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[OBF-410106-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 6. Januar 1941.

Herzallerliebster!! Geliebter!! Mein lieber, liebster [Roland]!! Du!

Nun ist Bahn frei für Dich! Heut früh bin ich gleich zuerst mal auf Kohlenhandel gewesen. Beim Kohlenmann, dann auf dem Rathaus, ich habe einen Antrag bekommen, nun halt auch Du die Daumen mit fest, daß sie bewilligt werden! Du!! Noch 41 Tage sind es ab heute, bis Du kommst, mein lieber Mann! Wir wollen ja nicht frieren bei uns, ja? Unsre Wärme läßt auch einmal nach, wenn wir immer nur spenden und führen keine neue hinzu! 'S wird schon klappen – ich rück' ihnen immer wieder auf die Bude.

So, mein Dickerle! Nun will ich Dir mal schön der Reihe nach erzählen: Gestern mittag, nach einsam verzehrtem Mahle brachte ich schnell meine Wirtschaft in Ordnung und bereitete mich dann für die Fahrt mit Hilde. Die Eltern kamen noch nicht, als ich um 2 [Uhr] nachmittags abfuhr. Sie haben mit unten gegessen, sind gegen 3 Uhr heim.

Es wurde doch fast 3 [Uhr], als wir beiden nun zum Start kamen. Hilde war noch nicht fertig. Es ging durch den Stadtpark nach dem Großen Teich zu - über Pleißa rauf nach dem Wald, weißt, denselben Weg, den wir mit den Eltern an einem Sommersonntagmorgen gingen! Ich hab so an Dich denken müssen Herzlieb! Die Stelle, wo wir am Feldrain saßen, die war so verweht vom Schnee. Aber ich wußte sie noch, Du! Hilde hatte einen Film bekommen für ihren Photo, wir haben ihn verknipst miteinander. Ich hoffe, daß die Aufnahmen gut gelungen sind, Du sollst sie doch bekommen, damit Du Deinen Bub einmal richtig als Bub sehen kannst! Ach Du!! So wunderschön war der Wald wieder, wie im Märchen. Wir kamen aus dem Entzücken garnicht heraus, aus den verschneiten Tannen habe ich immer neue Gestalten entdeckt, es war so schön. Wenn Du doch auch noch einmal mit mir das Wunder des Winters erleben könntest, in Deinem Urlaub – ich würde mich ja so freuen! Da laufen wir mal nach der Autobahn zu, wo wir gestern vorbei gefahren sind! Du! Soviel Schnee hatten wir seit Jahren nicht mehr – viel mehr als voriges Jahr ist es! Keine Omnibusse können mehr fahren, außer dem Chemnitzer, der fährt auch nur in beschränktem Maße. Ein Zug ist aus den Schienen gesprungen, die Strecke war lange gesperrt, stundenlang müssen die Arbeiter Züge ausschaufeln – die Leipziger Strecke war in den vergangenen Tagen nicht befahrbar. Es ist eine richtige Not für diejenigen, die auf diese Fahrzeuge angewiesen sind. Und es sieht noch nicht so aus, als wäre nun genug Schnee gefallen, es schneit noch immer.

