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[OBF-410129-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 29. Januar 1941.

Mein liebes teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]! Herzlieb!

Du! Was ist das heute in mir? Daß ich so froh bin! Sind es die lieben hellen Tage, die verheißungsvoll auf das steigende Licht deuten? Ist es, weil mir die Arbeit so gut von der Hand ging? Gestern schon und heute? Du!! Du!!!!! Ich glaube, es ist etwas ganz anderes! So wie die Sonne in uns manches aufhellt, so kann auch die innere Sonne der Freude alles nun uns vergolden. Du!! Du!!!!! Ich weiß, wer diese Sonne so hell anzündet in mir! Ach, Herzlieb! Mein lieber, lieber Sonnenschein!!! Da hab ich doch gestern ganz vergessen zu sagen, daß ich gestern mein Urlaubsgesuch geschrieben und abgegeben habe! Ja! Du!!! Du!!!!! Und noch etwas dazu weiß ich heute: Unser Hauptfeldwebel fährt bis Sonntag, den 9.2., auf Urlaub – und dann, dann soll Hubo ihn ablösen – glaube ich! Herzlieb! Herzlieb!! Du!!! Jetzt muß ich ja beinah ein bissel bremsen. Du! Das tät[ ich um keinen Preis, nimmermehr! Keine Stunde mag ich zögern und säumen, zu Dir zu eilen – und wenn ich nur ganz brav neben Dir sitzen dürfte! Glaubst das von dem Bravsitzen? Ach Herzlieb! Es wird alles recht werden, und Dein Hubo wird gut achtgeben! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!!!!!! Und Du bist auch voll Freude heute, ich spüre es. Du!! Geliebte! Du!!! Soll es Erfüllung werden, was wir so heiß ersehnen? Sollen wir sie nun bald einlösen dürfen, all unsre Worte, unsre Gefühle, all unser Sehnen, unsre Liebe? Du!!! Du!!!!! Einlösen und erlösen – Geliebte – das Herz ist so voll bis zum Rande!!!!! Gott helfe uns!!!

Ach, Du! Ich denke, die große Freudensonne zerteilt auch den Schatten, den kleinen, den Dir meine Absage bedeuten muß. Herzlieb! Wie ich es auch überdenke – ich kann die Stimme nicht zum Schweigen bringen, die mir befiehlt: „Du mußt sie schonen!" Herzlieb! Sag! Hilf mir! Da ist nun die Eine, ein Mensch auf dieser Erde, vor dem ich mein Glück und Deines verbergen soll? Ach Du! ‚Verbergen' ist ja nicht das rechte Wort. Herzlieb! Red bitte zu mir davon! Du! Ob sie mir verziehen hat? Ob sie vergessen hat oder noch daran trägt? Ob sie in ihrer Kommode auch ein Brieflein liegen hat wie Dein [Roland]? Ob sie großherzig denken kann und edel, so wie ich meine Schuld (Herzlieb! Bin ich zu streng mit mir, wenn ich es Schuld nenne?) mit Edelmut büßen möchte? Geliebte?!! Willst Du mit mir diese Schuld tragen und meinen Verzicht auch zu dem Deinen machen? Geliebte!!! Ich fürchte mich nicht vor ihr (ich könnte und würde mich mit ihr aussprechen, so wie ich mein Brieflein abgeschickt hätte, wenn ich sicher wäre, daß es die Wunde heilen könnte, daß es sie nicht erst wieder aufrisse) – nein, ich fürchte um sie und um unser Glück. Herzlieb! Nicht, daß unser Glück bedroht sein könnte – nein, sondern, daß es nicht mit einer großen Schuld durch mich belastet wird.

Herzlieb, wenn 'sie' sich etwas antäte darum – es wäre eine Gewissenslast, an der ich, und Du mit mir, schwer zu tragen hätte. Du! Vielleicht sehe ich doch alles viel zu tief und dunkel, Du kennst die ganze Geschichte. Es ist Dir nichts verborgen. Es ist nie ein Wort von Liebe und Traulichkeit zwischen uns gewechselt worden. Vielleicht bewegt sie das alles nicht halb so wie mich – – vielleicht! Herzlieb! Du kennst mich – Du verstehst meine Haltung. Du kennst auch das dunkle, tiefe Lied [sic], das furchtbare, unheimliche – so tief und dunkel sind wir beide, Du!! Und wir können nur alles so tief und dunkel schauen – nein! nicht bei allen Menschen! Um Frl. Gr. [sic] würde ich nicht fürchten. Aber um sie? Ich halte sie für ein gutes Mädchen – ich kenne sie nicht – ich muß ihr edel begegnen – ich kann nicht anders – bis ich weiß, daß sie überwunden hat, daß sie einen anderen liebgewonnen hat. Und weißt! Wenn sie Hochzeit hat, dann schreiben Du und ich ihr ein liebes Brieflein! Soviel ich weiß, haben wir von P. [sic] keinen Glückwunsch erhalten. Gott schenke ihr bald ein zufriedenes Herz! Herzlieb! Nimmst mein Köpfchen in Deine lieben Hände jetzt? Du! Es täte mir so wohl! Es würde mir bedeuten, daß Du mich ganz verstanden hast! Du!!! Ach, ich fühle sie schon, Deine lieben, lieben Hände!

