Bitte warten...

[OBF-410113-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 13. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Mein Geliebter!! Mein lieber, liebster [Roland], Du!!

So lange habe ich heute geschlafen! Erst als es klingelte, als Dein lieber Bote Einlaß begehrte, bin ich aufgewacht, Du!! Das war ¾ 9 [Uhr]!

Vater hat ja heute Nachtdienst, er ist früh munter, wenigstens heute, nach dem Sonntag – und er hat mich nicht geweckt. Meinen Wecker hatte ich mir nicht gestellt. Na – zum Montag gibt's noch nicht gleich wieder alle Hände voll zu tun, da ist ein Langschlaf erlaubt!

Heute ist mir wohler, es lag nur daran, daß ich Ruhe und Wärme brauchte, weil ich Schmerzen hatte vorher die Tage und mir's garnicht gut war. Nun ist die grobe Arbeit ja vorbei und ich kann mich halten. Draußen ist es wieder kälter geworden, neuer Schnee fällt — man möchte nur wissen, wann das Winterwetter bald mal nachläßt.

Dein lieber Bote vom Freitag, Du!!! Ich danke Dir so sehr dafür!! Du!!! Herzlieb! Die Sorge um unsre Feuerung stellst Du an den Anfang! Machst Dir nun auch noch so viel Gedanken mit; nun wirst Du aber unterdessen meine Nachricht schon erhalten haben, daß es sich zum Guten gewendet hat. Sei also jetzt ganz beruhigt – ich muß nicht mehr frieren! In der nächster Zeit wird auch die Nachricht über die Genehmigung unsrer Sonderzuteilung eingehen, wenns gut ausgeht sind uns auch wieder paar Zentner sicher! Herr B., unser Kohlenlieferant hat uns ein paar Zentner mehr versprochen, als wir auf diese Sonderpunkte zu beanspruchen haben – nur muß er etwas in Händen haben, einen Ausweis, daß er uns beliefern darf – wieviel er uns gibt, das geht keinen etwas an, das liegt an ihm u. seinem Vorrat.

Außerdem haben wir auch besondere Scheine ausfüllen müssen über unseren Brennstoffverbrauch im vorangegangen Jahre, darnach wird wohl die Neuregelung kalkuliert, die im Januar eintreten soll. Wir kommen nicht um – erfrieren lassen sie uns schon nicht – wenn’s nicht reicht, dann gehe ich eben immer hin und beantrage Feuerung. Ich hab ja Zeit – wenn mir's auch bis obenhin steht, da drüben mich abkanzeln und verschieben zu lassen – aber es geht uns nicht allein so. Beleidigt hat mich ja noch keiner. Ja – Du rätst mir zum Kauf eines solchen Wärmespenders mit Gas oder Elektrisch, das wäre schon recht; doch machst Dir keinen Begriff, wie die Leute nach diesen Dingen scharf sind, man hat Glück, wenn m[an] noch einen bekommt heute. Nun kann ich auch vorderhand davon absehn, wir kommen jetzt ganz gut hin. Die Eltern haben auch schon davon geredet. Du hast doch die Kontoauszüge bekommen aus Schandau?

Meine Zeit!! Du!! Da ist ja Dein Bestand gar noch um 50 Rm höher, als der meine! Wie geht denn das zu? Du hast ja Deinem Gehaltsrechner damals Deine Feldpostnummer mitgeteilt – aber die von Kiel-Friedrichsort war das. Hast ihm auch die letzte Anschrift gegeben? Wohl nicht? Er hätte Dir doch sonst Deine etwaige Beförderung mitgeteilt! Das wäre ja höchst angenehm, was? Hubo!!! Und der schöne Brief, er wäre umsonst aufgesetzt!! Du!! Ich kanns noch garnicht glauben, nicht fassen! Schreib mir nur gleich, was los ist, wenn Du Bescheid hast!

An eine Fehlbuchung ist ja wohl kaum zu denken, meinst? Wenn von Deiner Einberufung ab laufend, sagen wir: glatte 50 RM in Sch. angelaufen wären, so würde die Summe ja trotzdem nicht stimmen – das wäre ja auch weniger. Wo kommt bloß das Geld her? Ei – ei – [Nordhoff]'s kommen zu einem Vermögen und wissen nicht wie!! Ich bin so neugierig, Du!

