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[OBF-410119-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 19. Januar 1941.

Mein liebes, teueres Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]! Geliebte!!

Du! Ein echter Wintersonntag heute. Schneetreiben draußen. Alles Wohlsein ist heute im behaglichen Zimmer. Verriegelt scheint es nach der Welt draußen. Herzlieb! Wann werden wir solchen Tag im eigenen Heim verleben? So ganz auf uns gestellt?! Du!! Wann wird das sein? Alles wartet darauf. Alles ist vorbereitet. Alle Teile sind vorhanden – fehlt nur das erlösende Wort, daß sie zusammengefügt werden zu einem ganzen, dem neuen, unserem Heim. Wie werden wir ihn verleben? Ach Du! Das will uns die Phantasie in 1000 bunten Farben malen. Auf uns gestellt! Ganz allein! Du und ich! Mannerli und Weiberli! Süßeste Heimlichkeit und verzücktes Jauchzen, glückvoller Frieden und stilles Warten und Bereiten, dazwischen aber freudvoll frohes Schaffen füreinander – das alles umschließt dieser selige Gedanke an dieses Alleinsein.

Ach Herzlieb! Und wir beide warten so sehnsüchtig darauf! Auf das erlösende Wort. Du!! Ich bin heute so unzufrieden mit mir! Meine Gedanken wollen heute nicht so recht zu Dir finden, auch nicht die süßen und heimlichen. Du!! Herzlieb! Ich glaube, die Liebe will sich betätigen, sie möchte schaffen. Du!!! Diese Unzufriedenheit und Ungeduld ist ein Stück Sehnen, der Schmerz ist das andere. Und wir müssen doch geduldig sein. Du!!! Es ist so viel Wärme in mir! Mitten ins Schneetreiben bin ich hinausgewandert, habe Deinen Boten zur Post gebracht nach Eckernförde, nur damit ich mal hinauskam.

Herzlieb! Wie ist Dir heute? Kommt diese Unrast von Dir? Bist mir etwa gar böse über den dummen Haarstreit? Ich denke, daß Du den Boten heute zum Sonntag gekriegt hast, daran habe ich nicht gedacht. Du!! Sei mir nicht bös deshalb! Ach Du, wenn ich heute süß an Dich denken will, dann ist es gar nicht zart, dann ist es gierig und wild, Du!! Es wird vorübergehen. Du!! Der böse Krieg ist schuld daran. Vorhin kam unser Kapitänleutnant vom Urlaub zurück. Ich bin froh darüber, Du!

Schrieb ich Dir schon, daß der Stollen aus Kamenz eingetroffen ist? Fein hat er geschmeckt wie im Frieden. Gestern habe ich nun endlich meinen Weihnachtsmann (!) nach Kamenz abgeschickt. Ich wartete auf die Zigarrenzuteilung. Sie zog sich so weit hinaus. Für Vater eine Flasche Rum und Zigarren, für Mutter einen Kalender habe ich hineingepackt. Ich habe das Paket gestern nachmittag zur Post getragen.

Ich nütze jede Gelegenheit aus, an die frische Luft zu kommen.

Kamenz. Herzlieb! Du hast in Deiner Liebe an etwas ganz Wichtiges gedacht zum dortigen Besuch. Ich empfinde so wie Du! Dieser Peter wäre ein Fremdling, ein drittes, auch wenn er schläft. Aber Du!! Du!!! Daß wir uns auch nur einen Tag nicht lieb haben sollen? Herzlieb! Herzallerliebste!! Du!! Du!!!!! Unsre große Liebe – unsre gestauten Brünnlein – die wollen fließen, fließen und ineinanderströ[m]en – Du!! ich könnte es nicht aushalten – und Du? Du??!! Du so wenig wie ich!!! Das weiß ich!!!

Du! Da müssen wir auf anderes sinnen – auf einen Ausweg, oder eine List. Du! Nach Hause habe ich schon geschrieben, ob sie denn auch ein Plätzchen für uns haben, wenn Peter da ist. Vielleicht versteht Mutter diesen Wink, daß sie uns die Schlafstube hinten anweist?!! Ich würde nur einen ganz kleinen Augenblick verlegen sein darum. Herzlieb! Die Eltern wissen das sehr gut: die Liebe fordert ihr Recht. Dieses Recht ist ein offenes Geheimnis. Dahinter erst beginnt das unsere, das Geheimnis unsrer Seligkeit. Räumen doch Deine lieben Eltern auch das Schlafzimmer. Warum? Du!! Du!!!! Nur damit das Dickerle sein eignes Bettlein hat neben der [Hilde] und nicht auf den Gedanken kommt, etwa da mit hineinzukriechen, oder gar ihr über zu sein!!!!! Ja? Du? Stimmt's? Ach, bei Deinem Lausbub stimmt's doch meistens! Siehst! Warum sollen die Kamenzer Eltern uns nicht das gleiche einräumen? Aber sagen könnt ich's ihnen auch nicht. Eine List? Ich weiß im Augenblick keine. Und wenn auch nur ein dritter Atem in unserm Stübchen ginge und ein drittes Herzel darin pochte – es würde unser Glück stören. Du! Dein Mannerli ist ebenso eigensinnig wie Du es bist.

Wie ist es denn, wenn das dritte unser eigenes Kindlein ist? Ach Du! Wenn nur unsre beiden Herzen erst zusammenschlagen – unsre Liebe wird einen Weg finden – ja? Du!!!

