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[OBF-410107-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 7. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Mein lieber, liebster [Roland]!! Geliebter, Du!!

Tauwetter ist, der Schnee fällt zusammen, die Kälte hat ein wenig nachgelassen, es ist gut! Aber tauen brauchte es nun so schnell nicht, wo mir der viele Schnee so große Freude brachte. Na – 'wer weiß, wozu es gut ist', so sagt man immer, wenn man sich in's Unabänderliche fügen muß. Du hast dann freie Bahn! Aber– bis dahin kann ja noch viel geschehen. Ich habe heute auch keine Zeit zum Fahren. Kurz nach 2 Uhr war ich fertig mit meiner Hausarbeit. Am Vormittag hab ich mir wieder allerhand Zeit verlaufen: einholen; auf dem Rathaus mit dem Kohlenantrag (denk nur, das geht nun erst durch eine Prüfungsstelle in Chemnitz!), nach was' Süßem für mein Dickerle in's Wäschepackerl lief ich – vergebens. Essen kochen, Schlafzimmer in Ordnung bringen, Hausordnung, Grudeöfen versorgen, Zimmer durchbohnern. Du weißt schon, wie es so der Reihe nach geht.

Und als ich mit Aufwaschen und Aufräumen in der Küche fertig war, da klingelte es! Der Briefträger, Herr S.: ich soll doch mein Paket auf der Post abholen, man hätte heute Vormittag niemanden angetroffen! Ich war ja so gespannt, Du!! Und ich bin gleich erst mal losgerannt, ehe ich Dir schreibe. Ja, Du!! Ja!! Sie ist da!! Sie ist es!! Unsre Waage! Du – wie schön sie ist!! Sie gefällt mir ganz sehr!! Ich hab sie gleich schön blank poliert, sie lief an in der Zimmerwärme, und nun steht sie auf unserm Küchentisch! Schön!!

am [sic] 16. Dezember wurde sie abgeschickt! Sie hatten auf der Post schon eine Fehlmeldung gemacht.

Herzallerliebster!! Du! Meinen herzliebsten, besten Dank!! Aber – richtig bedanken, wie Du's verdienst, tu ich mich erst, wenn Du bei mir bist, ja?!!! Du!!!!!

Was wird nur Mutsch für Augen machen!? Und Papa!?

Du!! Ich freu mich so, daß Du so mit Interesse und Liebe hilfst, unser Heim aufzubauen! Das gefällt mir von Dir, Du! Manchen Männern ist es ganz gleichgültig, womit das künftige Heim ausgestattet ist. Das ist wirklich wahr.

So einen Mann wär ich nicht so gut! Du!! Aber so wie Du bist, ist es richtig, dann weiß ich wenigstens, wie Du Dein Heim gerne sehen möchtest, so kenne ich Deine Wünsche, Du!! Nicht nur in großen Einrichtungsstücken müssen unsre Ansichten und Wünsche übereinstimmen – auch das kleinste muss und beiden gefallen; denn so erst bekommt das Heim eine persönliche Note – es kündet vom Wesen seiner Bewohner. Und wir möchten doch ebenso viel Harmonie äußerlich um uns haben, wie es innerlich auch harmonisch zusammenklingt, ja? Du!! Du!!! Ich freue mich wirklich so sehr, wenn Du so [mi]t mir zurüstest in allem, mein [Roland]! Das Geringste, das Du mir schenkst und bringst für uns, für unser Heim, es erfreut mich mehr, als ein ganz persönliches Geschenk. Ich hab nun schon so viele Geschenke von Dir, die unser Heim schmücken sollen, die es behaglich machen sollen, Du!! Ach, Du!!! Wenn wir es erst einrichten dürfen, unser Heim!!! Wie emsig und eifrig werden Hubo und [Hilde] beraten! Ich freu['] mich ganz sehr mit Dir darauf, Du!!!

