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[OBF-410118-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 18. Januar 1941.

Meine liebe, liebe [Hilde]! Mein liebes, teures Herz! Geliebte mein!!

Helle, klare Tage sind jetzt. Aber es ist eine stille Kälte. Sie kann uns nicht weh tun, wir sitzen warm. In mir ist ganz viel Wärme. Du! Ich kann gut ein wenig davon abgeben. Aber nur an einen festen Kundenkreis: meinen lieben Buben, und dem lieben Packl, und der [Hilde], und dem Herzlieb. In welcher Form? Ach, das ist zu neugierig gefragt, je nach den Brennstellen. Nein, nein, übrig ist keine, sie ist genau verbucht und die Vorräte sind schon beschlagnahmt. Du!! Wirst dann noch eine Wärmflasche brauchen können, wenn ich komme? Du!! Ich freu mich, weil Du eine brauchst, kann ich mich [do]ch wenigstens nützlich machen und tauge zu etwas gescheitem. Du!! Ich muß noch viel Wärme sparen – ist doch ganz kalt, die Stube. Und so warm muß es doch werden, daß meinem Herzlieb alles zuviel wird – Du!! – und dem Hubo dazu! Du!! Du!!!!!

Wärmflasche und – Bademeister. Heute kam die Ernennung. Du! Weißt! Nun ist mir nicht mehr bange vor der Zukunft – und wenn ich alle Arbeit verliere – wenn ich nur Wärmflasche und Bademeister sein darf bei meinem Herzlieb – und in der freien Zeit dazwischen wird es mich ja auch irgendwie beschäftigen, vielleicht als Mannerli. Weißt, nun fühle ich schon die Würde meines Amtes. Brauch ich denn dann eine Uniform – und einen Werkzeugkasten? Weißt, Herzlieb, Du bist dann die Prinzessin – und ich bin ihr treuer, vertrauter Diener, der treue Ekkehard, so sagt man wohl auch. Und die Prinzessin darf sich gar nicht bücken, damit sie keine Falten kriegt ins Bäuchel und keinen dicken Popo. Und sie darf auch gar nicht sehr hantieren, damit die schönen weißen Arme nicht durch Muskeln und sSehnen verunziert werden. Meine Prinzessin – aber nur ein halbes Stündchen mag ich ihr Diener sein – Du!! Dann – dann will ich der Prinz sein, Du!! Ja? Nach dem Baden ist doch gar kein Dienst mehr, brauchst doch keinen Diener. Und nur zusehen, wie die Prinzessin sich lang streckt? Du!! Das kann Dein Hubo nicht. Ein Plätzchen möchte er dann neben Dir – bloß eine schmale Kante für den Anfang – Du!!! Der fehlende Platz kommt dann schon von selber. Du!!! Du!!!!!

Herzliebes – den Gedanken und Vorschlag mit den Öfen hast wohl wieder ganz fallen lassen? Ist das richtig, frag ich mich? Der Winter ist noch lang! Und solch Ofen ist immer wieder zu gebrauchen – laß Dir das mal noch durch den Kopf gehen.

Du siehst mich forschend an, wie es mit dem Urlaub steht? Ich hab mal leise rangefragt [sic] – es ist noch nicht ganz an der Zeit – er hat nicht ja und nicht nein gesagt. Fein Geduld haben. Dein Hubo ist ein guter Anwalt, er wird auch Dich gut vertreten.

Du! In dem Brief der lieben Mutsch steht doch wahrhaftig schwarz auf weiß zu lesen: Seit 4 Wochen helfe ich in M. – – – – wenn es mir auch zu viel wird. Die liebe Mutsch fragt, was ich gesagt haben würde, wenn sie Dich gestraft hätte für das lange Ausbleiben zur Skipartie. Was die liebe Mutsch macht, ist noch viel strafbarer. Wider ihr gutes Wissen rackert sie sich ab – sie meint, sie sei notwendig, die Küche stehe oft allein. Weißt, jetzt habe ich fast den Eindruck, als bilde sie sich ein, sie müsse Deine entschlossene Ablehnung durch ihre Hilfeleistung abbitten; denn wärest Du nicht zu Hause, sie könnte nicht jeden Sonntag da hinunterrennen, das würde Dein Vater schon nicht zulassen. Nun fehlt nur noch, daß Du eines Tages den Vorwurf zu hören bekommst, Du ließest die Mutter sich abrackern und bleibst selber zu Haus und pflegst Dich. Von fremden Leuten lassen wir uns keine Vorwürfe machen, recht so. Aber auch das ist schon ein ernster Vorwurf: draußen ist es kalt und unheimlich, die Mutsch, erschöpft und unmutig, macht sich verdrossen auf den Weg. Herzlieb! Möcht[en] wir dem nicht die Spitze abbiegen beizeiten? Kannst Du denn nicht den Vater zu einem energischen Wort bewegen? Du! Bedenk mal, was ich hier anrühre. Und Deine Haltung wirst Du weiterhin entschlossen und eifrig verteidigen. Weißt! Sie verschieben Deine Mutter. Unabkömmlich da unten? Wärest Du nicht zu Hause, müßte es auch ohne sie gehen. Dann müssen sie eben die paar Vertrauensposten selbst besetzen (Was tut denn die junge Frau?) und in die Gaststube sich Leute nehmen. Du warst so weit, zu schweigen zu dieser ganzen Angelegenheit, um die Mutsch nicht in Konflikte zu bringen. Überleg doch mal, ob es nicht nötig ist, noch einmal darüber zu sprechen. Ich kann das aus der Ferne nicht beurteilen.

