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[OBF-410130-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 30. Januar 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Die andern haben wieder Kino – und ich – will lieber Mittagsstunde halten mit Dir! Viel, viel lieber!!! Du!! Du!!!!! Darf ich denn? Ist denn auch alles schon fein abgewaschen und aufgeräumt? Sonst pack ich gleich erst noch bissel mit zu. Wo halten wir sie denn? Du?! In der Küche? Da ist es warm – Du! – aber da haben wir beide nicht Platz auf einmal! In der Stube? – da ist's nicht viel anders. Weißt! Wir brauchen ganz notwendig ein breites Liegesofa – haben wir auch wohl schon vorgemerkt. Du!! Das aus dem Dornröschenzimmer – da soll wohl der liebe Pappsch drauf schlafen? – ob das in die Küche zu stellen ginge?! Oder ist es zu schade drum? Du! Da hätten wir gleich noch die Schlummermusik dabei!! Na – sonst ist es nicht zu ändern – wäre ja auch eine ganz schöne Balgerei – aber ich könnte ja mit helfen! Ja – und sonst müssen wir oben wieder ins Bettlein kriechen – und der Hubo muß dann immer gleich die Hösel ausziehen – hat sie doch eben erst 4 Stunden an – ist das nicht schlimm?! Du!!!!!

Ach Herzlieb! 14 Tage noch, so Gott will, dann ist alles Wirklichkeit! Dann bin ich bei Dir!! Richtig bei Dir!! Du! Ist es denn möglich?!! Dann steht sie vor mir, die ich sooo lieb habe! Der allein ich lebe!! Dann fühle ich sie bei mir, nach der ich mich so sehne, deren ich in Liebe gedenke Tag und Nacht! Dann bin ich bei ihr, die sich mir anvertraute für ein ganzes langes Leben! Du!!!!! Bei mir!!!!! Dann bin ich bei Dir, die alle meine Liebe mag und trägt und bewahrt, mein liebes, liebes Weib!! Das Gefäß meiner Liebe!! Meine [Hilde]!!! Ich kehre heim! Richtig, richtig heim!!!!! Bei Dir bin ich ganz daheim, bei Dir!!! Herzlieb!!!!! Du!!!!! Wie ich mich darauf freue!!! Und eben jetzt schaue ich es ganz deutlich: wie Du mir Schritt für Schritt, Stufe um Stufe, Grad um Grad gewachsen bist so groß und lieb und weit, gewachsen zu meinem Weib, der Heimat und dem Hort meiner Liebe – nicht nur Geliebte, die nach mir verlangt – – mehr, Heimat und Hort meiner Liebe! Mein Weib! Meine liebe Frau!! Du!!! Du!!!!!

Ach, Herzlieb!! Dein liebes Bild!! Es macht mir so viel Sehnsucht, da es nun wieder erreichbar scheint!!! Zu Dir!!! Zu Dir!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Geliebte!! Bald! Bald!!! Du!! Dann will erst einmal alles überfließen – und dann, dann dürfen wir ein paar Tage nebeneinander leben, wie es wohl ähnlich später sein wird! Geliebte! Geliebte!!! Du bedeutest mir so viel!! Alles!!! Alles!!!!!

Herzlieb! So freuen wir uns beide über alle Maßen aus übervollem Herzen!! Du!! Um diese Freude haben wir uns geduldet, haben wir ausgeharrt. Sie ist die Frucht unsres Ausharrens!! Geliebte!! Für diese hohe erste Freude will ich immer wieder ausharren – bis zum letzten Atemzug treu – Du warst so treu, Geliebte! Du warst so treu!! Du warst so treu und lieb zu mir auch aus der Ferne!! Du warst mir allzeit so nah! Hast mich gehalten, hast mich umsichtig sein lassen, hast mich so gebannt mit Deiner Liebe! Herzlieb! Es hat mir so wohl getan! Es hat mir alles so leicht gemacht! Du, mein liebster, treuester Kamerad! Hast mich besucht hier, Du Liebe!! Ach, ich bin Dir so unendlich dankbar lieb!! Du!!! Herzlieb! Und ich? Ich war Dir äußerlich fern – ich habe hier arbeiten müssen – gelebt habe ich nur Dir!!!!! Dir allein!! Herzlieb! So deutlich und lebendig habe ich es noch nie empfunden, wie all mein Sinnen und Trachten auf Dich gerichtet ist – wie ich Dir gehöre mit allem, was ich kann und habe – Dir gehöre so ganz!!!