Eine Beförderung! – Du!! Da hätten wir doch zu Deinem Urlaub noch ein Fest mehr zu feiern!! Es kann schon möglich sein! Zu allen guten Dingen gehören 3 – Geburtstag – Weihnacht – Beförderung! Du!! Wenn das neue Jahr weiter solche angenehme Überraschungen bringt für uns! Welche frohe Zukunft! Aber – nur nicht übermütig werden! Abwarten.

Auf meinem Kusselkonto habe ich ein Guthaben von 2 Stück! Heißen Dank, Matrose X d. R!! Aber – sag – was macht man denn, wenn man die älteren Guthaben verloren hat, verschmissen? Wenn sie weggekommen sind? Ich habe keinen genauen Überblick nun mehr — und Du? Weißt Du noch, was Du mir gutschreiben wolltest, genau?? Es ist zu schade – nein – das sehr ernst! Wenn Du mich nun über’s Ohr haust?

Wer kann mir bloß helfen?!! Jetzt, wo Du so sparsam umgehst mit Deinen Gutschriften an Küssen, für mich! Die ich nun verloren habe, kann ich unmöglich wieder mit herausklingeln bei den jetzigen Zeiten!!! Tu ich Dir nicht leid? Du?!!! Wir müssen uns einigen bis Du kommst, Du!!

Hast Du es in den Zeitungen schon gelesen? Das neue Schuljahr beginnt nicht mehr, wie üblich zu Ostern, sondern zu Ende der großen Ferien. Allerhand stand noch dabei; ich konnte nur flüchtig lesen, die Chemnitzer Zeitung gehört U.'s, sie lag unten im Hause. In unsrer Zeitung stand es noch nicht, müßte es heute kommen. Diese Neuordnung gilt für das ganze Reich und sie würde zum großen Teil durch die Eingliederung der vielen Volksdeutschen, bei denen es anders war, durchgeführt – und nicht zuletzt! Wohlgemerkt!: nach reiflichem Überlegen des Reichserziehungsministers durchgeführt. Na ja — uns, Dich kann das im Moment weniger berühren, es ist nur interessant zu wissen, wie sich's im Reiche in verschiedenen Dingen, die für Dich jetzt privat sind, ändert. Da kommen nun auch die Schulanfänger erst zu Ende der großen Ferien in die Schule, nicht zu Ostern. Wenn wir nun solch kleinen Bengel anzumelden hätten, da müßten wir freilich besser Obacht geben, damit wir nicht zu spät kommen!

Du!! Herzlieb!! Ich soll mich nicht so genau auf den Tag De[ine]r Ankunft hier versteifen, wenn Du Urlaub bekommst. Ich will es auch nicht, Du!! Nur – man muß doch so ein Bild sich machen können, damit man sich immer richtig bestimmt drauf freuen kann! Wenn sich's auch um einige Tage verschiebt, aber wenn ich mir nur sage: Im Februar – im Februar! Da kommt mein Hubo heim! Das ist mir zu wenig, weißt? Ich muß schon bissel mehr wissen, muß es bissel genauer wissen! Du!!!

Wenn es so der Reihe nach weiter geht, mit dem Urlaub Deiner Kameraden, da kann die Rechnung auch annähernd stimmen. Ach – es stimmt ganz bestimmt – jawohl! Bei uns stimmt's immer!!

Soviel Gewalt hab ich über Dich, Du? Herzlieb? Wird Dir da gar nicht ein wenig bange, Du!!? Wenn ich so einfach über Dein Herzel bestimme und gebiete? Ach, Du!! Ich kenne ja Deine Antwort, mein Herzlieb!!

Und weil ich so froh, gewiß es fühle, wie Du Dich wohl und glücklich, geborgen fühlst in meinem Gebot über Dein Herz, darum muß ich auch nicht denken, daß ich Dir als Frau ein Recht entwinde, daß ich mich über Dich stellen will als Herrscherin, im falschen Sinne. Herrscherin will ich schon ganz allein sein über Dein Herze, Du!! Aber nur in Liebe herrschen will ich!! Du!! Nicht, um andre Vorteile zu gewinnen, häßliche.

