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[OBF-410122-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 22. Januar 41.

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde], Du!

Du! Du!! Hast der Post, diesem öffentlichen Institut, eine so gefährliche Sendung, Dein Liebespaket, ohne jeden Vermerk anvertraut. Ist doch Munition, Du!! Weißt, so Äpfel sind ein gar liebreizendes Geschenk, und nun gar von Dir! Ein paar habe ich noch. Müßtest Deinen Hubo mal sehen, wie er ganz gegen seine Gewohnheit ihn erst mustert und bekuckt und dreht – und (ach Du, was ich jetzt schreiben möchte, das Wort gefällt mir nicht) – aber Dein Hubo tut[']s, weißt es nun? Du?!! Und bei einem hat er sich ganz sehr gefreut, da waren ein paar Zähnchen drin von meinem Rehlein! Und gefährlich? Ja, Du!! Für den Absender!! Du!! Wenn Dein Hubo (und) sein [Hilde]lieb küssen will – und dann denkt er auf einmal, er hat einen Apfel vor sich, Dein gefräßiger Bub, und beißt zu?!! Und wenn er nun gar das liebe Herzel küssen will, das runde, pralle, weiße, zarte, Du!! Du!!!!! so rund wie eine von Deinen Äpflein, und eine gar wunderliche Blüte ist auch dran – und Dein Dummerle – er beißt hinein –  Du!! Du!?? Schlägt[']s da dreizehn? Ja! Nun [si]ehst erst, was Du angerichtest hast! – Nun siehst erst, was für ein liebes Geschenk Du Deinem Hubo gemacht hast. Du!! Hast mich heute so reich beschenkt und erfreut, mit Deinem Liebespaket und 2 lieben Boten, denen vom Sonntag und Montag. Du! Mal sehen, wieviel Kussel noch übrig sind heute – – 5, Du!! Du!!!!! Du hast mich so lieb und machst mich so glücklich! Meine liebe, liebe [Hilde]!!

Du! Dein Sonnabend und Sonntag – die waren wirklich wie beim Einsiedler, wie bei einem Mönch (wenn Du ein Bub bist) – so ganz allein, fast oben im dritten Stock, bei Kerzenschein, versenkt in ein paar Bogen Papier – ach Herzlieb, ich glaub, das hast  Dir auch nicht träumen lassen – und wenn ich raten soll, es ist auch nicht nach Deinem Wesen, nach meinem auch nicht – Du, wie fein wir es gelernt haben, das Briefeschreiben und darüberstillsitzen [sic] – aber nur füreinander!

Und hast nun so ganz allein Dein Mittagbrot verzehren müssen, wie ein verlassenes Kindlein, oder ein bestraftes! Du! Tust mir wirklich ein wenig leid darum – und leis rührt sich der Groll, daß die Eltern, diesmal alle beide, Dich so allein lassen, den ganzen Sonntag und Familienkreis stören. Es mangelt ihnen an dem rechten Sinn dafür, sonst würden sie es empfinden. Und das wundert mich ein wenig von Mutter, daß sie gar nicht daran denkt, sie möchte Dir über die einsamen Stunden gerade des Sonntags helfen, daß sie gar nicht daran denkt, die Ferne des Geliebten könn[te] Dir Schmerzen bereiten. Du! Meine liebe, liebe [Hilde]!! Armes, verlassenes Rehlein, einsames Herzblümlein! Du!! Bald, bald kommt Dein [Roland] und vertreibt die trüben Gedanken und Wolken, bald wirst Du nicht mehr einsam sein! Herzlieb! Bald kommt er, bei dem Du Dich ganz geborgen fühlen sollst, der Dich einhüllen möchte in seine Liebe – ach Du! Du!! Herrgott im Himmel! Gib, daß es bald für immer sei!! –

Dein [Roland], der Dich so lieb verstehen möchte, dem Du Heimat bist, und der Dir soo ganz Heimat sein möchte, Herzlieb, dem Du Dich in Deiner großen Liebe so ganz ergeben hast, den Du lieber hast als Vater und Mutter und dem Du Dich, nun alleinstehend in gewissem Sinne, innerlich losgelöst, so ganz anvertraust, an den Du Dich anlehnst, er ersehnt nichts Lieberes, als Dir ganz Erfüllung und Heimat zu sein. Herzlieb! Eben kommt sie wieder, die Empfindung von damals, ein wenig anders, sie kommt aus der Liebe, Du, ich weiß es: „Helfen will ich Dir!" Es ist eine Art Mitleid. Mein Herzlieb würde doch ganz unglücklich allein stehen, mein zartes Herzlieb, in dieser wilden, rauen Welt, so allein, wie Dein [Roland], ach, so allein!!

