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[OBF-410108-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 8. Januar 1941

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde] Du!!

So groß und tief und dunkel schaust mich heute an aus Deinen lieben Augen, so tief und dunkel leuchten sie nur mir, Du!! Ich weiß es! Mein liebes, liebes Herz!! Meine [Hilde] Du!! Mein!!! Führst mich wieder zu dem Wunder, Geliebte, zu dem Wunder uns[e]rer Liebe! Du!!! Dein [Roland] läßt sich so gern bei der Hand nehmen dann – und wir beide gehen zu ihm hin, froh und gern und reinen Gewissens, wir brauchen uns des Anfangs nicht zu schämen, Du!! Herzlieb! Welches Glück bedeutet das schon! Wir kennen die Geschichte, den Weg, beide – wir sind ihn schon oft gegangen, wieder und wieder, und werden ihn noch oft gehen – wir können ihn genau beschreiben – was rechts und links des Weges steht – die Biegungen und Kreuzungen – aber dann kommen wir an eine Stelle – (wir gingen noch nicht zusammen damals) wir standen uns gegenüber – da ist die Spur nicht da – verwest? – ein Sprung? von Herz zu Herz? – ein Funke? – Gottes Fügung?!! – Das Wunder unsrer Liebe!! Es scheint, als stünde Dein [Roland] ganz unbeteiligt da, als habe er nicht teil an dem Wunder. Wundersam ist Deine Liebe, die tiefe, eigensinnige – ich kann sie nicht ganz verstehen – und nun mag ich sie auch nicht mehr ganz verstehen – ich will sie nur verehren und bewundern, um sie dienen und mich von ihr beschenken lassen – und will sie ganz festhalten, Du!!!!! Und weil ich sie nicht verstehen konnte, setzte dort der Zweifel ein: Ist sie auch tief und echt und rein? Ist sie kein Wahn? Wie kannst Du lieben, wo Du mich noch gar nicht recht kennst? Weißt Du auch, wen Du liebst? Weißt Du auch, daß Du ihn lieben mußt mit seiner ganzen Welt, wenn diese Liebe Dir Erfüllung bringen soll, ein wahres Glück? Herzliebes! ich glaube an Deine Liebe!!! Ich glaube auch, daß sie schon damals in Dir brannte – heute glaube ich es ganz. Und wenn ich daran zweifelte, dann nur, weil ich es nicht begriff – und weil ich Deine große Liebe nicht gespürt habe. Du! Sie war noch nicht stark genug damals – wohl inbrünstig, aber noch in Dir verschlossen, nach außen noch nicht erblüht – eine ganz feine, zarte Knospe erst – und Dein Hubo, der alte, er schaute schon aus nach reifer Liebe. Du, Herzlieb, so ist es! Ich hätte es gewiß gefühlt – ich hätte es bemerkt – die Glut in Deinen Augen, das Verlangen, Sehnsucht und Schenkenwollen – mein Herzlieb war noch eben erst erwacht; die ersten Röslein, Du!!!, im Gärtlein waren eben erst erblüht; Frühlingskinder, so zart, und frostig noch; „mädchenhaft unbeholfen" war mein Herzlieb; noch so unschuldig; konnte noch nicht sagen, was es dachte. Ja, und die beiden Male, da ich es hätte spüren müssen – die Gedanken und Strahlen und Reize der anderen waren mächtiger, sie verfolgten mich bis in meine Träume, auf dieselbe geheimnisvolle Weise, wie sie nun heute zwischen uns gehen Du!!!

