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[OBF-401230-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 30. Dezember 1940

Herzlieb, Du! Meine liebe, liebste [Hilde] Du! Geliebte, Holde mein!

Du! Du!! Wie soll ich denn heute anfangen? Ich möchte Dir etwas schenken, Du!! Ich möchte Dich ganz glücklich machen, Herzlieb!! Dich erlösen!! Meine [Hilde]!! Mein liebes, treues, liebes, armes Weib! Du! Du!! Und Dein [Roland] kann Dir nicht helfen.
Er kann Dein junges Herz nicht beruhigen, kann Deinen Hunger nicht stillen. Geliebte!! Halt aus mit mir! Warte mit mir, lieb und fein, Du!! Du!!! Eher auf Urlaub? Herzlieb! Wenn wir jetzt nicht geduldig sind, müssen wir es dann vielleicht desto härter büßen. Herzlieb, die Zeiten unsres Wiedersehens, sie reiften in meinem Gefühl, in meiner Rechnung. Bisher mit einer seltsamen Zwangsläufigkeit — und der 16. Februar, ich lasse ihn nicht aus den Augen mehr, ich fixiere ihn — Du, glaube mit mir, daß es der Tag meiner Heimkehr wird! 2 mal mußt noch krank werden, 2 mal x die Rosen noch welken lassen im Gärtlein — aber dann, dann will Dein Hubo kommen und sie pflücken, dann will er sich einen ganzen Strauß schenken lassen! Meine liebe, liebste [Hilde]! Mir, mir allein blühen diese Rosen!!! Laß Dir danken, Herzlieb!! Laß Dich küssen und herzen und liebhaben von Deinem Hubo im Glück!! Du, Herzlieb! Wie soll ich es Dir denn danken? Glaubst Du denn, daß ich das alles verdiene und wert bin, Du? Glaubst denn, daß ich auch so lieb und treu zu Dir bin wie Du zu mir? Du!! Ein bissel anders muß es ja doch sein, weil ich ein Manderl bin, ein Bub, aber ein richtiger, weißt. Aber glaubst es Deinem Dickerle, wenn es ein Mädel wär, es wär so wie Du! Ja? Du!! Ich hätte ja nie und nimmer geglaubt, daß ich jemals ein so junges, liebes Mädel finden würde mit einem so heißen, altmodisch treuen Herzen, Du!! Ich habe manchmal geglaubt, so eines lebte mir noch in meiner Phantasie und Sehnsucht. Als ein unendliches Glück hat es mir vorgeschwebt, ein Menschenkind zu finden, das ich aus ganzem Herzen verehren könnte, und das mir die Treue, goldene, lautere Treue hielte. Und nun? Du!! Du!!! Bei einem Schulfreund, Alfred G., war ich zur Kirmes. Eine Cousine aus Gera war unter den Kirmesgästen, 12 Jahre alt, aber schon erblüht, sie wußte auch darum, graziös und für uns Jungen bezaubernd, sie tanzte mit im Balett des Geraer Theaters. Ich weiß heute noch, daß ich an ihr zum ersten Male die Verwandlungskünste des Weibes mit Hilfe seiner Kleider erkannte und bewunderte. Es war ein Erlebnis für mich, diese Kirmes. Und ein Glanz und Schimmer davon fiel in den Alltag des Schullebens, ein ganz reiner Glanz, und ich wollte ihn gern festhalten, und es beglückte mich, mit meinem Schulfreund, das Geheimnis, unser Erlebnis zu teilen, mich ihm mitzuteilen — und es betrübte mich so tief wie ein Verrat, als er es eines Tages mit einem dritten teilte. Warum ich das erzähle? Du! Ach, Dein Dickerle ist ein Narr! Damit Du ihm glaubst, daß er treu gesinnt ist. Ach Herzlieb! Ich weiß, Du glaubst es ihm doch schon lange! Ja, aber wenn Du mir auch so schöne liebe Briefe schreibst, dann werde ich eifersüchtig auf Dich, Du!! Du!!! Und damit wollt['] ich doch eigentlich beginnen. Danken wollte ich Dir für Deinen