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[OBF-410114-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 14. Januar 1941.

 

Meine liebe, liebste [Hilde] Du!! Über alles Geliebte, Du!!

 

Siehst Du Deinen Bub sitzen? An der alten klapperdürren Schreibmaschine – zur rechten liegt, was er abschreiben soll – und zur linken? – dar liegen zwei ganz, ganz dicke Briefe – Du!! Die kriegen doch beinah Junge!! – und dahin schielt er verstohlen – und freut sich, freut sich, und sein Herz hüpft und zittert vor Erwartung – und er beherrscht sich, Dein Bub – und hebt sie sich auf so eigensinnig wie eben ein Bübchen, und zehrt nun noch eine Weile von der Vorfreude – und dann ist es 6 Uhr. Das Klappern der Maschine verstummt, man entfernt sich – Da sitzt nur noch Dein Hubo – und no nun holt er sich sie herbei – die Pfande Deiner teuren, großen Liebe! Du!! Du!!!!! Mein Herzlieb!!! 13 ganz liebe, heiße Küsse darfst ausschreiben – aber Du!! – weißt, mit zwei Pausen dazwischen für Deinen Hubo – für mein Herzlieb vielleicht auch? Du?!!! – 13 tiefe, heiße Küsse, Du!!! – das ist ja zum Überschießen, Du!!! – Ganz allein will er sein beim ersten Lesen. Sein Glücksstrahlen, das Leuchten seiner Augen – es gehört meinem allerliebsten Herzlieb, niemanden sonst. – Du!!! Du!!!!! Wie lieb wir uns haben! So so sehr lieb!!!!! – Und nun bin ich stolz nach ,Hause’ gezogen, der reichste und glücklichste weit und breit, Du!!! Soo froh und glücklich durch Dich, durch Dich!!! Geliebte!!!!! 3 liebe Boten kamen heute. Ein richtiges Buch zusammen. Herzlieb, Du übernimmst Dich dabei!

 

So, und nun will ich gleich den Faden aufnehmen. – Du! Dein Arbeitsprogramm war wieder sehr, sehr reichlich, diese letzten Tage. Und die Mutsch folgt nicht und läßt Dich und den lieben Pappsch immer wieder allein und vereitelt, daß ich ihr Euch besser ablösen könnt in der Arbeit. Das ist nicht recht. Die liebe Mutsch sieht das nicht. Sie steckt zu sehr drin. Ich sehe es! Bei mir darfst Du so nicht arbeiten vor den bösen Tagen. Und mein Wille und Wunsch ist es doch, daß Du es in dieser Beziehung jetzt schon so haben sollst wie bei mir dann. So könnte es auch sein! Herzlieb, ich werde mit meinem Einspruch nicht so lange warten, daß bis Ihr beide nicht mehr könnt! – Was Liebes Du mir alles schreibst – Herzlieb – es ist nicht ungereimt. Wenn Du Deinen Hubo beobachten könntest beim Lesen, dann würdest Du seine Freude über die vielen, guten und lieben Reime auf seinem Anhtlitz erkennen. Es ist ja gar nicht so leicht, all den Regungen nachzuspüren. Es ist vielleicht manchmal auch verfehlt und unrecht. Aber Herzlieb! Ich weiß nichts Lieberes hier in der Fremde, als meine Gedanken und Sinne auf unsre Liebe und Ihre Geschichte zu richten. Es sind ganz bestimmte Bilder, umrahmt und gebettet von den vielfältig reichen unendlich kostbaren und lieben Empfindungen, die so deutlich, und doch auch so unscharf, so unsagbar immer wieder ins Bewußtsein treten und zum Ausdruck drängen. Die Worte sind dann so blaß und versagen den Dienst – und zuletzt bleibt alles Stückwerk, weil niemand aus seiner Haut fahren, sich daneben setzen und davon erzählen kann. Gelingt es kaum, diesen Gefühlen in ihrer Feinheit und Süße und Zartheit Gestalt zu geben im einzelnen, so werden do sie doch, je weiter wir uns von dem Erleben entfernen, deutlicher in ihren großen Umrissen – und so können wir, meinethalben auf unser Leben zurückblickend, ganz gut und deu[t]lich bewußt Stationen unsrer Wandlung und Entwicklung erkennen. Aber es bleibt ein Versuch – wir verstehen uns auch über das Geholper der unzulänglichen Worte.

 

 

Du bestätigst mir und empfindest es, daß unsre Liebe sich gewandelt hat; die meine, die immer heißer und inniger geworden ist – das ist ihre sichtbarste Wandlung, Du!! In der Sehnen und Erfüllung sich immer mehr entsprechen – die Deine, Du sagst es, und ich versuchte es zu umreißen, die reifer und tiefer und bestimmter geworden ist – Herzlieb!! Für uns beide aber trifft zu: daß uns[e]re Wesen sich immer fester und inniger sich umschlingen und durchdringen, daß wir immer lieber aufeinander eingehen – Mein Herzlieb im Ungestüm der ersten leidenschaftlichen jungen Liebe wollte etwas ganz für sich – ein Kindlein. Und Dein Dickerle empfand beim ersten seligen Nahesein nur die eigene Wonne. Und nun? Geduldig und Stück um Stück hat mein Herzlieb seinen [Roland] mit allen Un- und Eigenarten in sein Herzlein schließen müssen – Dein Dickerle hat nicht nachgelassen – tief, Du!!! tiefer immer hat er sich in Dein Herz gestohlen, hat Dich umworben und hat sich nun in Deinem Herzlein eingerichtet und gebettet wie das Kindlein im Mutterschoß – und wenn er heute das Leben in Deinem teuren Schoße weckt, Du!! Du!!! Meine liebe, liebe [Hilde]! Mein liebes, teures Weib!! Du!! Du!!!!! dann hilft er das Kindlein formen und bilden nach dem Bilde, das Du in Deinem Herzen trägst; dann ist Dein [Roland] Vater des Kindleins im rechten Sinne. – [U]nd Dein [Roland]? Seine Liebe gipfelt nicht mehr in dem wonnigen Erschauern, sondern in dem Wunsch und Willen, Dich zu erlösen – und damit mündet sein Lieben in das Deine: unser Kindlein! Du wirst seine Mutter sein! Meine [Hilde] Mutter! Sie hegt nimmt es aufr in ihren Schoß, das Kindlein von ihrem [Roland] – sie hegt und pflegt es unter ihrem Herzen und nährt es mit ihrem Herzblut, das Kindlein von ihrem [Roland]! Du!!! Du!!!!! Das ist Erfüllung, Krönung und höchstes Pfand Deiner Liebe! Und Dein [Roland]?

