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[OBF-410122-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 22. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Geliebter Du!! Mein lieber, herzlieber [Roland]!!

Jetzt ist es 3 Uhr nachmittags, nun kann ich mit Dir plaudern, Du!! Ich bin eben fertig mit dem Plätten Deiner Wäsche, vorher habe ich eine Menge kleiner Löcher gestopft im Nachthemd – das ist auch eines von den alten – ist halt nicht mehr viel zu retten. Du hast schon recht – und das hab ich mir schon lang vorgenommen – daß wir, sobald Frieden ist und die Kaufmöglichkeiten sind entsprechend, Deinen Bestand an Leibwäsche aufbessern. Es macht viel mehr Freude, kann man öfter die Unterwäsche wechseln, demzufolge leidet auch jedes Wäschestück weniger in der Strapezierung [sic] und zuletzt: es macht mir selbst auch viel Freude, wenn ich bei der Wäsche stolz auf eine lange Reihe Hemdeln und Höseln u.v.m. von meinem Mannerli schauen kann – das ist „Hausfrauenstolz" – weiß nicht, ob Du dafür Empfindung hast?! Du!!!

Nachher will ich das Päckchen noch zur Post bringen. Von meiner Schokoladenfrau hab['] ich was für Dich bekommen – auch für mich mit! – iß mir ohne Bedenken das Wenige, was beiliegt. Du!!

Wundere Dich nicht über die gelblichen Streifen, die in Deinen beiden Hemdeln so unterhalb sind! Weißt – ich habe sie müssen aus einem Bindfaden in unsrer kleinen Küche vollends trocknen, weil Frau B. den Boden voller Wäsche hängen hat, und der Bindfaden ist abgefärbt. Es tat mir aber leid, sollte ich die Hemden nochmal naß machen; Das geht beim nächsten Mal wieder raus – und ich dachte bei mir, das untere Stück kommt ja in die Hose – das sieht niemand, – mein Hubo sieht mir das schon mal nach? Ja? Auch Deine Hose vom Anzug hab ich mir betrachtet, unten an den Beinen, innen, ist die ganze Stoßborte (das ist ein Streifen[,] der dagegen gesetzt wurde, um das Abnützen der Hose zu vermeiden) ausgefranst und wenn Du sie so anziehst, geht es über die Hose; ich will sie zum Ch. Schneider bringen zum Ausbessern, das ist eine kleine Ausgabe und der Stoff der Hose ist geschont. Ja Du!! Dein Frauchen kümmert sich schon sacht um alles, w[as] so zu einem Urlauber gehört!! Und was bei solch einem ,Fest´ drum und dran ist! Du!!!

Herzallerliebster!! Heute früh kam Dein lieber Bote vom Sonntag. Du!!!!! Ich danke Dir! Geliebter!!! Es ist doch sonderbar, wie sich auch das Gefühl der Menschen überträgt, die einander ganz eng verbunden sind. Du warst am vergangenen Sonntag auch unzufrieden mit Dir selbst – Du!!! Und ich war es auch, Herzlieb! Sieh – ich wollte Dir nur nicht davon schreiben; denn ich sagte mir immer wieder vor: was willst du denn noch mehr, dir geht es gut, du hast keine Not?, also – weshalb willst du deiner Unzufriedenheit Raum geben?, warum willst du sogar deinem [Roland] davon sagen?, er trägt doch schon sowieso das schwerere Teil bei unsrer Trennung – er muß in der Fremde sein. Sieh – und so schwieg ich davon – aber Herzlieb! Du wirst es aus meinem Sonntagsbrief gespürt haben, daß das, was ich Dir schrieb, nicht alles war, was mich bewegte. Du!!

Am Abend zuvor hatte ich so lieb, so innig Dein gedacht – ich versetzte mich dann so lebhaft in die Zeit, die glückliche Zeit, wenn Du um mich sein wirst – Du!! Und morgens im Bettlein, da waren sie immer wieder da, die süßen, schmerzlichen Gedanken – und ich hatte soo viel Sehnsucht nach Deiner Nähe, nach Deiner Liebe, und – mußte doch allein sein – es war mir wieder einmal recht schwermütig zu Mute – ich wußte eben garnicht recht, was ich eigentlich wollte. Unzufrieden mit mir und meinem Leben war ich an diesem Sonntag. Und ich hätte nur ein liebes Wort von Dir gebraucht, und alles wäre gut gewesen. Dein Bote blieb aus – das fehlte mir auch so sehr – die Musik fehlte mir – ach, sie ist mir an solchen Tagen der liebste Tröster, nach Dir!! Du!! Draußen war auch alles so grau und undurchsichtig – es wollte und wollte kein Lichtstrahl kommen am Sonntag – ich bin auch bald ins Bett, ich wollte am liebsten schlafen – schlafen. Und nun zeigt mir heute Dein lieber Bote, wie Dir am Sonntag ebenso zumute war. Du!!

