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[OBF-410115-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 15. Januar 1941.

Herzallerliebste, meine liebe, liebste [Hilde], Du!! Geliebte!!!

Ganz schnell gehen die Boten wieder - und pünktlich - und ich weiß so schnell, was Du treibst und denkst, und daß Du so froh und glücklich bist! Und ich kann Dir so schnell wiedersagen, daß ich so glücklich bin. Du! Herzlieb! Kein Tag und keine Stunde ist arm und leer – auch bei mir – seit ich Dich kenne. Du! So viel Zeit und Liebe und Fleiß, wie wir schon darauf verwandten, einander kennen zu lernen [sic] – das hat man sonst mit keinem anderen Menschen. Jede freie Minute gilt dieser Bekanntschaft. Und daß wir nur Liebes und Gutes voneinander zu denken haben, das macht eben unser großes Glück aus. Du! Glaubst ja gar nicht, wie lieb ich Dich halten mag: Mein soll es sein? Das feine, große, ranke, schlanke Bübchen? Du, so selig wie ein Kind möchte ich alle Hände drüber halten, daß niemand dazu kann, möchte es immerzu hüten, und mag selbst nur ganz leis und behutsam mit ihm umgehen, daß ich nichts verderbe und ihm nicht schade und es ganz ganz lange behalte! Du!! Meine liebe, liebe [Hilde]!!

Bist Du ein zartes Frauchen? Bist Du mein zartes Weiberl? Magst Du meine Zärtlichkeit? Die leise, scheue, die nur Dich sich zeigt? Du bist's!! Ich weiß es!!! Mein schönes, liebes Weib!! Geliebte!!! Und Du mußt sie Dir alle gefallen lassen, die Huldigungen und Zärtlichkeiten, das ist Deine Rolle – Du!! Herzlieb!!! Sie sind alle wahr und ehrlich und gelten nur meinem Herzlieb! Du!!!

Ach weißt; wenn Du sagst, daß Du ganz festes Zutrauen gefaßt hast zu mir, daß Dein ganzes Sein vor mir ausgebreitet liegt – und ich fühle beseligt, daß es so ist – da sehe ich Dich vor mir wie ein Rehlein. Der Hubo ist durch den Wald gegangen – und da hat er das scheue Rehlein getroffen, das sonst die bösen Menschen flieht – es war ein wenig wund und hilfsbedürftig, fliehen konnte es nicht – und weil der Hubo, entzückt von dem seltenen Funde, so ganz vorsichtig und behutsam m heranging – und das verstand er, weil sein Wesen auch solch scheues Rehlein ist – da faßte es Zutrauen und ließ sich helfen. Und der Hubo, entzückt und selig und überglücklich von der wundersamen Begegnung und Freundschaft, so heimlich stolz, daß ein wildes Rehlein sich ihm anvertraute, so übervoll von solch seltenem Glück!!! Bist Du mein liebes Rehlein mit dem schwarzglänzenden Näschen?

Du!! —— oder ich sehe Dich vor mir als eine Blume. Warst selbst schon Zeuge, wie Dein Hubo sich freut, wenn er eine seltene oder absonderliche entdeckt hat —— als solche seltene Blume sehe ich Dich, so weiß, wie Dein Herzlein, und so voll und rund — und der Hubo entdeckt sie – und es durchzuckt ihn freudig: die ist ganz, ganz selten, und daß ich sie entdeckte, ist ein ganz großes Glück – aber das Wunder ward noch größer: Die Blume, Knospe noch – sie rief ihn keusch und leis heran: “Komm, Menschenkind, neige Dich zu mir, erblühen will ich, Dir will ich erblühen, unter Deinen Augen, will in Deinen Augen mich spiegeln, es ist mein ganzes Lebensglück, mein Lebenssinn, mich zu spiegeln in einem guten Augenpaar, und dieses Augenpaar zu entzücken.“

Bist Du auch mein Herzblümelein? Du!! So selten und lieb und scheu? Du!! Du!!!!! Dein Hubo ist so glücklich, daß er die wundersame Märchenfreundschaft mit dem scheuen Rehlein hat – und sein kostbares, feines, zitterndes Zutrauen! Du!!! Du!!!!! Geliebte!! Holde mein!!

Er gibt es nie und nimmer preis!!! Er hält es so entschlossen fest wie nur ein Kind sei Liebstes!!! Du!!!!!

Und nun ist Dein Hubo doch aber so froh, daß sein Herzlieb gar kein Rehlein ist –  nein so rank und gerade und aufrecht und froh und frei wie die Bäume im Wintermärchenwald (weißt, ich denke an das Bild, das ich habe) ein Menschenkind, – und wie im Wuchs so auch im Sinn – und soll mir gehören? – und will mir ganz allein gehören? Du!!! Du!!!!! Und schaust so drein – so fern und selbständig und unerreichbar – und ist mir doch so ganz vertraut – ganz, ganz, Du!! Das lange, liebe Packl, zugeknöpft bis obenhin – dem Hubo gehört es, Du!! Du!!! – Er darf sie lösen, die vielen Knoten und Schnüre!! Und alle Kostbarkeit und Süßigkeit im langen, lieben Packl, die soll ihm gehören! Er besitzt das Köstlichste, das ein Mann auf dieser Erde erlangen kann, das Vertrauen eines guten Weibes! Herzlieb! Wieviel Reichtum ist das! Wieviel Liebe schenkst Du mir! Wieviel hohe, seltene Liebe, Du!!!!! Du! Dein [Roland] wird ihrer nicht müde! Laß ihn um Dich sein in dem Sonnenschein und in der Wärme Deiner Liebe! Laß ihn weiterhin teilhaben an dem Wunder, an der Schönheit, an dem Geheimnis dieser Liebe! Du!!!!!

Herzlieb! Seit 9 Uhr hatten wir Alarm bis 11 Uhr.

Du! Ich muß die Feder weglegen heute. Sei mir nicht bös deshalb. Leicht könnte es einmal sein, daß der Bote noch unfertiger kommt, gar nicht richtig angezogen.

Mußt ihn gleich ganz warm stecken, damit er sich nicht verkühlt. Wo steckt er doch am liebsten und am wärmsten? Ich weiß, Du!!! Gott behüte Dich! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Ich bin Dir soo soo gut und habe Dich über alle Maßen lieb! Ich freue mich auf Dich, auf mein liebes Weib, auf meine liebe, gute [Hilde]!! Bleib froh und gesund.

Morgen plaudere ich schon wieder mit Dir!

Ich bin in Liebe und Treue ganz Dein [Roland]!!

Ganz Dein! Du!!! Fest eingeschlossen in Deinem Herzen. Und Du bist mein!!! Meine Gebieterin, Du!!! Meine liebe, liebste, herzallerliebste [Hilde], Du!!

Ich liebe Dich, Du!! Ich küsse Dich!! Gut Nacht, Herzlieb!

Bitte grüße die lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946