Daß mir das just heute einkommt. Ich bin nicht traurig. Bin noch ganz froh! Ach, so klein ist das Wölkchen nur – es kann die große Freudensonne nicht verdunkeln.

Du! Herzlieb! Nun darf ich schon leis daran denken, was wir mit dem Urlaub anfangen!! Weißt! Programm, ein festes, machen wir nicht. Nur die Reise nach Kamenz müssen wir festlegen, damit wir Nachricht geben können. Ach, Du machst es doch schon ganz richtig! Nicht allen erzählen, daß ich komme, sonst können wir uns doch vor Besuch und dem Besuchen gar nicht retten! So lieb, wie das gemeint sein mag; wer es ganz lieb mit uns meinen will, läßt uns allein! Ja? Du!!!!! Wir haben uns doch sooviel zu sagen, haben zu lesen, zu schauen. Aber schon das sagen wir niemandem. Du!! Wann stehen wir auf! Um 6 [Uhr] kommt oder geht der liebe Pappsch, um 7 [Uhr] die liebe Mutsch – und dann ist’s ganz still im Haus – und in unserem Stübchen? – ganz still, mäuschenstill – „ich glaube, die schlafen noch ganz fest"! – Ich glaube, die haben sich schon wieder was zu erzählen!!! Bis der Hubo sagt – jetzt hab ich aber Appetit nach etwas Handfestem! Du!! Mich wundert’s nicht, daß er zuerst Hunger schreit!!! Und dann steht er erst mal auf! Und sieht nach dem Feuer. Und dann kommt er noch mal wieder! Ein Viertelstündchen! Du!!! Dein Viertelstündchen!!!!! Na! Und dann will ich doch mein Herzlieb wieder einmal in seinen schönen Kleidern bewundern.

Und einen Tag, dar muß es meine liebe Prinzessin sein – da darf es bis zum Kaffeetisch gar nichts selber machen! – bloß die Haare, unter Aufsicht – das andre will alles der Hubo machen – auch das Herzel einfangen und einsperren – alles, alles!! Und wenn we mein [Hilde]lieb nicht will? Dann küß ich es willig! Du!!!!!!!!!!!!! Fein still (?!) vergeht dann der Vormittag – vergeht die Mittagsstunde mit den lieben Eltern – und dann – dann müssen wir uns ein wenig ausruhen und wieder erzählen. Ach Du!! Alles darf ich doch gar nicht erzählen. Ausführen will ich mein Herzlieb, jeden schönen Tag ein Stündchen! zur Gesundheit – und zum frohen Heimkehren! Ach Geliebte!! Heimkehren! Heimkehren!! Mit Dir!!! Meinem lieben schönen Weibe! Auch einmal nachts – so heimlich – spät – allein mit ihm! Ganz allein!!!!! Du!!!!! Still alles. Nur unsre Herzen schlagen! Drängen! und klopfen vor seliger Erwartung! Du!! Du!!! Es klopft jetzt schon ganz wild!!!!! Geliebte!!!!!!!!!!!!! Meine liebe, liebe [Hilde]!! Ach, das sind so viele Freuden! Und dazwischen liegen die feinen, zarten und stillen Freuden innigen Beisammenseins! Herzliebes! Die Dämmerstunde! In Deinem lieben Schoße will ich träumen einmal, will ich aufschauen zu Dir! Deine lieben Augen suchen und Deinen Herzschlag spüren. Und Du wirst Dich einmal lieb an mich lehnen – einer Musik lauschen – Du!!! - oder einem Gedanken nachhängen – und zum Geburtstag wirst auf meinem Schoße sitzen! Du!!!!! Aber dann müssen wir bald ins Bettel gehen! Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!! Du! Ich glaub, wir brauchen sie alle, alle, die kostbaren Stunden!

Herzlieb! Jetzt will ich schlafen gehen. Will nicht mehr schreiben heute. Spürst Du meine Freude? Freude ist in mir heute – wenig Gedanken – nur Freude! Geliebte, sich sie will Dir leuchten zu Deinem Glücke!  Will nun nicht mehr davon schreiben, damit sie nicht überfließt – will mich schlafen legen mit all der Freude!

Behüte Dich Gott! Herrgott im Himmel! Sei uns gnädig!

Mein liebes, teures Herz! Mein Herzlieb! Mein [Hilde]lieb! Ich liebe Dich! Liebe Dich so sehr! Und mag nur Dir gehören! Du gebietest über mein Herz! Es schlägt Dir sehnend in meiner ganzen Liebe und Treue! Es schlägt mit Dir!! Es schlägt mit Deinem: Eins!! Einssein mit Dir!!!!!!!!

 

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946