Aber jetzt ist mir wieder leicht – Du!!! Schon am Montag - Du!!! Ich bin wieder ganz froh!! Und Du bists' ganz gewiß auch wieder, Geliebter!! Du findest trotz Deines Sehnens, Deines Schmerzes so viel liebe Worte für mich! Du!! Ich bin Dir ganz von Herzen dankbar dafür, Geliebter!!! Ach Geliebter!! Auch Du bist so voll Sehnen nach unserm Heim, daß [sic] wir endlich, endlich einmal ganz für uns bauen und schaffen können – und all uns[e]re gestaute Liebe betätigen! Alles in uns – alles um uns her ist bereit, dieses Heim zu betreten, zu erfüllen mit unserm Sehnen und Wünschen. Alles um uns ist vorbereitet, all die vielen Dinge, die zum Äußeren dieses, unsres Heimes beitragen wollen – alles in uns ist vorbereitet, all unser Hoffen und Sehnen mündet zuletzt in dem einen Wunsch und Gedanken: unser Heim! Vollkommenes Glück sehen wir in unserem Heim, Gipfel aller Seligkeit und Gipfel aller Traute – unser Heim! Und darinnen Du und ich – und alle uns lieben, schon bekannten, sogar vertrauten! Dinge!! Ach – wieviel Glückseligkeit!! In Deinen geliebten Armen ruhen und um mich her: unser! Unser Heim schauen – allein – ganz allein mit Dir darin wohnen!! Du!!! Ach Du!!! Geliebter!!!!! Gott möchte unser heißes Sehnen nach diesem gemeinsamen Leben bald, ach bald reiche Erfüllung finden lassen! Du!!!

Herzallerliebster!! Uns schrieb die Mutter heute auch einen lieben Brief aus Kamenz – sie freut sich so über den wollnen Rock! Fein – daß Du ihren Stollen nun bekommen hast – ich spare auch schon wieder tüchtig auf die Februarweihnachtsstollenbäckerei! Da soll auch ein rechtes Stück mit nach Kamenz davon. Was Du mir vom Besuch in Kamenz schreibst, Du!! Das macht mich heimlich sehr glücklich!! Weißt? Ach – Du!! Du!!! Wird uns die liebe Mutter und auch der liebe Vater verstehn? Werden sie uns nicht so ansehn dann, daß wir uns schämen müßten? – aber nein – das tun sie gewiß nicht – die Mu[tt]er wird Deinen Wink verstehen und ohne ein Wort zu verlieren uns beiden helfen!! Du!! Sie ist da so feinfühlend – höchstens der Vater wird uns mal eine Neckerei oder eine Lausbüberei darüber nachwerfen – aber mir ist nicht bang, Du!! Ich freu mich auf die lieben Eltern – ich war doch recht lang nicht mehr da. Herzlieb! Weil Du mich nur hierin so gut verstanden hast, Herzlieb, Du!! Und ich sehe ja selbst ein, daß mir das soo schwer geworden wäre, Du!! Bei Dir sein, abends im Bettlein – und Dich nicht liebhaben – Du!!! Es wird alles gut sein, es wird sich alles fügen, Du!! Wir haben immer Zeit und Raum gefunden für unser heimliches Glück! Geliebter!!! Herzallerliebster!! Du!! Behüte Dich Gott auf allen Wegen! Erhalte er Dich mir! Du!!! Ich muß Dich ja soo sehr lieben!!! Du!!!!! Mein [Roland]!! Geliebter! Du!! Ich bin Dein! Ganz Dein!!! Und darüber ist so viel Glück und Sonnenschein in mir! Mein lieber, lieber, liebster [Roland]!! Ich liebe Dich!!! Du!!! Ich bin ganz, ganz

Deine [Hilde] Du!!!!!

 

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946