Bitte warten...

[OBF-410128-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 28. Januar 1941.

Herzallerliebster Du!! Mein lieber, lieber [Roland]!! Geliebter mein!!

Heut ist es spät, da ich Dir schreibe, schon 5 Uhr – und wenn Mutsch heimkommt und ehe Vater zur Nachtschicht geht, ist noch eine Weile Unruhe um mich her – der Bote kann also heute abend noch nicht mit fort. Aber Du!! Morgen früh ist das meine erste Arbeit, daß ich ihn zur Post bringe! Weshalb ich heute so spät fertig wurde? Die Wäsche vom Wochenende war trocken, ich habe sie gleich nach Tische ausgebessert und gestopft und geplättet und wieder an ihren Platz gebracht. Ich kann nicht leiden, wenn sich die Sachen tagelang umherdrücken und man kann sie aber auch nicht aufräumen in ihrem unfertigen Zustand. Ja – damit habe ich mir einen vollen Nachmittag versessen. Außerdem habe ich vorhin auch noch unsre Gardinen für die Küchenfenster geplättet. Diese Woche wird die Küche gründlich sauber gemacht. Weil ich nicht bis zuletzt alles aufheben will – da möchte ich mich lieber bissel ruhig verhalten!!

Morgen früh stehe ich mit Mutsch zeitig auf, um den Ofen auszuputzen, ehe das Schmutzloch nicht sauber ist, hat alle andre Arbeit keinen Sinn. Na und dann gehts der Reihe nach los mit abseifen sämtlicher Gegenstände (Sofa ausgenommen) innen und außen! Es sieht nämlich wieder mal lustig aus in Schrank und Kästen. Und ich, als Würdenträger unsres Haushaltes, werde verantwortlich gemacht für Unstimmigkeiten, wenn mal Inspektion kommt: das kann z.B. auch ein „Urlauber“ übernehmen! Du!! Ja, ja – auch die haben Ordnungssinn!

Und grade vor diesem Urlauber möchte ich bestehen! Vielleicht hat der auch gar nicht Zeit, in meine Kisten und Kästen und hinter Türen zu gucken – er hat am Ende „Wichtigeres“ zu schaun?!!

Als da ist … ach was – Neugierde!!

Aber weißt, ich hab manchmal sone' komische Ahnung, es könnte doch sein, daß die mich nicht trügt: ich bilde mir ein, er trocknet mir manchmal beim Aufwaschen das Geschirr ab, damit er schneller zu seinem Frauchen kann! – er hat sie nämlich viel lieber, wenn sie grade mal ganz ohne Beschäftigung ist!! Du!! Das hat er mir – s' ist ist schon lang her – mal heimlich gesagt! Und wenn ich einem guten Lausbubn ein Wunsch erfüllen kann, so tue ich das auch! Ach Du! Du!! Herzallerliebster! Mein Dickerle! Ich freue mich schrecklich sehr auf Dich! Du!! Und vorhin, um 4 Uhr, da kamen Deine beiden lieben lieben Boten vom Sonnabend und Sonntag! Ich hatte einen wenigstens schon heute früh erwartet. Du!! Du!!! Eine ganze Welle Glück und Sonnenschein flutete mit ihnen herein zu mir! Herzallerliebster! Du!!! Ich danke Dir von ganzem Herzen für Dein so liebes Gedenken! Du beglückst mich so tief, Geliebter! Und was Dich am Sonnabend noch so bewegte, die Gedanken über denm Sinn echter Liebe, mein [Roland] das alles zeigt mir Dich, meinen geliebten treuen Lebensgefährten so ganz in seinem Wesen. Wie ich ihn lieben und ehren muss darum! Du!! Du führst mich mit Deinen lieben und verständlichen Worten dahin, wo alles Gute und Edle seinen Grund hat, seinen Anfang nimmt. Und wie so oft, kommen wir auch hier wieder dahin, wie so wertvoll, wie so weitreichend in seiner Bedeutung ein gutes Elternhaus ist für ein Kind. Es macht mich so froh, daß wir beide diesen Wert kennen und zu schätzen wissen und daß wir solchen Segen in unsern Kindern einst auch einpflanzen. Diesen wertvollen Grund in die Kinderseelen zu legen, ist unsre heiligste Aufgabe, unsre höchste Pflicht – und Du und ich, wir sind gewillt einander immer helfend zur Seite zu stehen dabei. Diese Aufgabe ist so schön und groß und es leuchtet das Ziel unsres Lebens darin, unsres gemeinsamen Lebens, das wir erfüllt sehen möchten. Ein gläubiges Herz, ein gerader treuer Sinn und fester Wille, das sind die Stützen für dieses, unser Lebenswerk, das wir, so Gott es uns gnädig schenkt, ihm zur Ehre erfüllen wollen.

Diese ersten Jahre, da allein die Eltern Beschützer sein dürfen über solch kleine Menschenseele, sie müssen so nachhaltig, so eindrucksvoll in Hinblick auf guten und edlen Sinn eingeprägt sein, daß sie alle kommende Zeit, da der unvermeidliche Schmutz des Lebens an die Kinderseele herantritt, aufwiegen. Der Grundzug in des Kindes Wesen muss so weit ausgeprägt und so fest gebildet schon sein, daß er feststehend bleibt bei allen kleinen Stürmen, die auf die Seele des Kindes eindringen wollen. Und die Eltern müssen in Liebe und Vertrauen immer, zu jeder Zeit Zutritt zu finden wissen in des Kindes Seele und so liebreich und helfend weiterzubilden an dem Werk der Elternliebe – man kann es ein Bollwerk nennen, gegen die feindselige gefahrvolle Welt da draußen.