Ach Du!! Du weißt das ja ebenso wie ich!!! Du!!! Darum vertrauen wir uns einander auch so ganz, ganz an. Weil wir wissen, daß nur Liebes, Gutes über uns gebietet. Du!!! Du sprichst vom Wiedergutmachen, Herzlieb! Weil Du mich anfangs verkannt hast, weil Du mich gekränkt hast. Weil Du nicht aus meinen Zügen lesen konntest, was ich Dir hätte sagen mögen, Du!!! Ach – mein [Roland]! Sprich nicht so — jede Liebe hat ihre Geschichte vorher – ihr Vorspiel – nicht jedes Vorspiel kann schon glückhaft sein – kann es nicht – es muß sich alles, alles fügen.

Du!! Du!!! Darum sind wir nun jetzt umso glücklicher u. reicher!!! Du hast recht, es liegt nicht in unsrer Art, unserm Antlitz die Regungen wiederspiegeln zu lassen, die unser Inneres bewegen — darin sind wir arm. Wir sind vielleicht sogar recht hölzern und steif darin – weil wir eben auch viel Schamgefühl in uns haben, das ist es zu einem ganz großen Teil bei mir zum Beispiel, was mich so ungelenk, eben so steif macht darin.

Ich kann vielleicht nur einmal meine Augen, mein Antlitz sprechen lassen, wenn ich mich unbeobachtet weiß, wenn kein fremdes Auge mich sieht. Und Du? Du hast Dich sehr in der Gewalt mit Deinem Mienenspiel durch Dein zurückhaltendes Wesen allein schon — Du hast es auch Dir zur Gewohnheit gemacht, ein Gesicht aufzusetzen, was nicht Dein natürliches ist, weil Du so viel unter Menschen weiltest und Dich bewegtest, denen Du Dich auch nicht wirklich zeigen wolltest.

Ja – ich glaube, die ganze Lebensart eines Menschen trägt dazu bei, wie sein Wesen in dieser Beziehung sich bildet. Und bei Frauen ist die Eitelkeit ein besonders starker Förderer dieser Wesensart[,] ich will hier gar niemandem nahe treten – ich habe das selbst schon beobachtet, viele Frauen und Mädchen gefallen sich in ihrem ‚seelenvollen Mienenspiel' wie man es gerne nennt. Sie greifen sogar zu allerhand Raffinessen, um dies und jenes noch wirkungsvoller zu machen. Ach Du — wir wollen ja nur mal ganz ehrlich sein wir Frauen: es ist alles, alles ein Spiel zu größtem Teil — ich nehme das mit auf mich, ich vertrete ja auch dieses Geschlecht. Selten – o selten gibt es eine echte Frau, echt in ihrem Wesen.

Die Männer haben ja überhaupt keine Ahnung, was im Reiche der Eva's los ist – es ist wirklich wahr – und wie bald kommen die Männer hinter diesen Bluff, wie bald. Du brauchst nur einmal um Dich zu sehen. Aber eine Frau mit Ehre und Gewissen kann sich dem genüber beherrschen — sie besitzt auch obendrein noch so viel Ehrgeiz sich zu sagen: wenn mich ein Mann nicht mit meiner Natürlichkeit liebt, mit meinem wahren Gesicht, dann soll er nicht mich begehren, denn die Wahrheit ist auch im Leben, im gemeinsamen Leben diejenige Macht, die alles bezwingt, alles durchdringt. Es ist aber auch hierin wirklich schwer, jemanden zu überzeugen.