Geliebte!! Ich bekenne es froh und dankbar und glücklich – und Du tust es auch: Daß wir beide so festen Halt aneinander gefunden haben. Daß wir uns beide schon so ganz nahe gekommen sind, auch innerlich. Und daß wir uns nun beide so glücklich und tatenfroh fühlen, ein neues Paar in dieser Welt darzustellen, selber Eltern zu sein. Wir können beide nicht mehr voneinander lassen! Geliebte!! Dein [Roland], auch er, er hat sein Leben, ganz Dir geweiht. Er fühlt glücklich, wie Du Liebe Dich vertrauend an ihn lehnst, Du! wieviel echtes Glück für einen Mann!!! Und ob auch Dein [Roland] sich anlehnt, ob er Dich braucht, Dich, eben nur Dich? Ach, Herzlieb, er hat es schon so einmal mit Worten beteuert. Und mein Herzlieb hat es wohl auch schon gefühlt? Auch so glücklich? Du!! Du!!! Weiß nicht, ob ich es alles zusammenbringe, was Du mir bist: Mein Herzlieb! Du!! So nenn ich Dich doch am allerliebsten! Mein Glück! Mein Sonnenschein! Mein Herzblümelein! Mein Rehlein! Meine Holde! Mein Friesenkind, mein liebes, großherziges, langes! Mein Mädchen aus dem goldenen Westen! Mein lieber Bub! Mein [Hilde]lieb! Mein liebes, teures Herz! Mein liebes, treues Weib. Geliebte! Jeder dieser Namen hat seine Geschichte, Du!! Hinter jedem steht eine der Sehnsüchte Deines [Roland] – Geliebte! Du weißt darum. Manchen dieser Namen hat er wohl manchmal schon sehnsüchtig hier vor sich hingesagt, ehe er Dich kannte – nun hat er einen nach dem andern seinem Herzlieb als Mäntelchen seiner Liebe umgehängt – Herzlieb, gefallen sie Dir? – es sind keine billigen nach der Mode – sie sind ganz eigensinnig empfunden und zugeschnitten – und wie Dein [Roland] aus lauter Glück und Liebe Dich mit ihnen beschenken wollte, daß sie Dir lieb und teuer wären so sind sie ihm selber lieb und teuer und Ausdruck dafür, daß er Dir ganz vertraut. Siehst, nun hat Dein [Roland] Dich ganz nach seinem Geschmack gekleidet. Nun brauchst gar nicht zu frieren, sind ja schon eine ganze Menge Kleidel, und alle zusammen bedeuten sie die Liebe, in die er Dich hüllen möchte, Dich mein liebes, teures Weib!

Du! Du!!

Und wenn Dein [Roland] Herzlieb sagt und denkt und fühlt – dann ist es die beste Hülle[,] Du!! Meinem lieben Herzel am allernächsten! Du!!! Du!!!!!

Ach, Du müßtest Dein Herz zuvor selbst ausreißen, ehe Du sie wegwerfen könntest in den Staub – die Mäntelchen der Liebe alle – und Dein Mund müßte wohl zuvor verstummen, ehe er das süße, traute, heilige Du verraten könnte. Ja, Herzlieb! Meine [Hilde]! Ich weiß, daß Du mir verbunden bist für alle Zeit! Ich glaube, daß Gott uns zusammen führte und uns diese große Liebe zueinander ins Herz senkte. Und ich glaube und vertraue darauf, daß wir Seit an Seite durch dieses Leben gehen sollen!

Du! Die ganze Welt war heute überglast hier – ein hartnäckiges dickes Glatteis hüllte alles ein. Das Licht streikte wieder. Die Leitungen sind unter der Last zerrissen. Dein Hubo geht ganz langsam und vorsichtig. Bei diesen Temperaturen um Null find [sic] haben wir Ruhe vor dem Tommy. Gestern und heute haben die Kameraden Schnee geschaufelt. Der Zugverkehr war unterbrochen. Sorge Dich nicht! wenn der Bote etwas verspätet eintrifft. Du! Ich glaub, einmal werde ich noch ein Päckchen Wäsche schicken müssen – aber dann will ich selber kommen! Du!! Weißt, als Du bei mir warst, das waren reichlich 8 Tage zu je 6 Stunden, daß wir umeinander sein konnten. Und dann? Und dann, Du? Du!!! 14 Tage bin ich dann um mein Herzlieb. 14 Tage zu je 24 Stunden, ja, ja, Du!! Und bei Tage, beim Arbeiten (auch als Stütze) und beim Ausruhen und Feiern – und bei Nacht, beim Schlafen (und wenn ich nicht schlafen kann, dann guck ich Dir zu! Ja?) und beim Aufwachen, und – fehlt denn noch [et]was? – Du! Du!!!!! Du? Fehlt da noch etwas? Geliebte! Gott sei uns gnädig! Er behüte Dich! Bleib froh und gesund, Geliebte! Dein [Roland] ist immer bei Dir! Bist gar nie einsam, meine liebe [Hilde]! Ein Herz schlägt Dir treu und lieb und unentwegt. Du! Du!! Ich liebe Dich so sehr! Ich bin ganz Dein!! Und Du bist mein Herzlieb, Heimat Deinem [Roland] und Erfüllung aller seiner Sehnsüchte. Bist ihm so wert und teuer über alles, Du, mein Herzlieb!

Du und ich! Du, mein Herzlieb!!!!! – ich, Dein [Roland]!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946