 

Mit vollem Bewußtsein und frohem, herzlichen Bejahen und mit seinem treuen Eigensinn (pflanzt) legt er das Samenkorn in Deinen Schoß, den Schoß meiner geliebten [Hilde]; mit seiner Liebe umhüllt und schützt er sie beide wachsam und liebreich: Mutter und Kindlein; und mit der Mutter gemeinsam trägt und formt er das Kindlein. Herzliebes!! Ich fühle es, es ist die Krönung auch meiner Liebe zu Dir – Du!! Du!!!

 

 

Du hast leis und doch eindringlich auf diese Krönung schon immer hingewiesen!! Herzlieb, so ist die Liebe, so sind wir einander richtig Lehrmeister und Erzieher zur großen, reifen, tiefen Liebe geworden. Und wir wollen gar nicht mehr eifersüchtig um die den größeren Anteil rechten.

 

 

Herzlieb, Du!!! Wenn Du mir sagst, daß ich Dir geholfen habe zur Reife, geholfen habe, Deine Liebe zu vertiefen und zu wandeln, so will ich daraus nur froh und dankbar und glücklich erkennen, daß auch von meiner Liebe Kraft ausging, daß ich den [W]eg fa[nd] zu Deine[m] Herzen, daß ich Dich nun ganz richtig lieb habe. Du!!! [Da]s macht mich doch so glücklich!!! Und Dich auch? Du!! Du!!! Ich habe Dich so lieb!

 

 

Weißt, worüber ich mich ganz sehr freue? Über das eine der Bilder, die Du mir beilegtest, über das gelungene.

 

Du! Du!!!! Mein ganz ganz liebes langes „Packl“, mein Bübchen, so grad zum Drücken uns Umfassen, das Köpfchen ein bissel zu klein für die Länge grade wie beim Hubo – Du!! Du!!! Ich habe Dich so lieb!!!!! Aber weißt – das Bild muß eigentlich unter Zensur – das Weibel im Hösel, das ist ein Bild eigentlich nur für das Mannerli! Du!! [*] Dieser Schnitt ist für die Öffentlichkeit, das ist nicht ohne tieferen Sinn, [**] der ist bloß fürs Mannerli, wenn es gut gefolgt hat, ja? Du!!! Na! Die überzeichnete Länge wird den fremden Betrachter leicht etwas schrecken, (so [']ne Bohnenstange!) – Dein Dickerle kennt die Maße schon besser – und daß sein liebes Packl auch lang und langweilig (weißt, worauf ich anspiele? karg im Ausdruck) ist, daß macht es ihm ja nur viel lieber! Braucht doch mein Herzlieb gar keine Leiter, und die Herzel und alles paßt doch viel besser zusammen! Du!!! Du!!!!!

 

 

Du!! Von dem Bravsein in Kamenz und von etlichem anderen rede ich morgen. Dem Hubo ein Hösel zum rumsitzen? Du!! Was soll das wohl bedeuten?

 

Ich muß nun schließen, Herzlieb! Ich lasse Deine Hand nicht los! Ich nehme sie mit ins Bettlein, und mit Ihr schlafe ich ein, so froh und glücklich! Gott behüte Dich! Herzlieb! Er führe uns recht, recht bald zusammen zur gemeinsamen Lebensfahrt!

 

Werd[ bald wieder gesund, mein liebes, liebes Bübchen! Hast so lieb meiner gedacht immer und fein Brav! [sic] Du!! Sei herzlich, herzlich bedankt.

Du!! Deine große, tiefe Liebe ist immer um mich, sie erfüllt mich mit Freude, Wärme und Sonne. Du! Fein geduldig ausharren wollen wir miteinander. Herzlieb! Bald, bald komme ich zu Dir!!! Ich hoffe, ich will es so sehnlich! Gott segne es!

 

 

Du!! Ich küsse Dich! Ich herze Dich! Ich liebe, liebe Dich! Meine liebe, liebste, herzallerliebste [Hilde]!! Geliebte, Holde mein!!!!!! Ich bin Dein Hubo! Dein Dickerle! Dein [Roland]! Ganz lieb und treu

 

Dein [Roland]!!! Du!!!!!!!

 

 

Bitte grüße die lieben Eltern! [***]

 

[* = Strichzeichnung von Rockfigur]

[** = Strichzeichnung von weiblicher Hosenfigur]

[*** = seitwärts am Rande geschrieben]

 

 

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946