Ach; als ich nun von Dir scheiden mußte – ins Ungewisse – bang um Dich – bang ein wenig auch um mein Los – ungewiß das Ziel – ungewiß das Wiedersehen – Herzlieb! es vergingen ein paar Wochen, eh nach angespanntem Warten und Spähen Dein Hubo wieder rechtes Vertrauen faßte zu allem, daß er es wieder wagte, von seinem Glück zu träumen – ach Geliebte! Du wirst mich verstehen – und dann fand ich wieder ganz zu Dir!! – Geliebte! Dieser Blick zurück, er läßt mich Gottes Gnade so gewiß – er stimmt mich so dankbar – er läßt mich mit Dir fest und zuversichtlich stehen, warten und hoffen. Gott möge mich nach meinen Kräften bedenken! Dieses Gebet fand Erfüllung. Geliebte! [Ich] Falte dankbar die Hände mit Dir!

Du! Nun ist es Abend. Spannst Deinen [Roland] auf eine harte Probe, gestern kein Bote. Heute auch keiner. Ach, Du hast nicht Schuld dabei! Ich weiß es! Aber wenn morgen keiner käme, dann würde ich unruhig sein!

Nach dem Kino haben wir die Führerrede gehört – wir hatten das Gerät in der Schreibstube stehn. Der Hauptfeldwebel war im Gemeinschaftsraum bei den Soldaten. Sch. und H. hatten Arbeit. Ich habe zugehört – hinausgeschaut in den hellen Tag – hinübergeträumt zu Dir, Du hast sie gewiß auch gehört: Frieden soll noch werden in diesem Jahr. Ach Herzlieb! Frieden! Ich denk nun immer an uns beide – ganz anders als früher, – denke an Dich – an unser Leben und Schaffen und Bauen, das dann beginnen soll!

Vorgestern meldete der Rundfunk englische Flieger über Mitteldeutschland. Da seid Ihr wohl in den Keller gegangen? Wir hatten heute früh kurz vor dem Aufstehen den ersten Alarm wieder – Flieger waren keine hier – nach einer Viertelstunde waren wir wieder unten. Bewegung ist wieder mal unter uns – es kommen wieder 11 Mann weg. Da gibt es vermehrte Arbeit bei uns.

Bald hoffe ich, Dir den Tag meiner Ankunft mitteilen zu können. Sobald ich ihn weiß, erfährst Du ihn! Herzlieb! Von Hause erhielt ich einen Brief. Sie bedanken sich für das Weihnachtsgeschenk. Kalt ist's wieder bei Euch. Vater schreibt von –18°. Auch bei uns ist Kälte. Heute abend spürt man, daß sie nachlassen wird. Eben ist einer von unsrer Stube von seinem Urlaub aus Schlesien zurückgekehrt. Er hat lange auf der Bahn gelegen bei der Heimfahrt – es war alles verschneit.

