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[OBF-410131-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 31 Januar 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde] Du!!!

31 zählen wir heute! 31 lange Tage, 31 lange Briefe – rums – zu die Tür – der Februar beginnt, der kurze, 28 Tage – und nicht 28 Briefe – nein, nein! Du!!! Weniger Briefe und weniger Grüße und weniger Küsse – auf dem Papier! Aber dafür – Du! Du!! Herzlieb! Nun zählt der Kalender für uns! Endlich! Endlich Du!! Heute kommen Deine Boten – nun gleich zwei auf einmal! [S]o gierig ist der Hubo garnicht. Aber meinem [Hilde]lieb war das noch nicht genug, es bombardiert mich mit – diesmal mit Apfelsinen. Herzlieb! Es ist schon da, Dein Liebespaket! Apfelsine – ich glaube, das heißt Liebesapfel. Kannst Dir denken, an welche Geschichte sie mich wieder erinnern! Hast sie denn auch wieder erst süß gemacht? Ich habe vergebens nach Deinen Zähnchen gesucht, die beiden großen? Wieder zwei Herzlein? Diesmal größer! Bei wem hast denn da Maß genommen? Du!!!!! Aber diesmal scheint es doch eine andre Geschichte – weil das kleine noch dabei ist! Apfelsinenpapa und Apfelsinenmama und Apfelsinenkind. Das Apfelsinenkind ist eingewickelt – ein Wickelkindlein – oder noch gar nicht geboren? An der Hülle sind zwei Zipfelchen – sind es 2 Zöpfe? – oder gehören die Zipfelchen zu unserm Bübchen?!! – oder sind die Zipfelchen da zum ziehen [sic] – ein Ende für den Papa – eines für die Mama – und jedes will das Kindlein auf seine Seite ziehen. Was wird es denn nun? Büblein oder Maidlein? Ich weiß es nicht. Wenn der Apfelsinenpapa Hubo heißt, da wird es leicht ein Bübchen. Und wenn die Apfelsinenmama [Hilde]lieb heißt? leicht [sic] ein Mädel? Ich weiß nicht. Ach Du!! Ich glaube, die Freude wäre wäre [sic] die gleiche – die große, dankbare Freude!

Aber nun will ich keine Geschichten machen, will Dir danken, Du!! Herzlieb!! Du! Du!! ich möchte Dich doch gern wieder einmal küssen!!! Du!! Es ist auch schon ein Nahesein – hast Du es schon mal bedacht? Du!! Ein ganz vertrautes auch! Du!! Dein Hubo ist so ekel [sic], und war es früher ganz schlimm – ist heute noch niemandem was nach – und wenn die Mädel einander vom Apfel abbeißen ließen, da bekam er eine Gänsehaut. Bloß mit seinem Herzlieb macht er eine Ausnahme – und es kostet ihn auch gar keine Überwindung. Und das Küssen – er hat es gelernt – er mag es – mag es gern – Du!! Du!!!!! Und Du? Ich glaube, Du magst es noch lieber!! Mal sehen!!! Du!!!!!!!!! Du!! Wenn das auf Marken wäre, da müßten wir jetzt hamstern! Und nun bist  schon über den Vorbereitungen, Liebes! Bist lieb bra[v][,] daß Du es einteilst! Und übernimm Dich nicht und sei nicht peinlich über die Vernunft. Dein Hubo ein strenger Revisor? Ach, er kennt doch sein Herzlieb, wie eigensinnig und peinlich es ist – so seh eigensinnig wie in seiner Liebe und peinlich wie in seiner Treue. Und wer es im Kleinsten ist, ist es auch im großen ganzen [sic]. Herzlieb! Warst immer so bescheiden schon früher. Hast nicht gezeigt, was Du bist und kannst. Ist vielleicht gut gewesen. Dein Hubo ist auch so. Demut und Bescheidenheit ziemt dem Menschen; denn alles, was aus ihm sprechen und klingen und hervorgehen kann – es ist Gottes Geschenk und Gnade.

Die Rosinen fehlen! Da ist guter Rat teuer! In meinem Kopfe sind weder große und kleine jetzt – denn alles, was drin ist, dreht sich um die Heimkehr zu meinem [Hilde]lieb – und das sind doch keine Rosinen! Ach weißt – ob der Kuchen trocken ist oder naß – ob mit oder ohne Rosinen – er wird mir schmecken – Hm! Hm! – wenn Du nur daneben sitzt und mitpappst [sic] – und wenn es gar nicht vorwärts gehen will, dann beißen wir zusammen ab – Du und ich – und wer das größte Bäuchel hat, darf einmal mehr beißen, ja? Du!!! Ach wenn ich nur erst neben Dir säße, neben meinem Buben, ich möcht ihn doch gleich mal bei den Ohren nehmen und beim Schopfe packen! Du!!!!! Du – Bäuchel – da fällt mir grad was andres ein. Ist denn in G. das Kindlein nun angekommen? Weißt! Der Kamerad Sch. erzählte heute, daß der Arzt seiner Frau Zwillinge voraussagt. Zwischen 15. Februar und März müssen sie kommen.

