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[OBF-410101-001-02]
Briefkorpus

Mittwoch, den 1. Januar 1941

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]! Holde mein!

Eben komme ich von oben aus dem Bunker. Die ersten Schüsse sind gefallen im neuen Jahre. Es lohnt kaum, sich niederzulegen, weil mit neuen Alarmen zu rechnen ist. Der erste Tag im neuen Jahre ist verflossen – bis 12 Uhr gab es ein paar Kleinigkeiten zu tun in der Schreibstube. Nach dem Essen habe ich den Boten an Dich fertig gemacht und nach Eckernförde gebracht. Es ging ein scharfer Ostwind, es hat wieder ein wenig geschneit. Seitdem Du hier warst bei mir, gehe ich immer den anderen Weg, weißt, am Ställchen [v]orbei! Es ist hübscher und kürzer und – erinnert mich an Dich. Ohne einzukehren bin ich zurückgegangen, habe ein reichliches Abendbrot gehalten und mich dann niedergelegt bis gegen ½ 8 Uhr. Im Radio gab es um diese Zeit eine gute Jazzmusik. Kurz vor 8 Uhr begann dann der Alarm. Auf dem Weg habe ich mir ausgemalt, richtiger gerechnet, wie ich meinen Urlaub, den ich ja noch nicht habe, verteilen will. Du!! Soll ich erst nach Oberfrohna kommen? Du empfängst mich dann als meine Frau in dem Heim, das Du doch jetzt betreust, bereitest alles schön zum Empfang – – und dann [ko]mmt Dein Hubo! Ja? Du!! Ich denke, das ist schöner, als wenn Du mich in Kamenz empfängst, wo Du selber Gast bist. Du!! Schreib mir, wie Du lieber willst, ja?!! Und dann – reisen wir zusammen zu Besuch nach Kamenz – und mein Lieb braucht gar nicht zu frieren dann allein auf der Reise – kuschelt sich ganz dicht an seinen Soldaten – und wenn es ganz kalt ist, dann fahren wir 2. Klasse – und sonst. – suchen wir uns ein Ställchen ganz für uns! Ja? Du!! Du!!!

Denkst noch manchmal an unsre vielen, langen Fahrten auf der Eisenbahn? Ach, sie waren ja immer viel zu kurz! Du!! Die Eisenbahn ist ja das Element Deines Hubo. Weißt! Ich sehe mich noch immer stehen auf dem Balkon im Hauptbahnhof. Dort erlebte ich, was es heißt, sehnsüchtig warten, Geliebte! Und durfte Dir doch damals erst nur die Hände drücken und Dir in die Augen schauen – aber das Herz klopfte so wild, so wild – und dahinter wartete zitternd meine ganze Liebe und Verehrung – wartete so sehnsuchtsvoll hoffend – wartete auf die Stunde – daß sie einem lieben Menschenkinde entgegenschlagen dürfte. Ja, Herzallerliebste, Du! Das ist mir heute auf dem Wege klar geworden: Du hast meine Liebe nicht erst entzündet und angefacht – Du hast sie^aber gewonnen und ganz auf Dich gezogen. Du bist nun mein Himmelweib, Du bist nun die Erfüllung seines Bildes – und bist sie so ganz, Du!! Ich denke gar nicht mehr an dieses Bild der Sehnsucht – denke nur noch an Dich, Geliebte!! Du!!!! Du! Die Kameraden legen sich schon alle nieder. Es ist eine kurze Botschaft heute, aber Du sollst sie so lieb nehmen wie alle anderen. Herzlieb! Du hast mich ja ganz gefangen – Ich muss Dich ja so sehr lieb haben! Und brauche dazu gar keinen Rausch und Schnaps.

Herzlieb! Du! Die Saitenspiele unsrer Herzen – gibt es denn noch zwei, die so gut zusammen stimmen? – gibt es denn noch zwei, die so ineinanderklingen und =jubeln? Du!! Du!!! Hilde – Gottesgeschenk – Das bist Du mir – wundersam, wie Du mir geschenkt wurdest – wundersam, wie Du mich so liebhaben kannst – – – Du! Ich will Dich lieben – und festhalte[n] und verehren als ein Gottesgeschenk! Geliebte!!

Gott behüte Dich! Er segne unseren Bund!

Er schenke uns den Frieden und führe uns recht bald zusammen!

Geliebte! Bei Dir sein! Bei Dir!! Das ist mein fester Wille! Das ist mein einziger Wunsch, mein Sehnen, meine ganze Freude! Ganz fest halte ich diesen Kurs, nichts kann mich davon abbringen – kein Vergnügen, keine Versuchung – Tag und Nacht halte ich diesen Kurs – und wenn Gott uns nur beisteht mit seiner Gnade! – dann bin ich bald bei Dir!! Ja, bald bei Dir!!

Für immer!! Und ganz, ganz Dein!! Dein [Roland]!!

Du!!! Ich liebe Dich!!!! Herzlieb, Geliebte, meine liebe [Hilde]!!!!

Du! Ich küsse Dich!! Gut Nacht! Gut Nacht !

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946