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[OBF-410104-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 4. Januar 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]! Du!!!

Du, ich glaube, die Post ist jetzt außer Rand und Band. Ist ja auch kein Wunder.: Neujahrsverkehr, Zugverspätungen wegen Eurem vielen Schnee, Alarme. Bei uns kommen jetzt täglich auch 2 große Postsäcke an, Weihnachtssendungen zumeist, viele Pakete schon beschädigt.

Ich bange ein klein wenig um die Waage, sie ist so grade in den richtigen Trubel gekommen. [A]lso Freitag hatte ich keine Post, heute keine – und als unser Kantinier abends kam (er holt sie uns immer ab von der Post) und sagte:"ich habe sie nicht mehr bekommen, sie ist schon von der Abteilung abgeholt worden["] – da bin ich selber losgegangen und ausgezogen, nach Deinem Boten auszuschauen. Ich wollte ohnehin zur Stadt, für Dich etwas Schreibpapier zu kaufen – da habe ich den kleinen Abstecher nach dem Kösterheim gemacht – ganz scharf bin ich gelaufen, Du!! als wollte ich Dich selber abholen – und meine Mühe wurde reich belohnt – für den Hubo war etwas dabei!!! Ach Du! Er bedeutet mir doch alles, Dein lieber Bote! Der vom Neujahrstag ist's. Ich weiß doch, daß Du täglich meiner denkst! Auch ich habe jeden Tag geschrieben. Wirst es ja sehen, wenn sie der Reihe nach sich einfinden.

Ach Du! Auf meinem Wege – und immer, wenn ich die Freiheit um mich fühle – wo anders könnten meine Gedanken sein, als bei Dir!! Bei 'Ihr', zu der zuerst sich meine Schritte wenden werden, wenn ich diese Freiheit ganz wiedergewinne. Du!! Du!!! Und in dieser Freiheit, wenn ich nur meinen Schritt fühle, dann finde ich mich desto schneller zu Dir, und desto inniger. An unsre seligsten Stunden dachte ich, Du!! Du!!! An die Stunde höchster Traute, unsres  Naheseins, wenn sich alles verschmelzen will, Du!! Du!!! Die Stunde der Erfüllung, in der alle Liebe gipfelt, gipfeln soll. Daran dachte ich – und weiter, daß Du nur eben mir Dich ganz verschenken willst, also an den Eigensinn Deiner Liebe. Du! Alle gute und echte und tiefe Liebe ist eigensinnig. Das eine begehrenswerte Ziel verfolgt sie blind und unablässig mit aller Schärfe; ein scharfer Strahl ist diese Liebe, kein stumpfer Kegel. Du weißt, Dein [Roland] ist ebenso eigensinnig. Ganz allein will er in Deinem Herzen wohnen – und ganz allein – und ganz allein auf Dich richtet sich seine Liebe.

Weißt Du: dieser Eigensinn, und das Wundersame und Einmalige dieses Strebens der Liebe hat ein Gegenstück: ebenso eigensinnig, ebenso zielstrebig bestimmt ist das Kindlein in seinen körperlichen ^u. seelischen Eigenschaften, das aus der Liebe zweier Menschen geboren wird; so einmalig, ein ganz eigenes Neues ist das Kindlein, in dem sich die Weisen Wesen zweier Liebenden verschmelzen. Und wenn zwei sich so ganz sehr lieben, da drängt ein Drittes, noch nie Dagewesenes ans Licht der Welt, ganz eigensinnig.

Herzliebes! Jedes gute Mädchen denkt, ob bewußt oder unbewußt daran bei seiner Wahl, daß es von diesem Manne ein Kindlein empfangen soll oder möchte, liebt im Manne schon das Kindlein. Ist das so, Herzlieb? Und Deine große Liebe zu mir ist zugleich Ausdruck des heißen Verlangens, daß gerade ich die Fackel sein soll, die das Leben in Deinem Schoße entzündet. Du!! Du!!!