Also: Grüna war unser Ziel, es sollte Springen sein, dann wollten wir im „Forsthaus" Einkehr halten. Und als wir nun nach langem rutschen und purzeln an die Schanze kamen, war nichts los – es war zuviel Schnee. Weiter ging's zum „Forsthaus", auch da mußten wir eine Enttäuschung erleben – es war geschlossen, der Wirt ist zum Militär gekommen! Und wir hatten soo einen Hunger, der Gasthof zu Grüna lag in entgegengesetzter Richtung unsres Heimweges, da sind wir an der Bahnlinie lang nach Rabenstein, das ging ganz rasch und da in der Nähe der Brauerei ist ein hübsches Cafe, Schmidt heißt es, Du warst vielleicht schon mal drin auf Deinen Wanderungen früher? Unter der Brücke stehts. Alles voll Skihaserln war da – wir bekamen eben noch jedes 3 Stück Kuchen, das war der letzte! Wunschkonzert hörten wir auf dem Sofa im Warmen sitzend und eifrig schmausend. Es ist recht nett da drin, alles prangte noch im weihnachtlichen Schmuck. Tanz gab es da nicht. Ein paar Herren, die mit und ankamen, setzten sich an unsern Tisch und wollten uns gleich in Beschlag nehmen – plötzlich entdeckte einer unsre Ringe!! Da verschlug's ihnen aber sofort die Sprache – und recht bald verabschiedeten sie sich wieder! Wir haben ja hinterher so gelacht!! Hilde trägt ja ihren Verlobungsring auch noch. Ein treuer Wächter ist unser liebes Ringlein! Herzlieb, Du!! Da braucht man garnicht erst bös mit den Augen zu funkeln, das besorgt schon unser Ring! Wir haben Dein gedacht, Du! Auch den lieben Eltern schrieb ich eine Karte. Es war auf unserm weiten Weg und nach der kurzen Rast doch schon ziemlich spät geworden. Vor 7 Uhr brachen wir in Rabenstein auf, es war schon dunkel, ab und zu kam der Mond durch die Wolken. Nun begann eine Fahrt, die ich nicht so schnell wieder vergesse.

Die Landstraße nach Limbach zu durch den Rabensteiner Wald war total verweht. Tiefe Rinnen, Löcher, hohe Wehen wechselten einander ab. Dazu das Dunkel.

Hilde kam so langsam vorwärts – sie ist auch ein bissel ungeschickt, ich mußte sie aus jedem Loch herausziehen. Das war eine Schwitzkur! Wenn ich mich mal eine Weile nicht nach ihr umgesehen hatte, sah ich sie garnicht mehr, so weit blieb sie zurück - mußt ich wieder warten. Ich bin bald verzweifelt. Zuletzt fing auch noch ihr Schuh an zu drücken, sie hat keine richtigen Skischuhe, es war auch nicht abzuhelfen. Die abschüssige Straße durch den Wald hatte ich schon längst hinter mir, da kam sie erst angesäuselt. Auf einmal lag da vor uns etwas großes, dunkles im Schnee über die Straße; beim Näherkommen erkannten wir einen umgestürzten Anhänger vom Omnibus!, der muß wohl nun bleiben, bis es taut. Na, wir kamen glücklich ¾ 9 [Uhr] zu Hause an. Die Eltern hatten sich schon so gesorgt, die Mutsch vor allem. Doch ich hab hinterlassen, daß ich mit den Brettern wegfahren will. Sie dachten, ich läge irgendwo allein, verunglückt. Es war nur gut, daß wir Besuch hatten, da ist's nochmal gnädig abgegangen. Aber ich will auch nicht wieder so lang ausbleiben. Und mit Hilde fahr ich nicht wieder, die fährt mir ja viel zu langsam – da kann ich auch laufen. Man friert nämlich dann auch.

Es war auch bissel zu spät am Nachmittage für diese Tour, als wir aufbrachen – man möchte da schon spätestens um 1 Uhr losfahren. Hoffentlich schimpfst Du Deinen Bub nicht auch noch aus!? Herzallerliebster!! Ich mußte gestern abend dann gleich in´s Bett. Und da konnte ich Dir garnicht [sic] noch schreiben. Ja, Du! Wie ein ungezogenes Kind ham [haben] sie mich ins Bett gesteckt. Aber was zu Essen hab' ich trotzdem gekriegt! Sie waren ja so froh, daß ich mopsfidel wieder ankam. Glühwein hab ich trinken müssen, nach meiner anstrengenden Fahrt! Und Du!! Ich war ja so munter hinterher, daß ich es richtig als Strafe empfand, als sie mich ins' Bett jagten. Ich hab noch soo lange an Dich gedacht, mein Lieb. Ach, den ganzen Tag – Du!! Und auf der abenteuerlichen Heimfahrt, da hab ich immer Dich vor Augen gehabt, bin so ganz vorsichtig gewesen, daß Du nicht Angst haben mußt um Deine [Hilde], Du!!