Weiß nicht, ob es mir noch gelingt heute abend, den Faden von gestern fortzuspinnen. Ich hatte es vor. Du! Hast denn jetzt mal nachgeschlagen im Leitzordner? Sind ja meines Erinnerns zwei solche Briefe drin, einer lag mal in einem Zeitungsverlag in Zittau und wartete auf seinen Empfänger. Du! Dein Hubo mit seinem treuen Gedächtnis für manche Dinge klammerte sich schon damals an einen feinen Faden. Diese Anzeige gab ich ½ Jahr nach der Begegnung auf – weit, weit weg im Erzgebirge saß ich schon – als mich dort in der Öde das Sehnen packte, ganz mächtig und gläubig, daß ich an die Möglichkeit glaubte, es könnte sich etwas anspinnen. Es war ein goldener Herbstabend, als ich den Brief auf Umwegen zur Post trug – Du!! Du!!! Dein [Roland] ging bei der Liebe zur Schule – – heute weiß er's – damit er reif würde für die Liebe zu seiner [Hilde], zu meinem teuren Herzlieb! Ein paarmal hat ihn das Sehnen so gepackt – nicht das sSehnen nach einem Abenteuer – oh nein – das Sehnen nach einer Heimat seines liebebedürftigen Herzens, das Sehnen nach einem echten, tiefen Glück. Und in Deiner und nun auch in meiner Heimat, da hat sein Herz geirrt, ist es umhergeirrt, fühlte es sich fremder und verlassener als anderswo. O ja! Fühlte es sich unverstanden. Ist doch eine so schöne Gegend, die Ortschaften nicht gerechnet, ich kann sie ganz sehr lieb gewinnen – und fühlte mich so unverstanden, so verlassen manchmal. Herzlieb – es ist umhergeirrt, mein Herz; Herz und Blick, die sonst so scharf waren, sie wurden trübe.

Kein Menschenkind begegnete mir, dem ich auch nur von weitem mein Sehnen anhängen konnte, und das ist so schwer zu ertragen wenn man jung ist. Du weißt, wie ich irrte, wie ich suchte, und wie es mich schmerzte, das ungestillte tiefe Sehnen. Soviele Menschenkinder umstanden mich und plagten mich und verfolgten mich, deren keinem mein Herz laut und freudig entgegenschlagen konnte. So verlassen und verirrt fühlte ich mich, daß ich in meiner Not zu Gott rief und ihn bat, er möge mich sehend machen. Das war kurz vor meinem Weggang nach Lichtenhain. Du!! Er hat mein Gebet erhört!

Ein Menschenkind folgte mir mit seinem Herzen. Und so inbrünstig wie mein Gebet, so sprach es mich an. Und noch in Erinnerung an dieses Gebet und im Glauben an die Verheißung: „Bittet, so wird euch gegeben: hörte der [Roland] Dein Rufen als ein schicksalhaftes Zeichen, so konnte er es nicht überhören.

Ein Gottesgeschenk ist unsre Liebe, Herzlieb! Und Du bist ein Gottesgeschenk, so wie es Dein Mann be[unklar]. Und Du hegtest sie schon lange in Deinem Herzen, und machtest Dich bereit und littest schon darum und wurdest stark davon – noch ehe Dein [Roland] darum wußte – wundersam, als seiest Du gerufen worden, Herzliebes!! Ein Gottesgeschenk ist unsre Liebe! Und das Glück davon leuchtet in unseren Augen, daß wir gar nicht hindern können, daß auch andere es sehen. Du! Die andern – was mögen sie denken von unserem Glück? Ach, sie ahnen gewiß nicht, was uns beide so innig und unverbr[üch]lich verbindet, weil sie es selbst noch niemals so tief empfanden.

Und sie raten ja gewiß ganz falsch – weil sie den Hubo gar nicht kennen – daß er sich auch sehnen kann, und daß er lieb und liebebedürftig und zärtlich und närrisch sein kann, und daß er ein ganz treuer und sinnlicher Liebhaber sein kann – und daß er auch gern nascht – und daß er bauen kann an einer starken, unverbrüchlichen Freundschaft —  Du! Du!!! Das versteht nur die eine – das weißt nur Du!! Die mein Herz bezwungen hat, die über mein Herz gebietet, stolz und glücklich. Du, Herzlieb! Du bist die Königin meine[s] Herzens! Aber Dein Herzlein gehört mir, ja! Und wenn ich komme, will ich es ganz lieb streicheln und küssen und drücken, Du!!! Brauchst Dich nicht zu fürchten deshalb.

Und mein liebes Weib, meine [Hilde], –  auch bei ihr raten sie ganz falsch, und es wird ihnen rätselhaft sein, wie sie sich den Hubo eroberte – weil sie sich nie Mühe gaben, sie zu verstehen – und weil sie von all den Tugenden wenig verstehen, mit denen mein Herzlieb sein Mannerli an sich fesselte, und kettete und schmiedete — Geliebte! Du!! Sie bleibt unser Geheimnis! Unser heiliger Bezirk, unsre Heimat, unsre innigste Traute und Zweisamkeit, diese Liebe!! Unser großes, reiches Glück! Mein köstlichster Platz! Heimat! Frieden! Erfüllung! Das bist Du mir, Geliebte!!!!! Gott behüte Dich! Du! Ich halte Deine liebe Hand ganz fest! Ich küsse Dein teures Herzlein und träume von uns[e]rem Lieben u[nd]. Sichverschenken! Mein liebes, teures Weib! Meine über alles geliebte [Hilde], Du!! Ich habe Dich so sehr lieb! Du!! Du!! Dein [Roland] will ich sein! Dir gehören, ganz!! Sonst mag ich nichts!! Du, liebe, liebe, liebste [Hilde]! Holde, Geliebte mein!!!!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946