ohne Mühe das rechte Gleichmaß finden lassen. Bist Du auch so froh mit mir? Ach ja – ja!! Du sagst mir's ja in jedem Deiner lieben Briefe! Du!!!

Nun ist noch eines zu klären: das Vergnügen in der Kantorei. Ich hatte mich wirklich sehr darauf gefreut. Und ich habe an ,sie' nicht gedacht in meiner Freude. Du magst recht haben. Ich kann Dich gut verstehen. Und – wie könnte ich mich einmal Deiner Bitte verschließen. Du weißt das. Ich liebe Dich.

Es ist ja auch alles noch unbestimmt, erstens: wann Du kommst. Zweitens: wann das Vergnügen stattfinden kann. Ich weiß, daß Du mir das Tanzen nicht versagen willst, aber ich will nicht zu einem öffentlichen Vergnügen gehen irgendwohin – dann bin ich viel lieber mit Dir daheim – es ist häßlich jetzt zu öffentlichen Veranstaltungen, ich höre es allenthalben. Lieber bin ich wo Bekannte sind. Aber ich verstehe auch voll und ganz Deine Bedenken und Deine Verpflichtungen, die Du in diesem Kreise bei uns hättest. Es ist wohl besser so, wenn wir beiden fern bleiben. Und ich kann in meinem Leben noch genug tanzen. Also Herzlieb! Mach Dir keine Sorge[,] Deine [Hilde] versteht Dein Bitten.

Und nun will ich für heute einen Punkt setzen. Ich habe noch ein bissel Arbeit! Baden wollen wir erst morgen, Du!! Herzallerliebster!! Du!! Ich danke Dir noch einmal für Deine so lieben Boten! Du hast mir soo viel Glück und Sonnenschein gebracht. Du!! Halt Dich recht warm! Zieh Deinen Schlafanzug an und die Fußschlüpfer!! Daß Du mir nicht krank wirst!! Mein Herzlieb!!

Gott behüte Dich mir! Bleibe gesund und froh! Ich liebe Dich! Du!! Kehre bald heim zu Deiner [Hilde].

Du!! Du!! Herzlieb!!!!!!!!

 

[* = Hier fehlt eine überlieferte Seite.]

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946