Es ist für alle Eltern, die das Gute noch empfinden und am Edlen noch festhalten, in dieser, unsrer Zeit der moralischen Haltlosigkeit eine bange schwere Sorge, ein Kind aus den geschützten Mauern des Elternhauses in die Welt zu schicken. Und es ist bei der Unzulänglichkeit, die nun einmal wie ein Fluch auf uns Menschen ruht – bei dieser Unzulänglichkeit ist es vor allem für einen unfertigen Menschen sehr schwer, nicht vom geraden Wege abzuirren.

Wir sind beide durch all diese Stationen gegangen im Leben – wir sind wohl auch zuweilen gestrauchelt – doch nie ganz abgeglitten – der Kern in uns war gut, die Saat der Eltern trug uns gute Frucht. Und weil wir von Gott die große Gnade erfuhren, und unsre lieben Eltern bis auf den heutigen Tag um uns zu haben, daß sie uns begleiteten durch alle unsre Tage, mit ihrer sorgenden Liebe, daß sie alle unsre Schritte mit überwachten, darum dürfen wir auch dankbar auf unseren zurückgelegten Weg blicken. Wie schön ist es, wie reich ist der Mensch, der stets in Liebe mit seinen Eltern verbunden bleibt. Wenn der Verstand reift, dann ermißt man erst recht diese große Gnade. Als Kind nimmt man alles so selbstverständlich hin – aber das ist auch wiederum gut und richtig; so selbstverständlich, wie das Kind die Geborgenheit u. den Schutz des Elternhauses hinnimmt, so selbstverständlich soll es auch alles von sich weisen, daß [sic] sich nicht in diesem, dem ihm vertrauten Rahmen bewegt – darum ist es größte u. heiligste Pflicht, daß die Eltern ihre Kindern mit Leib und Seele ganz fest und unzertrennlich an sich fesseln. Die Kinder müssen in der Fremde und draußen ganz deutlich fühlen, wenn etwas Schlechtes und Böses draußen geschieht: das ist nicht richtig, das sah ich daheim anders – besser, viel schöner – so wie es die Eltern, Vater u. Mutter mich lehrten, so ist es gut und recht. Und du findest immer wieder im Leben, daß alle heranwachsenden Menschen in allem, was an sie herantritt, mit dem Maßstab des Elternhauses messen. Und sogar wenn ein junger Mensch dann hingeht, sich nach einer Lebensgefährtin umzuschauen, daß er bei dem betreffenden Mädel im Unterbewusstsein die Wesenszüge und –art seiner Mutter sucht.

Und wenn nun ein Elternpaar gute Früchte ernten möchte, so muß es sein ganzes Sinnen und Trachten darauf richten und einstellen, daß ihr eigenes Einwirken allein der Grund ist, der in eine Kinderseele gelegt werden soll; das Elternpaar muss sich seiner großen, bedeutsamen Aufgabe voll bewusst sein.

Liebster! Wenn ich an diese Zeit denke, die uns der Herrgott sicher auch in der Zukunft schenken wird, so ist mir so ganz froh und leicht zumute. Dann ist nur Freude und heiliger, bejahender Wille in mir, mit dir diese herrlichste der Aufgaben zu erfüllen, die einem glücklich liebenden Paar zuteil werden kann auf Erden. Und ich weiß, Geliebter! Du bist ebenso erfüllt und voll Freude darauf wie ich! Du!!

Fern von Gemeinheit, Niedrigkeit und Schmutz erblühte unsre Liebe, weil wir ihr den tieferen Sinn abrangen. Wir sind ihm auf die Spur gekommen, dem reichen Glück guter Liebe. Und es erfüllt uns beide so ganz, es bringt uns seinen Segen, daß [sic] Bild der guten hohen Liebe, das in uns lebt.

Und höchste Erfüllung sehen wir darin, dieses kostbare Gut auf dieser Erde in die Seelen unsrer Kinder zu pflanzen, daß es fortdaure, das hohe seltene Glück, daß es vielleicht ein Bruchteil ist dazu, um die Welt einst wieder besser, wertvoller zu sehen als jetzt.

Ach Du!! Wer außer uns, [sic] denkt wohl so weit, daran, im Liebesglück? Kaum einer. Aber wir sind nun einmal so beschaffen, daß wir nicht ohne Sinn und Plan unsre Zeit auf Erden vorbeiziehen lassen an uns.

Und Dank? Wir sehen Dank genug, wenn wir das erreichen, was wir uns als höchstes Ziel setzten. Dank aus Menschenhand erwarten wier auch nicht – es ist uns an mehr gelegen, Du!

Und seine Güte und Gnade bleibt uns nie und nimmer versagt, wenn wir unsern Weg in seinem Namen, in seinen Geboten beschreiten.

Herzallerliebster!! Möchten Dich meine Worte hierzu gewiss machen, daß ich dich verstanden habe in Deinem lieben Boten vom Sonnabend. Möchtest Du froh gewiss werden, daß ich Dein liebes Weib, auch rechte Mutter Deiner Kinder sein kann.

Ich bin mit all meiner Liebe, mit allem Guten, das in mir ist, ganz Dein und unserm Bunde eigen. Ich möchte Dir Erfüllung sein in diesem Leben, Dein treuer, liebreicher Weggesell allezeit.

Gebe der Herrgott dazu seinen Segen! Rüste er uns aus mit Kraft und Geduld für dieses Leben!

Möge er mir Dich erhalten, mit all Deiner Liebe! Sie strömt in so reichem Maße zurück in Dein Herz

von Deiner Dich liebenden [Hilde].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946