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[OBF-410105-001-02]
Briefkorpus

Sonntag, den 5. Januar 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Ein trüber Sonntag ist heute. Ich lasse mich vom Wetter so leicht nicht irre machen. Aber es ist gut, daß ich heute dieses Päckchen abschicken kann, mit dem ich Dir eine kleine Freude machen möchte. Du wolltest Schreibpapier haben. Unser Kantinier ist eben jetzt ausverkauft in diesem Artikel. So habe ich in der Stadt gesucht – und nichts besseres gefunden, als was ich Dir nun schicke. Ich habe beides probiert. Es geht eben gerade.

Hast mich in einem der letzten Briefe gelobt als Kalendermann. Diesen Titel mag ich nicht unverdient tragen. Beim Kaufen kriegte ich immer mehr Lust.

Einen Kinderkalender sucht ich für mein Herzlieb, weil es die Kinder liebt. Ich dachte ihn mir noch hübscher und reichfarbiger. Mußt Dich mit dem begnügen. Sind ein paar sinnige Verse drin.

Dann entdeckte ich den Plischkekalender. Plischke ist bekannt durch seine Scherenschnitte. Die Drucke sind Wiedergaben solcher Scherenschnitte. Er ist Sachse, soviel ich weiß.

Und dann langte ich eben noch nach dem dritten. Man erkennt an diesen phantastischen, ornamentreichen Arbeiten die Handschrift einer Frau – ich vermisse an ihnen etwas mehr Ausdruck – aber sonst scheinen sie mir sehr beachtlich. Da haben wir nun wieder eine Menge zu begucken miteinander – ob wir dazu kommen in unseren kostbaren Stunden? Ach, ich glaub, Du, wir haben aneinander schon so viel zu gucken, soviel Glück und Liebe aus den Augen zu lesen. Aber Du! Die vielen Bücher und Bilder, sie bleiben unsre Weggenossen und kommen gewiß noch einmal zu ihrem Rechte.

Ja, und dabei nun die unvermeidliche Arbeit, Hemdeln und Höseln. Ich wollte ein bissel sparen, und nun sind sie so schmutzig geworden. Wenn Du mein Nachthemd beguckst: das hatte ich schon an, als Du noch bei mir warst. Dein Dickerle war ganz brav seitdem! Weißt, was eine unsrer ersten Friedensarbeiten ist, mir eine kleine, reichliche Wäscheausstattung zu schaffen. Wenn ich an die Deine denke! Es darf gar nicht vorkommen, daß da eine Sorte ausgeht oder zu lange auf dem Leibe bleiben muß.

Für Vater liegt wieder was Rauchbares bei. Nur Mutter geht wieder mal leer aus. Laß sie nur mit in die Kalender gucken.

Herzallerliebste! Behüt Dich Gott! Wenn Dich dieser Gruß erreicht, sind wir unserm Wiedersehen schon wieder ein gut Stück näher.

Du! Ich liebe Dich so sehr. Dein [Roland] bin ich, Dein!!

Geliebte! Meine liebe [Hilde]!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946