Und daß Du endlich, endlich wieder einmal ein richtiges Zuhause haben sollst, das freut mich am meisten. Du sollst es ja dann für immer als Dein Eigen betrachten – Du!! Herzlieb!! Wie viel Glück, wie viel frohe Zeit des Schaffens liegt vor uns beiden! Und wir bauen ja unser Nest nicht für uns allein, Du!!! Einmal hast Du doch davon schon zu mir geschrieben, Du! wie die Vöglein bauen wir – nicht nur für uns!! Gott segne unser Wollen und Vollbringen, er segne unsern Bund.

Mein [Roland]! Heute morgen erhielt ich Deinen lieben Brief vom Sonnabend. Du!! Meinen innigsten Dank dafür. So viel [Li]ebes sagst Du mir! Machst mich so froh, so glücklich und reich! Wir wollen uns immer so ganz sehr liebhaben, solange wir leben – es ist das Schönste, das köstlichste, was es gibt auf Erden – es läßt uns alle Mühsal und Not ertragen, das Bewußtsein, in Liebe mit dem Besten, Edelsten verbunden zu sein. Du!! Du!! Du bist mein bester, liebster, edelster und treuester Kamerad! Dein will ich sein, ganz Dein nur, mit allem, was ich habe, solange Leben in mir ist! Ich will Dich lieben und Dir die Treue halten [m]it der ganzen Kraft meines Herzens! Du!! Ich kann ja garnicht [sic] mehr von Dir lassen – nie mehr!!! Über alle Ferne, über alle Zeit bewahre ich Dir mein Herz, mein ganzes Herz ungeteilt, voll treuer Liebe!! Du!! Geliebter!! Vergiß es nie!! Unser Bund, er ist mir so heilig, Gott steht über ihm.

Meine Ehre, meine endlose Liebe zu Dir, sie lassen mich nie irre geh[']n, Du!! Du glaubst an mich, wie ich so fest an Dich glaube, Herzlieb!! Es gibt nichts, was uns scheiden könnte! Nichts, als der Tod. Ich bin nur Dir verbunden, so ganz, so ganz, Du!!! Geliebter!! Was Du mir über den Sinn uns[e]rer großen Liebe sagst, Du!! Es beglückt mich so tief!! Du hast mir so aus der Seele gesprochen, mein [Roland]! Ich wäre so von Herzen dankbar, wenn der Herrgott seinen Segen gibt zu unserm innigsten Wunsche! Ob es uns gelingt, mein Lieb? Die Krönung unsrer Zweisamkeit bewußt und mit allen Sinnen auf ihre Erfüllung gerichtet, zu erleben?

Wenn Du in meinem Schoße ruhst, mein [Roland]! Du!! Dann denke ich immer an das Neue, an das Dritte, daß zu unserem Glücke gehören soll, ich muß immer daran denken, Du! wenn Du so tief in mir ruhst! Herzlieb!! Du hast so recht empfunden, auch ich habe, so jung ich noch war damals, so heiß und inbrü[ns]tig gedacht: wenn D du ihm nicht für ein Leben angehören darfst und sollst, so möge doch eine, nur eine Stunde in deinem Leben dir beschieden sein, da du ihm gehören darfst, einmal – einmal nur in tiefster Liebe, und diese Stunde möchte unvergessen bleiben für immer, indem das köstlichste, das einem Weib beschieden sein kann vom Geliebten in deinem Schoße zum Leben reift.

Es war ein ganz vermessener Wunsch und Gedanke von mir – gewiß – aber ich war so, so sehr erfüllt von ihm – Du – ich hätte alles, alles auf mich genommen darum – ich liebte Dich so unsagbar – Du!!! An die Eltern habe ich dabei auch gedacht – ja – Herzlieb – meine Liebe zu Dir stellte alles in den Schatten – und wenn ich um dieser einen Stunde willen mein Elternhaus verloren hätte – die Liebe kann nicht, kann um keinen Schmerz der Welt sterben in mir. Wenn nicht Dich, Du!!! So hätte ich Dein Kind bei mir haben dürfen – und wenn ich es hätte allein, mit meiner Hände Arbeit mir erhalten müssen – Du! Ich war bereit, alles auf mich zu nehmen für meine Liebe. Das waren gar keine Romangedanken, die mich verwirrt haben damals, wie es oft junge Mädchen erleben müssen.