In meinem Bettlein, da hab ich's mir erst recht überlegt, in welcher Gefahr wir doch waren miteinander – und ich habe recht dankbar meine Hände gefaltet und dem Herrgott gedankt, daß er mich behütet hat. Du!! Ich tu's nicht wieder, mein [Roland]! Und heute fahre ich überhaupt nicht.

Geliebter!! Du!! Am Sonntagmorgen kamen 2 liebe Boten! Vom Mittwoch und Donnerstag. Du!! Wie sehr hast Du mich glücklich gemacht!! Mit diesem Jubel an Glück, der mich innerlich so bewegte, bin ich hinausgefahren. Herzlieb!! Ich danke Dir aus tiefstem Herzen! Du!!!

Wie so unendlich lieb hast mich getröstet, mein [Roland]!! Ach, ich weiß: niemand liebt mich sowie Du! Du!!! Du bist doch mein liebster, allerliebster, bester, treuester Kamerad. Daß ich Dich habe, Dich! Wenn ich einmal verzagt bin; es ist bei Dir so viel Glück, so viel Seligkeit, so viel Geborgenheit. Du!!! Du hast mich auch lieb mit meiner Anlehnungsbedürftigkeit, mein [Roland]! Ich danke es Dir! Es macht mich so froh, Du!! Du mußt Dich manchmal auch anlehnen, mein Lieb. Doch Du bist ausgeglichener als ich, Du bist ein Mann - Du bist mein liebstes, bestes Mannerli und mein starkes, Du!! das ich brauche, ganz sehr brauche! Ach, mein Lieb! Wir haben es ja schon erlebt, wie beglückend es ist, wenn eins das and[e]re aus Liebe tröstet, wenn es ihm lieb zuspricht. Die Liebe ist wach füreinander.

Du verjagst mir alle Zweifel, Herzlieb! Ich muß nicht zag sein um unser großes Glück. Ich muß Dir ja glauben, was Du mir so lieb über meine Zweifel sagst! Es ist ja alles so einfach, schlicht und wahr, was Du mir sagst! Du findest immer die rechten Worte für mich, mein Lieb! Du kannst mich beruhigen. Du kannst mich überzeugen. Du!! Ich schau so gläubig, so vertrauensvoll zu Dir auf, mein [Roland]. Unser Glück. Aus Gottes Händen nehmen wir es.

Ach, daß wir das doch einen Augenblick vergessen können. Es ist die menschliche Schwachheit. Und der Herrgott hat mich doch mich finden lassen, daß Du mir helfend zur Seite stehen sollst in meiner Schwachheit, und daß Du mich immer wieder hinweisen sollst zu ihm, von dem alles Heil kommt. Ich fühle es – ja. Und ich bin voll Dank darum. Herzallerliebster! Demütig bleiben im Glücke und nicht aufhören, seine Gnade zu erflehen, das will ich mit Dir. Du, mein lieber, guter [Roland]! Ich bin Dir so sehr dankbar! Ich will mit Dir glauben und vertrauen – Du!!

Es ist nur die Trennung von Dir, die es mir oft so schwer macht, zu glauben und zu vertrauen. Ich  muß noch viel Geduld lernen. Der Herrgott wird mir auch in diesem Jahre die Kraft schenken, Dich froh zu erwarten; die Kraft auch schenken, Dir Sonnenschein und Frohsinn zu bringen, der Du ja so viel brauchst in der Fremde. Du!! Du!!! Liebster! Es ist so wundersam, wenn zwei Herzen zusammenschlagen; die Gedanken der Liebe, des Trostes und der Treue, sie kommen über uns, zu uns, ehe die Zeichen uns dessen versichern – Du!! Das kann nur so sein, wo reine, tiefe, echte Liebe das Herz ganz ausfüllt und so die beiden Liebenden zusammenschließt.