lieben Boten. Über eine Viertelstunde muß ich daran lesen — Geliebte, Geliebte! Und wieviel Süße ist darin!! Und dann war mir, als ob Du neben mir säßest; und alles um mich her, die Schreibstube, sie versank vor den lieben Worten, und ich fühlte Deine liebe Hand und hätte wollen weiter lesen und weiterträumen und Dich hören, als seien wir uns ganz nahe, Du! Geliebte, Ich danke Dir so sehr!! Mein Lieb!!! „Mein Herzblut gab ich darum, mein ganzes Mädchentum hängt daran, an diesem Symbol der Zweisamkeit". Herzlieb! Du! Jetzt möchte ich wieder bei Dir sein und Dir ganz tief in die Augen schauen — als wollte ich fragen: „Weißt Du es denn, glaubst Du, fühlst Du es denn, daß Dein [Roland] das recht ermißt und schätzt, Du!? Du!?!!" Liebste! Mein [Hilde]!! Und ich fühle es: Aus der Tiefe leuchten unsre Augen sterne [sic], und ihre Lichter münden in eines: tiefes, inniges Verstehen und Einssein, glückliches Verstehen und Einssein!! Geliebte!!! Du hast Dich mir geweiht!!! Du! Dein [Roland] wußte es und weiß es und ermißt es mit der ganzen Tiefe seiner empfindsamen Seele, mein Lieb!! Und so unauslöschlich die Spur dieser Weihe an Deinem Körper ist, so unauslöschlich ist in meinem Herzen, in meiner Seele die Spur dieses großen Erlebens, dieser Erschütterung, dieser Seligkeit, daß Du Dich mir weihtest. [G]eliebte! Liebe von Herz zu Herzen zeichnet den Menschen! Und diese Zeichen besiegeln diesen Bund der Herzen. Du!! Ich freue mich all der Zeichen, ich freue mich ihrer, ganz fern davon bin ich, sie zu verleugnen — und ich freue mich, daß Du sie magst, die Zeugen unseres Glückes, unseres Einsseins: Das Ringlein; und das Erfülltsein von Deinem Bild, das mich feit gegen alle Versuchungen; das mich in den Augen andrer Männer vielleicht als engherzig und beschränkt erscheinen läßt (ach, was gilt mir das schon!) — Und die Zeichen bei Dir? Herzliebes? Das Ringlein — und meine Kettlein und Ringe — und dann — Du! Der gesegnete Mutterschoß — und dann! — Das Kindlein!! Herzallerliebste!!! Wir freuen uns dieser Zeichen, weil wir uns unsrer Liebe freuen! Geliebte! Wenn ich ein noch sichtbareres Zeichen tragen dürfte, ich würde mich ganz sehr freuen. Mein Leben ist Dir geweiht! Herzallerliebste! Glücklich fühle ich mit Dir: Es gibt kein Zurück! Nur der Tod mag uns scheiden! Unsre Liebe ist uns[e]re Heimat — wer möchte sie verlieren und verraten? — welcher gute Mensch möchte sie nicht hegen und hochhalten? — welcher sie nicht verteidigen? Geliebte! Ganz gewiß bin ich Deiner Liebe! Ganz fest glaube ich daran, und kein kleinmütiger Zweifel kann diesen Glauben je erschüttern! Du! Mein einziges, herzliches, treues Weib!! Mein [Hilde]!!! Und wenn Du nicht ebenso an m[ich] glaubtest, Du könntest mich so nicht lieben, könntest so reich nicht beschenken, könntest so Dein Herz mir nicht erschließen. Herzliebes — und wenn Du noch eines starken Beweises brauchtest, eines seltsamen - - - laß es die Tränen sein von Deinem [Roland] — ja! Herzlieb! — Er hat in den letzten 20 Jahren nicht soviel vergossen als um unsre Liebe — Du!! — Erst vor Dir und bei Dir kann sein Schmerz sich lösen — bei Dir, Geliebte!! Weil Du mich ganz verstehst und ich mich vor Dir der Tränen nicht mehr schäme!! Herzallerliebste! Ich bin Dein [Roland]! Dein [Roland]!