Darum ist unsre Zweisamkeit, die Stunde letzter Erfüllung wirklich die Krönung des Lebens und der Liebe – ein Akt, dem an Weihe und Bedeutung nichts gleichkommt im Leben. Von höchster Weihe und Bedeutung: ein neues Menschenkind entsteht, ein Steinchen wird eingefügt in den Weltenbau, Schöpfer dürfen die Menschen sein einen Augenblick: wer möchte nicht zittern vor Erregung und Bewegung und Bedeutsamkeit vor solch hoher Aufgabe, wer nicht alle Kräfte spannen zum Gelingen dieses hohen Werkes? Und wer wollte darauf nicht rüsten, wenn er nun die Verantwortung und Bedeutsamkeit dieses Aktes weiß? Gewiß, auch die Tiere krönen so ihr Leben, die Pflanzen. Aber der Mensch allein hat den Willen zum Einmaligen, zum Besonderen, eben den Eigensinn der Liebe, und daher erhält jedes Menschenantzlitz [sic] seine eigene, besondere Prägung, stellt jeder Mensch etwas Besonderes, Eigenes, letzthin Unersetzliches in dieser Welt dar.

Und Geliebte!!! Die Stunde höchster Seligkeit!!! Das haben wir beide schon empfunden: Herzliebes! Die Stunde höchster Traute! Zwei sind allein! Ganz, ganz allein! Haben sich abgesondert von allen anderen Menschen innerlich und äußerlich und dafür ganz, so ganz, innig und tief einander zugewandt, innerlich und äußerlich: Da ist der heilige Bezirk und Bund der Ehe ganz sichtbar geworden – da erfüllt [s]ich die Liebe zweier Menschen. Wieder trägt das Weib sichtbar den größeren Teil dieser Traute: Vor dem einen vergißt es alle Scham – dem einen schenkt sie es sich hin und weiht es seinen Schoß — Aber auch des Mannes Liebe muß eigensinnig sein, wenn das Liebesglück vollkommen sein soll, auch er kann beitragen zu der höchsten Traute: fest und innig muß er sein Weib umfangen und einhüllen in seine ganze Liebe – seine ganze, ungeteilte Liebe muß er in des Weibes Schoß senken – und das kann er nur, wenn er treu ist, - und wahrhaft treu sein kann er nur, wenn seine Liebe ebenso groß ist wie die des Weibes sein muß, wenn es den Mann beschenken, wahrhaft beschenken will. Der treulose Mann ist ein Betrüger und Verräter. Herzlieb! Ich könnte Dein Geschenk nicht mehr annehmen dann – mein Auge könnte Dich nicht mehr schauen so freudenvoll – ich müßte versinken vor Schande. Das Weib verraten – zerbrochen den goldenen Ring der letzten, höchsten Traute – niemand kann ihn heilen – niemand nimmermehr! Das treulose Weib ist schamlos und schlecht: Es kann nicht mehr sich verschenken, kann nicht jemanden mehr beschenken – es hat nichts mehr zu verschenken - ich möchte es nicht mehr – ich möchte auch nicht mehr mit ihm zusammen leben.

Du!! Du!!! Herzlieb!! Hält uns[e]re Liebe stand vor diesem Spiegel?

Du!!

Dem Herrgott wollen wir danken dafür, und demütig, aber froh wollen wir es bekennen: Ja! ja!!!! Du! Du!!!!

Geliebte! Und ich weiß es, immer inniger und seliger wird sie werden, diese Stunde – immer fester wird sie das Band knüpfen zwischen uns – Du! Du!! Wie ich mich sehne darnach und darauf freue!!! Du und ich, wir werden nach dem Besten langen und streben und trachten daß wir es einfügen in diese Krone der Liebe als helle, lichte Steine.