Du!! Mein geliebter, guter [Roland]!! Mein!!!

Du!! Hast mir auf all meine Fragen, „Gewissensfragen", treulich Red' und Antwort getan! Ich hab Dir verziehen, mein teurer Gemahl! Ich habe Dir verziehen!

Das vom Tanz, von früher – sowie auch das heimliche Tun in der Morgenstunde. Ich hatte gebangt, daß sich mir noch mehr enthüllen möchte! Du!! Lausbub!! Wart nur – ich näh' mir 'nen Schlafsack!! Aber mit Kapuze! Und Dich binde ich am Bettlein fest, ehe Du einschläfst, wie man's mit neugierigen, unruhigen, kleinen Bübchen tut! Damit sie keine Dummheiten machen. Dann kannst nur das Köpfchen drehen, kannst nicht hoch! Ätsch!! Dann siehst Du höchstens meine Stumpelnase, die Dich so belustigt und wenn Du dann zu lachen beginnst, da wach ich auf!! Und – versohle Dir den nackten Popo, Du!!!

Das können wir gleich mal probieren, wann Du heimkommst. Heimkommen will mein Herzlieb!! Du!! Du!!

Was Du in Deinem Brief mir sagst, das habe ich schon ein paarmal [sic] heimlich gedacht, Geliebter! Ich mochte es Dir nur nicht vorschlagen, Du! Ich hätte es so gut verstanden, wenn Du zuerst in's liebe Elternhaus einziehen möchtest! Und ich könnte doch trotzdem bei Dir sein und mich mit Dir freuen, mit Dir glücklich sein. Aber wenn Du zuerst zu mir heimkommen willst, Du!! Da machst Du mich ganz sehr glücklich! Dann ist es doch richtig, wie es bei Eheleuten sein muß: der Liebste kommt zu 'ihr' und wo 'sie' ist, da ist sein Daheim, sein Zuhaus, und so soll es doch auch bei uns sein, ja, mein Herz? Das eig[e]ne Heim, es steht ja noch nicht bereit. Aber mir ist jetzt immer, als bereite ich es nur Dir – Du!!! Wenn wir dann heim zu den lieben Eltern fahren, zu Besuch, miteinander, Du! Das wäre so schön – mit Dir zusammen! Aber, ich wollt' mit Dir zurückfahren, wenn Du wieder fort mußt, dann wollt' ich auch mit, Du!! Ja – ja, Du!!! Ich will Dich an Deinen Zug bringen, ich will bis zur letzten Minute um Dich sein – Du!! Und ich will dann auch nicht mehr Feiertag halten in Kamenz - ich will auch zurück in meinen Alltag – wie Du! Ich will wieder Arbeit haben dann, Du!

Herzlieb? Du? Soll's so sein? Ach Du!! Du!! Bloß noch 40 mal schlafen vielleicht – wenn Du Sonnabend's schon hier sein kannst. Du!! Wenn Du über Chemnitz kommst, hol ich Dich ab! Wenn nur bis dahin der viele Schnee weniger wird, Du versitzt sonst die Hälfte Urlaub auf der Bahn. Die Arbeitsmaiden aus Bargern [unklar] können nicht zurück jetzt! - Nun will ich noch Siegfried schreiben. Mein geliebter, guter [Roland]!! Du!! Komm, komm bald heim!! Ich warte voll heißer Sehnsucht Dein!! Du!!!!! Behüte Dich mir Gott! Bleib gesund und froh! Mein Herzlieb!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!! Geliebter!!! Mein liebster [Roland]!!! Ich bin in Treue immerdar, in inniger Liebe ganz, ganz Deine Holde. Du!!!

 

 

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946