Ach, Herzlieb!! Du weißt ja nicht, wie unendlich groß meine Sehnsucht nach Dir, nach Deiner Liebe in mir brannte. Kein Mensch hat je meine Herzensgedanken darum erfahren – keiner. Und ich wünschte mir mit aller Kraft etwas von Dir, Herzlieb. Es war damals auch bei mir so, wie es im Leben heißt: das Weib im Mädchen erwacht. Herzlieb, ich habe damals schon viel weiter gedacht, als nur an ein flüchtiges Abenteuer, ein Genießen, ich fühlte nur eines: hier ist der Mensch, der einzige auf Erden, in den du dich verankern willst, nach ihm und vor ihm gibt es keinen, keinen mehr.

Wenn auch Dein Wesen garnicht darauf schließen ließ, daß Du Dich jemals so weit vergessen könntest, Du – ohne ein Vorspiel, ohne eine Neigung das Letzte zu nehmen von einem Mädchen, das es verschenken kann. Gerade darum, weil Du so fest, so unbestechlich warst, Herzlieb, konnte ich mir nichts Beseligenderes denken, als mich Dichr zu schenken. Und dieser Wunsch, der beim liebenden Weibe so ganz nahe dabei liegt, er nahm immer mehr Gestalt an in meiner Gedankenwelt. Wie er sich erfüllen sollte, jemals? Ich wußte es nicht.

Ich glaubte an ein Wunder. Ich glaubte an die heiße, brennende Liebe in mir, deren Kraft Dich einmal bezwingen müßte. So liebt das Weib, so kann es sich ganz mit aller Hingabe verschenken, wenn es wahrhaft liebt.

Und doch mußte ich auch durch alle Stationen des Zweifels, es wollte die eigne Kraft nicht mehr ausreichen, meinen Glauben an Erfüllung zu stärken. Ich war so allein mit meiner Liebe. Ich irrte – ich suchte nach einem andern Menschen, der mir Erfüllung bringen sollte. Ich fand ihn nicht, ich wurde enttäuscht von seinem Wesen – es war nicht Deines. Und es begann die Sehnsucht wieder nach dem Einzigen. Ach Du!! Herzlieb!!

Weißt ja – wie ratlos und verzweifelt Deine [Hilde] Dich rief, sie konnte nicht mehr – konnte es nicht mehr ertragen. Und in Deinen Händen lag es nun, wie mein Weg weiterführen sollte. Du – ich hatte auch auf eine andere Antwort mich gefaßt – Du – ich wartete – wartete auf Dein Zeichen damals – wie auf meinen Richterspruch – Du – ich wäre ihn zu Ende gegangen, – den anderen Weg – auch - zu Ende gegangen – und ich hätte nicht mehr an ein Glück auf Erden glauben können – das hätte mir ihn erleichtert – meinen anderen Weg – ich weiß es – ganz gewiß.

In der Heimat sollte er nicht enden, der andere Weg. Das wollte ich den lieben Eltern ersparen und den Leuten.

Einen Plan hatte ich, wollte mich wegmelden durch einen ganz unauffälligen Grund, der Reichsarbeitsdienst war damals für Mädchen eingeführt worden – niemand hätte den Grund gewußt, außer Dir, warum ich nicht wiederkehrte.

Ich war entschlossen, ich war bereit, abzuschließen.