Und auch die Weihe der Stunde spürten wir schon – Du!! Ich schrieb Dir schon einmal davon. Spürten sie auch schon im Spiel der Liebe. Denn Spiel ist sie noch; nein, doch schon mehr; Vorbereitung – Tausch unserer Liebespfande; Stufe zur Krönung. Herzliebes! Du! Ganz fein und leis wollen wir uns ein Zeichen geben – dann, wenn wir sie krönen wollen – Du und ich – wenn ich es anzünden soll, das Leben in Deinem Schoße – es müßte ein Tag gewesen sein, der uns irgendwie so erhoben und erschüttert hat, der unsre Herzen aufgeschlossen hat für das Gute und Edle – ein Tag, der nur weihevoll ausklingen könnte – Du! So habe ich schon manchmal gewünscht. Ob uns das gelingen wird? Schwer ist das, Du!!

Herzallerliebste! Es ist schon nach 12 Uhr. Ich muß zum Schluß kommen heute. Der Alarm hat den Abend verkürzt. Ich möchte nur noch eines vorbringen: Ist da auf Flur Bräunsdorf und Meinsdorf ein arg lieb[e]s Skihaserl herumgehopst, mutterseelenallein; und wer nicht gewußt hätte, daß es schon mal einer gefangen und beringt hätte, hätte denken können, es meine: „Fangt mich doch!" Herzlieb! Nur damit ich mal den Jäger spielen kann, kauf ich mir auch mal noch so paar Hasenfüße – und dann fang ich Dich - - und wenn Du Dich nicht willst fangen lassen, dann schieß ich Dich - nicht tot, ich will Dich ja nur einfangen! Du, was glaubst Du! wie Dein Jäger laufen wird, wenn er das liebe Skihaserl sieht, den Lauf seines Lebens läuft er dann!!

Aber nun zum Thema: Was ich dazu sage? Ich gönne Dir die Freude von Herzen. Sie läßt Dich Deinen Schmerz vergessen, sie macht Dich müde – und Du kommst an [d]ie Luft, und das ist gesund, wenn Du vernünftig bist und nicht bei beißendem Wind.[sic][^]fährst.  Herzlieb! Wir beide stehen nun so zueinander und unsre Herzen haben so gleichen Schlag, daß Du alle Sorgen fühlst, die ich fühlen könnte, daß Du dieselbe Verantwortung fühlst, die ich fühle. Deshalb will ich nur einen Rat und eine Bitte vorbringen: Wenn Du so allein fährst bei tiefem Schnee, hinterlasse der Mutter aufgeschrieben auf einem Zettel, wie Du fahren willst. Bitte tu das!  Und vom Freitag an sollst Du nicht mehr fahren, ehe Du nicht wieder ganz gesund bist!!

Meine liebe, liebe [Hilde]!! Gott behüte Dich!

Ich habe Dich so sehr lieb!! Ich sehne mich so darnach, diese Liebe mit Dir zu feiern – sollst mir in die Augen schauen – sollst Dich so ganz nah bei mir fühlen – sollst fühlen, daß ich Dir alle Liebe und Treue bringe – sollst fühlen, daß ich ganz Dein bin und daß ich so glücklich bin mit Dir, daß Du mir Erfüllung bist —

Und Dein [Roland]? Ach soviel reiche und köstliche Geschenke warten auf ihn – die ihm sein liebes, schönes Weib heimlich bewahrt und bereitet – dem geliebten Manne, mir!! Mir allein!!!!! Herzlieb! Geliebte!! Du!!!! Gott behüte uns!! Er führe uns recht bald zusammen, daß wir einander rechte Weggenossen sein können.

Herzallerliebste! Holde mein!! Gut Nacht! Gut Nacht! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich! Ich bin immer bei Dir mit meinen liebsten und heimlichsten Gedanken.

Dein bin ich! Dein [Roland]!!! Und Du bist mein!!

Meine liebe [Hilde]!!!

Du!! Du!!! Du!!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946