Herzlieb! Einen Film sahen wir heute: "Hurra, ich bin Papa!" mit Heinz Rühmann in der Titelrolle. Es ist im Ganzen genommen ein zwielichternder Film, in dem um Ernstes, Erschütterndes Komisches gerankt wird — aus diesem Grunde muß man ihn ablehnen. Aber ich ließ mich erfreuen und erschüttern. Vielleicht kennst Du den Inhalt. Einem Mann, Lahanovo, Taugenichts, Genießer, bringt das Mädchen, das er einst betrog, das Kind ins Haus, 3 ½ Jahre alt. Das Mädchen entfernt sich wieder. In widerlich geschmacklosen Szenen wird nun gemalt, wie der Vater nach der Mutter sucht in seinem Gedächtnis, in seinem Fotoalbum — dazwischen aber bezwingende Bilder mit dem lieben Kleinen, der seinen Vater nun letzlich zur Besinnung und Umkehr bestimmt, daß er mit dem Jungen losfährt, die Mutter zu suchen. Der Zufall will es, daß im D-Zug alle drei zusammentreffen. Die Mutter wahrt ihr Geheimnis und nimmt die Stelle einer Pflegerin an bei dem Vater ihres Kindes. Herzliebes! Die Blicke des guten, betrogenen Mädchens trafen mich tief ins Herz — und dort, wo sie mit dem Kinde umging, da empfand ich alles Mutterglück, wie noch nie, — und ich sah, Dich, sah immer Dich, mit unserem Kindlein und empfand so tiefe Freude, Du! Ich glaube, es war Vaterfreude! Du!! Du!!!

Geliebte! Es ist ein so froher Abend heute. 2 Stunden saß ich ganz allein hier, erquickende Stille, Wachbatterie. Und nun durfte ich mit Dir plaudern — und nun soll ich Deine lieben Hände wieder loslassen.

Du fragst etliches.

Aus Schmilka ist noch keine Kunde zu mir gedrungen.

Die Kameraden am Geburtstag: L. ist der kleine schwarze, von dem ich nicht viel halte, weißt?

Magst noch mehr wissen heute? Ich weiß Dir weiter nichts zu berichten, als daß unser Chef in Urlaub gefahren ist und der Kamerad S. aus der Schreibstube. Da fällt mir ein Teil Arbeit mehr zu. Ich werds schon schaffen.

Ich bin froh, daß Ihr wieder glücklich heim seid aus Chemnitz. Der arme Pappsch muß seinen breiten guten Rücken herhalten immer noch — und andre werden reich dabei.

Herzliebes! Die Kameraden mahnen zum Schlafengehen — wir sind zu dritt heut[']. Dein [Roland] will sich niederlegen — ganz, ganz [f]roh — und so dankbar: Es geht mir so gut — und ich habe Dich, mein Herz! Mein Gebet will ich sprechen — will danken für den Reichtum dieses Tages — und will dann Deiner denken und rufen für den morgenden Tag — und will Dich und mich heut nicht mehr quälen mit süßen Gedanken — Du! Gott schenke Dir Kraft und Geduld!

Meine [Hilde]! Herzlieb! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!

Dein [Roland] ist so froh und reich und erfüllt von guter, reiner Freude! Du bist, die sie ihm schenkt! Du bist, der ich sie danke! Du bist; in deren Herzen sie widerhallt so reich und gut und [r]ein! Du, meine liebe, liebe [Hilde]! Mein Reichtum, mein Glück, mein Ein und Alles!!! Ich danke Dir und bleibe in Liebe und Treue Dein [Roland]! Dein!!! Mein Herzlieb!!!!

Bitte grüße die lieben Eltern.

 

x Du!! Du!!! 1 mal, einmal nur!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946