Herzlieb! Die kommende Woche wird entscheiden – so rechne ich bestimmt – ob ich zu der vorgesehenen Zeit kommen kann oder nicht. Bis dahin müssen wir alle heimliche Freude noch dämpfen und dämmen, wenn es uns auch schwerfallen mag. Na – und der schlimmste Spruch, der uns werden kann – Urlaub 14 Tage, allerhöchstens 4 Wochen später. Herzlieb! Darüber sollst Dir aber noch gar keine Gedanken machen – es ist noch alles drin – Dein Hubo tut, was in seinen Kräften steht, und das ist nicht ganz wenig. Vertraust ihm darin, Herzlieb?!!! Und die Hauptkraft, die gibt ihm sein liebes teures Weib daheim – die liegt in seiner verhaltenen, aber heißen Bitte – in seinem Blick, hinter dem alles steht, womit er für sein geliebtes Weib einzutreten bereit ist – und dieser Blick könnte so vorwurfsvoll und drohend und Gerechtigkeit heischend werden –. Du! Aber das ist nur, was wir dazutun können. Dahinter steht noch, der uns leitet und über unseren Wegen wacht mit seiner Gnade und Güte. Es geschieht nichts, es sei denn in seinem Namen!! Das wollen wir nie vergessen! Siehst! Das ist der Gedanke, der uns immer wieder froh aufblicken läßt, der nicht nur vertröstet, sondern wirklich tröstet. Weißt, wir beide habe es schon immer recht eingeschätzt; und wer es noch nicht konnte, manch einer lernt es jetzt: das wichtigste ist nicht eine Aussteuer, eine Ausstattung mit allem Drum und Dran – das wichtigste ist, daß zwei sich ganz von Herzen lieb haben. Alles hätten wir zusammen – das einzige aber, das uns jetzt so fest verbindet, das sind nicht die äußeren Umstände, die Möbel, das gewohnheitsmäßige Zusammenleben, es ist unser Jawort, unser Eid, und der Eid selbst nur das Siegel auf unsre große Liebe, auf das Sehnen und Wollen, eins zu sein. Herzlieb, die unser Heim besuchen, die es erfüllen, die guten Geister alle in uns, sie sind bereit, das und sie bereiten sich immer besser – und unsre Hoffnung und Zuversicht ist so groß, daß eines Tages auch das Haus ersteht, in das sie dann alle schnell hineinschlüpfen. Und jeder weiß dann schon seinen Ort und seine Aufgabe – sie sind in unseren Herzen schon lange zugewiesen. So lebendig wird es sein in unserem Heim, als ob wir schon lange zusammenlebten – Leere und Langeweile – die gibt es nicht!! Nirgends wird es schöner sein, nirgends werden wir lieber weilen und nirgendwohin werden wir lieber zurückkehren als in dieses Heim! Du!! Du!!!

Ach Herzlieb, unser Glück wird alles überfluten und durchsonnen und die Glut dieser Sonne und der Quell dieser Glut, sie werden sich immer erneuern. Die Liebe! Wir zwei wissen darum, um die rechte Liebe! Und die Deine entzündet sich an der meinen, und die von Deinem Hubo, die entzündet sich an der großen, reichen Liebe meines Herzlieb! Geliebte! Welches Glück, welche Freude, in Liebe so umeinander zu sein, einander zu belauschen und zu fühlen, wie sie sich regt, erst leis und fein und  zärtlich – und wie sie dann drängt und wächst und schwillt zu heißem Verlangen – Herzlieb! Du und ich! Und den Takt zu diesem Glücke pochen unsre Herzen, das von Deinem Mannerli, und das liebe von meinem lieben treuen Weibe – und den Rythmus [sic] in diesem Leben, den macht mein liebes Weiberli – und Dein Dickerle – Du!!! – es wird fein brav und zärtlich und liebevoll sich richten nach diesem Rythmus [sic] – ganz ganz lieb und fein – und es wird voll Liebe und Verehrung aufschauen zu der Gebieterin seines Herzens.

Du!! Geliebte!! Wie ich mich sehne nach dieser Ordnung! So schmerzlich kann diese Sehnsucht werden, Du weißt es! Und Du verstehst mich, Dein Mannerli, das diese Ordnung so lange lange schon entbehrt und ersehnt. Und Du verstehst sie wohl nicht nur, sondern sehnst sie so wie ich herbei – nicht nur der Bequemlichkeit wegen, ach nein – sondern weil erst im Rahmen dieser Ordnung wir einander alle Liebe erzeugen können – weil dann erst unsre Liebe allseitige Genüge findet.

Gott im Himmel füge es, daß wir bald, ach so bald, dieses Leben gewinnen möchten!!! Er behüte Dich! Du mein liebster, treuer Weggesell! Mein liebes, treues Weib, das all dies Glück erst zu seliger Wirklichkeit erweckte, mit dem es sich erfüllen soll! Mit keinem anderen Menschenkinde könnte es sich so reich und herrlich erfüllen als eben mit Dir, mit meinem Herzlieb, das der [Roland] so fest und für alle Zeit a in sein Herz geschlossen hat. Du! Herzlieb! Ganz lieb und fest wollen wir immer aneinander denken, damit wir Geduld fassen und ausharren bis zum Ziele, das Gott uns setzt.

Ich bin Dein [Roland]. Dein in alle Ewigkeit! Du!!!

Meine [Hilde]! Du!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946