Und wie ein unwirklicher Lichtstrahl fiel mir es mit dem Kommen Deines Boten damals in's Herz. Du!! Zitternde Freude packte mich! Ach Du – ich möchte keine Stunde in meinem Leben ausstreichen, die ich um Dich litt. Du!!! Wenn ich dann die ersten Male persönlich mit Dir zusammentraf. Du!! Es war so sonderbar – ich war gebannt von dem Geschehen, von der Wirklichkeit, ich konnte oft vor innerer Erregung kaum ein rechtes Wort mit Dir wechseln – wie ein Bann legte es sich auf meine Zunge. Alles, was mich im Innern bewegte, ach – so lange schon bewegte, ich vermochte es nicht zu lösen. So scheu, so voll Angst auch dachte ich oft daran: es ist nur ein Traum. Ich konnte mich nicht so Dir gegenüber geben, wie mir ums Herz war – Du hast es auch gefühlt – weil ich in meinen Briefen [a]nders war als in Wirklichkeit. Ach Du!! Ich bo war doch wie gebannt, wenn ich Deine Nähe fühlte, wenn Du mir gegenüber sast [sic], oder wenn Du an meiner Seite gingst. Ich mußte ganz, ganz langsam erst Zutrauen u. Vertrauen fassen von mir zu Dir. Und der Bann löste sich auch erst merklicher, als wir Du gegen Du tauschten, da löste sich so vieles, wie eine gestaute Flut.

Ach Geliebter!! Du!! Das war Deine [Hilde] – mit ihrer Einfältigkeit, mit ihrem Eigensinn, mit ihrer ganzen mädchenhaften Unbeholfenheit – Du? ist [sic] sie ein bissel anders geworden? Du!!! Aber in ihrer Liebe ist sie genau noch so wie früher – wie immer, seit sie Dich sah, Du!!! Daß es so sich fügte, mein allerliebster [Roland]!!!!!

Der Herrgott hat in unsre Herzen geschaut. Er sah das große Sehnen, das heiße Verlangen, er sah den ehrlichen, ernsten Willen und er sah auch die beiden Herzen darauf an, ob sie der großen Aufgabe gewachsen seien, die daraus erwächst, wenn er sie zusammen führt. Du!!! Mit den besten, edelsten Gedanken und Taten sind sie gewillt, ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie baten den Herrgott um solch herrliches Ziel, er hat es ihnen beschert – und sie wollen es erfüllen, zu seinem Preis, zu seiner Ehre. Dankbar gedenken sie stets seiner Güte. Ach, Geliebter!! Ich bin so sehr, sehr erfüllt von unserm Glück!! Gott möchte uns gnädig und barmherzig sein!

Wenn Du bei mir sein kannst – für immer bei mir! Geliebter!! Mein lieber, guter [Roland]!!! -

Must Deine Post selber holen, Du Ärmster? Na – das wird schon nun mit der Zeit besser werden, wenn es tauen will.

Du!! Ich will ja heute noch Dein Wäschepaket fertig mach[e]n, es ist alles trocken. Muss nur noch etliches ausbessern daran und plätten; es ist gleich 5 Uhr. Dein Bote soll noch mit fortkommen. Du? Bist Du heute auch so froh? Meine Wangen glühen seit heute Mittag ½ 1 Uhr ganz sehr, ist etwas geschehn, das [sic] Du so sehr an mich denken mußt, etwas Schönes? Was Dich freut? Ach Herzlieb!! Auch gestern Abend mußte ich so sehr an Dich denken, Du hast auch meiner gedacht – ich hab es gefühlt, Du!!!

Mein geliebtes, teures Herz !! Mein lieber, guter [Roland], Du!! Ich liebe Dich!! Ich liebe Dich von ganzem Herzen!!! Gott behüte Dich mir! Bleibe froh und gesund! Mein [Roland] !! Ich denke Dein voll Sehnsucht, Du!!! Voll Liebe und Verlangen! Ich bin in Treue Dein!!

Nur Dein!!

Deine Holde, Deine [Hilde]. Und Du bist mein!!!!!

 

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946