Wundersam, diese Liebe in Dir! Und so treu! Und so eigensinnig! Und so stark! Zweifel und  um Zweifel mußte sie überwinden, den eigenen Zweifel dazu. Und Kraft um Kraft spenden, Dir und mir, dem Fühlen und Denken und Wollen; und dem Körper: er wollte erblühen und reifen. Geliebte!!! Geliebte!!! Du hast sie alle überwunden! Treu und tapfer und sieghaft! Auch den stärksten Zweifel: Dass wir uns ganz verstehen und liebgewinnen könnten!! Du!!! Du!!!! Und damit hast Du auch glaubhaft gemacht, daß Du schon früher mich liebtest, wohl nicht in dem Bewußtsein wie heute, aber in der Ahnung und dem Gefühl davon; hast Du auch glaubhaft gemacht, daß reine Liebe Dich beseelte. Herzliebes!! Was Wunder, wenn Du manchmal müde und schwach wurdest, wenn Bangigkeit und trübe Gedanken Dein Herz beschlichen? Herzlieb, habe ich Dir denn ein wenig beigestanden dabei? Ein wenig Dir geholfen? Ich wollte es!! Ich habe Dir helfen wollen, "wenigstens helfen will ich hier ihr!" mit diesem Vorsatz, mit diesem Entschluß schied ich von Rathen. Herzlieb!! Dein [Roland] ist nichtnie auf raffiniertes Wesen hereingefallen – Du warst es nie! – aber in Rathen da fühlte ich das Mißverständnis zwischen Deinem Wollen und Können, fühlte ich etwas von der Unbeholfenheit, von der mächtigen Spannung in Dir – fühlte ich eine Kluft zwischen dem geschriebenem und dem wirklichen Herzlieb. und Dein [Roland], der selber erregt und vor Bewegung zitternd zu diesem Stelldichein kam, Dein lieber Bub! Du!!!, der ein wenig schon sich anlehnen wollte – er nahm, ein wenig enttäuscht, Dein Herzchen in die Hand auf dem Heimweg wie ein hilfloses Vöglein , ganz ruhig und hoffend war er zuletzt wieder: Helfen will ich ihr! Wenigstens helfen!! Bis sie recht weiß, was sie will; ein Jahr, zwei Jahr!! – ( Du!!! Herzlieb, wie schaust denn jetzt drein? Ewa [sic: Etwa] gar böse oder schämig. Du!!!!!) Wie ist es denn heute? Das Vöglein, das ich in meinen Käfig sperrte, es sitzt heut froh und munter obendrauf – und wer sitzt im Käfig?— Du! Dein Bub! Eingesperrt! Gefangen! In Deinem Herzlein, und in Deinem Gärtlein, Du!! Und der Bub? Er schreit gar nicht – er ist ganz brav und schaut nur nach dem Vöglein, und kann sich gar nicht satt genug daran sehen – Und das Vöglein, es mag gar nicht fortfliegen, es bleibt bei seinem Buben, weil der es so lieb anschaut und so lieb hegte und ihm so vertraut ist. Du!! Du!!! - „Ist sie ein bissel anders geworden?" – Herzlieb! Daß ich es erleben durfte, das Wunder des Erblühens – und daß ich es noch erleben darf, Du!!!! Daß sich sich [sic] mir erschloß, die schöne, liebe Blume!!! Wie sie mich immer mehr entzückt! Wie sie mir alle Reize entfaltet! Wie sie mich lockt, und bannt, und berauscht – wie sichsie mir in ihrer Schönheit und Eigenheit und Traute so unendlich lieb geworden ist!!! Geliebte!! – Das kann ich aber heute abend unmöglich alles schreiben, das dauert zu lange. Nur meinen Faden will ich wieder aufnehmen: Dein [Roland], hatte er gar nicht teil an dem Glück, an dem Wunder? Er will gar nicht eifersüchtig sein und will es nur noch ein wenig beleuchten, um sich dann mit Dir aus vollem Herzen seiner zu freuen. Herzlieb! Du warst sehr mutig damals! Und Deine Hoffnung, und sie wahr [sic] sehr kühn: Du magst mich erkannt und durchschaut haben in dem einen wenigstens, daß ich in meiner Liebe selber noch unsicher, unentschlossen und unentschieden war – magst gefühlt haben, daß Dein Hubo noch ein ganz junges Herz hatte – aber kühn warst Du trotzdem: Ein Mann von 30 Jahren hat seine Grundsätze, seine Lebenspläne – Du!! Ich hätte mich gefürchtet – weißt Du wie sehr? Nimm meinen Leitzordner und schau nach unter dem Buchstaben H, glaube ich – da findest Du in einer Zeitung liegend ein Schreiben, das wie so manches nicht abgeschickt wurde – es ist an ein 3 Jahre älteres Fräulein gerichtet. Dir sag ichs!!: Fräulein A. Weißt? Herzlieb!!!! – Ja, nun hast Du auf Deinen Richterspruch gewartet – der feine, feine, zarte Faden unseres Schicksals, ich hielt ihn in unsrermeiner Hand – und zerriß ihn nicht, sondern nahm ihn auf. Geliebte! Ich bin nicht stolz darauf – aber ich bin so glücklich darüber!!! Weil ich Dich nun fand!

Das ist mein Anteil am Glück. Nein, Geliebte, es ist Gottes Fügung! Herzlieb, Du weißt, ich war darauf gefaßt und vorbereitet. Ich selber schaute nach diesem feinen Faden voll Sehnsucht und Hoffnung. Ich irrte in der Liebe damals. Und in meiner Herzensnot wandte ich mich zu Gott – Und ich habe gläubig auf ein Zeichen gewartet – Dein treues Gedenken, Dein Bekenntnis, ich nahm es als dieses Zeichen. Du!! Nun habe ich Dich so sehr lieb gewonnen!! Fühlst Du es? Geliebte!!!Und ein ganz großes Stück lieber erst nach der Hochzeit, Du!!! Wie groß ist denn die Liebe, Du? Wie tief? Geliebte!!! Herzallerliebste!!!! Immer größer, immer tiefer! Geliebte! Meine [Hilde]!! Unverlierbar, unauslöschlich ist sie, geheiligt und fest verankert! Nimm sie an, die späte Liebe von Deinem Mannerli, von Deinem [Roland]!! Gott behüte Dich auf allen Wegen! Er schenke dir ein festes, frohes Herz! Herzlieb! Du!! Ich habe Dich so sehr lieb, Du!!! Ich bin Dein! Ganz Dein!!! Dein Bub! Dein Hubo! Dein Dickerle! Ach alles möchte ich Dir gerne sein – und Dein Gärtner auch – ja? – Du! Du!!! Mein liebes, süßes, treues Weib! Mein!!!

Ich bin Dein liebs Mannerli! Bald komm ich zu Dir!! Du und ich! Dein und Mein: Dann sind wir eins!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946