Nun sitzen wieder alle in der Runde um den langen Tisch. Ich sitze neben Dir, neben Deinem Platz. Unser Weihnachtsbild erkläre ich Dir zu Hause, daheim bei Dir! N. – das ist der, der Dich begleitete. Er ist noch ein unfertiger Mensch. Er ist nicht ganz gerade. Er ist deutlich schadenfroh. Er ist ein wenig herrisch, kann den Vorgesetzten herauskehren [un]d fühlt doch nicht recht den Ernst und die Verpflichtung, selber den Vorgesetzten vorzuleben. K. – das ist der Hamburger, der von Deinem Platz aus links oben in der Koje lag. Auch er ist ein unfertiger Mensch. Er weilt jetzt in Urlaub. Vor 4 Wochen gab es seinethalben eine Szene in unsrer Stube. Mit zwei jüngeren führte er aufreizende Reden – und da ließ er sich hinreißen, den einen Kameraden niederzuboxen. Ehe er auf Urlaub fuhr, erzählte er, daß er verschiedene Frauen besuchen werde, eine auch, seine frühere Freundin, deren Mann bei den Soldaten sei. Auf meine Vorhaltung meinte er, er werde nicht eher Ruhe geben, bis er den Bund zerrissen habe, sie habe den anderen nur gezwungen geheiratet. Kurz nachdem Du heimkehrtest, sagte er zu mir: „[Nordhoff], wenn Deine Frau noch länger hiergeblieben wäre, dann hätte ich mich an sie herangemacht."!! Ich konnte ihm weiter gar nicht viel erwidern: „Da wirst Du wohl wenig Glück haben!" Herzlieb! Sie kommen aus einer anderen Welt. Es sind unfertige Menschen. Sind aber bei aller Jugend auch Menschen, die kaum an sich arbeiten, die auch so unkritisch sind sich selbst gegenüber, daß sie schwer noch einen Meister in ihrem Leben finden werden. Die ganze Wirrnis ihres Seins aber wird offenbar in ihren Anschauungen und ihrem Verhalten zur Frau. Ach Herzlieb! Darüber könnte man eine große Klage anstimmen. Befriedigung ihres sinnlichen Verlangens – die Frau benutzen, berauben – das ist ihre primitive Liebe. Was wissen sie von dem Glück, von dem Reichtum, ein Weib zu gewinnen? es zu besitzen? Was wissen sie von dem glückseligen Einssein und dem Einanderbeglücken? Wo ist das Bild der hohen Liebe? Ach Herzlieb! Man könnte sich schnell damit abfinden, wenn das nur in ihren Gedanken und Vorstellungen so gärte. Aber sie reifen ja gar nicht aus, sie lassen es ja gar nicht läutern in sich, sie versuchen und nippen an dem Laster vorreif. Ach Geliebte! Daß Dich ein andrer Mann mir abspenstig machen könnte – Deine ganze, große, ungebrochene Liebe kann keiner nach mir gewinnen – Du könntest unsre Liebe nicht vergessen, wie ich sie nie vergessen könnte – es ist ja ganz unmöglich.

Aber eine Gefahr wird deutlich: Wir leben in einer bösen verwirrten Welt, es ist eine Sprachverwirrung: Der eine versteht den anderen nicht. Was dem einen heilig ist, tritt der andere in den Schmutz; wo der eine achtet, verachtet der andere, wo der eine anbetet, äußert sich der andre mißfällig. Wo ist hier das Gesetz, das Recht und Unrecht umreißt? Wo ist der Schutz, der dem Guten zuteil wird? Wo ist das Gesetz, daß [sic] rechte Liebe in Schutz nimmt und die Unzucht wirksam und hart bestraft? Nirgends sonst sind die meisten Menschen geneigt, Ehebruch und Unzucht so leicht zu verzeihen und zu übersehen und zu verkleinern – man spricht verkleinernd von Abenteuern, Seitensprüngen, Jugendsünden – Menschen mit solchen Abenteuern nennt man interessant – lauter Beschönigungen und Ausflüchte vor der Verantwortung; Zeichen beschönigender Geringschätzung der Frau und Frauenehre. Wann wird das wieder einmal besser werden? Nicht eher, als bevor es gelingt, daß alle jungen Menschen ausreifen, daß die Welt der Erwachsenen diesen jungen Menschen beispielgebend vorlebt.

Meine liebe, liebste [Hilde]! Morgen wird Dein lieber Bote kommen. Mit dieser freudigen Hoffnung lege ich mich nun nieder. Donnerstag ist Singstun[de]. Mein Herzlieb als Festausschuß wird noch eine kleine Nachsitzung haben? Gespaltenen Sinnes nun – durch mich. Geliebte! Ich wollte es nicht. Ich habe ja an solche Möglichkeiten gar nicht gedacht. Und Du wirst mich verstehen – und es wird alles gut werden.

Behüte Dich Gott! Bleibe froh und gesund!

Das Paket mit meiner Wäsche brauchst nun jetzt nicht erst noch schicken.

Meine liebe, liebste [Hilde]! ich bin bei Dir mit allen Gedanken, mit meiner Sehnsucht, Liebe und Treue! Ganz bei Dir! Dein Eigen bin ich! Dein [Roland]! Und bin so glücklich bei Dir und mit Dir!! So sehr glücklich! Ich möchte nur immer bei Dir sein und bleiben! Ich werde bald bei Dir sein! Bald kehre ich heim zu Dir! Ich freue, freue mich so darauf, Du!!!!!

Herzlieb, [Hilde]lieb! Ich küsse Dich! Ich herze Dich! Ich liebe, liebe Dich!! Dein [Roland] bin ich ! Und Du bist mein Herzlieb! Mein Sonnenschein!! Meine [Hilde]!!!!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946