Ja weißt, ich habe heute gar keinen richtigen roten Faden. Ich glaube, meine Klappermühle, die Schreibmaschine, zerhackt mir noch meine Gedanken alle. Du! Ich kann jetzt schon ganz schön schnell. Zwischen 7 und 8 Uhr, vorhin eben, war ich spazieren – mal die Lungen gelüftet – das tut so gut! Es weht noch und noch ein kalter Ost [sic]. Aber die schönen hellen Tage söhnen damit aus.

Du, gestern abend bist entweder spät heimgekommen, [od]er spät eingeschlafen – und hast den Hubo nicht schlafen lassen – Du! Du!! daß er hat ganz süß träumen müssen von Dir!! – Jetzt sags` frei heraus, Du!! Und wenn ich bös bin, dann revanschier [sic] ich mich, Du!!!!! Weißt, was ganz seltsam ist bei diesen Träumen? Daß vorher erst irgendein Ungewitter im Anzuge ist (im Traum) – so träumt mir immer dann. Aber der Traum ist ganz gewiß von Dir gekommen, denn mich bewegten so süße Gedanken gestern gar nicht!

Herzlieb! Ich glaube, es steckt schon ein bissel [sic: bisschen] Reisefieber in mir. Wenn ich weiß, daß ich [n]och lange warten muß – dann bin ich fein geduldig – aber wenn dann etwas in den Bereich der Möglichkeit rückt, werde ich unruhig – wird wohl den meisten so gehen. Und wenn Du nun noch so viel Liebes mir sagst und erweist, dann kann auch ich meine Ungeduld nicht mehr bändigen. Du!! Nicht lange mehr! Die Woche ist so schnell vergangen – noch eine dann – und dann gar keine ganze mehr. Geliebte!! Morgen will ich mal etwas bestimmter nach dem Tage fragen.

Abholen willst Dein Mannerli? Du!!! Das möchte ich auch so gerne. Will mich heimführen lassen zu Dir! von Dir!! Sollst mich glücklich an Deiner Seite fühlen und wissen, sollst ihn in Empfang nehmen, in Beschlag, Deinen [Roland]! Dir gehört er!! Du! Du!! Er gehört Dir soo sooo gerne! Er geht sooo ganz gern mit Dir! Er mag sich gar nicht mehr selber gehören! Du!! Du!!!!! Herzlieb! Geliebte!! Herzallerliebste!!! Welches unermeßliche Glück, sich geliebt wissen – geliebt wissen von Dir!!!!!!!!!!!!!!! Ich habe es doch vorher gar nicht gekannt. Nun bin ich in Deiner Liebe geborgen – stehe nicht mehr allein in der großen, weiten, kalten Welt. Ein Menschenkind hat sich mir zugesellt, will mit mehr [sic: mir] durch dieses Leben, über diese Erde wandeln. Ach, es wandern so viele mit uns – ein großer breiter Strom – und es können sich doch zwei gar nicht lieber gesellen als wir uns beide! Und wir laufen nicht in der großen Menge – wir bummeln ein bissel hinterher – verweilen hier und suchen dort einen unbegangenen Seitenweg. Und wer sind denn die beiden Außenseiter? 2 Glückskinder, [Hilde] und Hubo! Du! Du!!! Hast Dich zu einem gesellt, der gar nicht in Deiner Reihe geht – bist auch abseits gegangen, Deinen Wandergenossen enteilt und hast in einer Reihe weit vor Dir gesucht. Ach Herzlieb, Dein ganzer lieber Eigensinn und Deine schrankenlose Liebe spricht daraus – und auch Dein den Kameraden überlegenes, gerechtes Wesen – und auch Deine holde, anlehnungsbedürftige Weiblichkeit. Ach Herzlieb! Die Worte sind so dürftig, wenn sie sagen sollen, wie so sehr lieb ich Dich habe, wie so unendlich glücklich Du mich machst!! Gott gebe, daß wir bald, recht bald einander alle Liebe erweisen können, zu der es uns drängt.

Herzlieb! Behüte Dich Gott! Bleibe froh und gesund!

Bist mein lieber, lieber Bub!! Ich sehe Dich jetzt klein, kleiner als Du bist, hältst Dich an mir fest – und ich schlage meinen weiten Mantel um Dich! Geliebte! So möchte ich Dich in meine Liebe hüllen!! Ach! Alle Hochachtung und Wertschätzung, alle guten und hohen Gedanken, alle Zärtlichkeit, alle Liebe und Treue – Du!! Du!! [h]ast sie entbunden – zu Dir strömen sie alle als ihrem einzigen Ziele. Zu Dir!! Zu Dir!!! Herzlieb! Ich liebe Dich über alle Maßen. Du mein Schatz, mein Leben!!! Mein ein und alles [sic] !!!

Dein [Roland] bin ich! Ganz Dein!!! Meine liebe, liebe, liebste herzallerliebste [Hilde]!

Du!! Du!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946