Ihr Männer seht die Frauen mit anderen Augen, als wir selbst uns messen. Und ob wir uns nun in diesem Kapitel Verständnis entgegenbringen können, bezweifle ich. Du!! Ihr könnt vieles an der Frau nicht verstehen – Ihr wollt aber auch viele[s] nicht verstehen – wenn Ihr Männer liebt, wirklich liebt, dann liebt Ihr die Frau auch mit ihren Schwächen und mit ihrer Verführerischkeit und das ist es, was Euch immer auf's Neue bezaubert — das ist es aber auch, was Euch einmal am tiefsten abstoßen kann im Leben, wenn es eben nicht echt war. Und diese Stunde der Erkenntnis bleibt im Leben einmal nie aus. Früher oder später ist sie da und wie viele Männer sagen: Ich Tor — wo hatte ich meine Augen.

Ach Du!! Wohin verliere ich mich denn, ich will Dir doch keine Weisheit predigen. Und Du wirst im Stillen lachen über Deine junge Frau, die sich so erfahren dünkt! Aber ich sage Dir eines lieber [Roland]: Frauen sind nicht nur liebenswert, sie sind auch gefährlich. Gerade in der Jugend ist dieser Spürsinn dieses Mißtrauen so rege beim Menschen, gerade beim Weib. Der Grund nun dieser ganzen Geschichte: so liebenswert einen Menschen solch lebhaftes Wesen im Ausdruck, in dieser Hinsicht macht, so gefährlich ist es ihm aber auch. Denn er geht damit in die Gefahr, jedem ersten besten, weniger guten, anderen Menschen in die Hände zu geraten.

Und auch anders noch: Du schreibst von dieser Großpostwitzer Elfriede, wie will sie ihren Liebsten denn auszeichnen, was hebt sie ihm denn auf? Auch darin wird dieser scheinbare Vorteil herabgesetzt: eine Frau muß in ihrem Wesen so sein, daß sie das Beste, das Schönste nur einem zum Geschenke machen kann. Ob das nun in der Liebe im letzten Vertrautsein ist, oder in ihrem Wesen schon, das ist ein großer Unterschied; denn lieben, so lieben kann sie nur einen, wenn sie edel ist. Und ihr Wesen soll so sein, daß der Mann sieht und fühlt, jetzt fühlt sie sich eins mit Dir, jetzt ist sie ganz dein, jetzt schaust du sie, wie sie dir allein nur gehört.

Diesen Unterschied in ihrem Wesen muß er feststellen können, dann, so meine ich, ist eine Lebensgemeinschaft erst recht wertvoll und köstlich – wenn man so seinen Besitz fühlen kann, das Glück, einem geliebten Menschen ganz sein Eigen zu nennen, wie es keinem andern vergönnt ist.

So habe ich es gefühlt an Deinem Wesen, mein Herzlieb! So beglückend! In den trautesten Stunden, da schaue ich Dich ganz!! So ganz!! Wie Du bist, wirklich!! Wie Du mein, mein bist!! Und das gönne ich keinem anderen Menschen!!

Und darum bin ich froh, daß Du arm bist an Ausdruck Deiner inneren Regungen im großen und ganzen sonst. Ich erkenne sie, die feinen Zeichen und Regungen Deines Antlitzes, wenn Du bei mir bist — ich verstehe sie — und das ist schön! Du!!! Wer soll sie noch verstehen? Höchstens Deine liebe Mutter – sonst niemand!

Du bist nur mein! Du!!! Und mich soll keiner verstehen, als Du!!! Du kannst es schon, aus meinem Gesicht lesen, Du!!!!! Und wir lernen es ja immer besser noch, immer mehr, je länger wir umeinander sind – und – je lieber wir uns gewinnen! Ja Du!! Du!! Noch, noch lieber will ich Dich gewinnen, Dich! meinen herzlieben Buben!! Meinen [Roland]!! Ganz, ganz lieb will ich ihn gewinnen, bis es überhaupt nicht mehr lieber geht!! Du!!!!!

Behüt' Dich Gott! Mein Geliebter! Bleibe froh und gesund! Ich habe Dich ganz, ganz sehr lieb!! Du!!!
Ich gehöre nur Dir! Nur Dir allein!! Du!! Du!!! Mein [Roland]!!

Immer Deine [Hilde], Deine Holde.

Recht herzliche Grüße auch von den Eltern!

H.'s Brief ist recht lieb, ich hebe ihn auf!

 

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946