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[OBF-401229-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 29. Dezember 1940.

Herzallerliebster!! Mein [Roland]!! Mein lieber, lieber [Roland]!

[S]onntagabend ¾ 8 Uhr. Ich sitze unterm Lichterkranz und denke Dein. Wenn mich nicht alles täuscht, Du! Dann schreibst Du mir jetzt auch, ich spür es in meiner Linken! Du weißt ja wie das ist. Soviele Male ich [zu] Dir davon sprach hast Du mich ausgelacht, Du Böser! Und ich glaub doch daran.

Weißt woher ich vor einer Stunde gekommen bin? Aus dem Kino. "Julika", Paula Wessely spielte recht [g]ut die Rolle eines reinen, edlen und unschuldigen Mädchens vom Lande, aus ganz einfachem Stande. Ihr Vater war Paradekutscher am Herrenhofe eines großen Besitzes in der Donaugegend. Durch die Schuld seines Herrn fand er den Tod bei der Ausübung seiner Pflicht; sein Herr ging ebenfalls in den Tod dabei — beide verunglückten bei einer nächtlichen Fahrt mit dem Pferdegespann, eine Gewitternacht war es, sie kame[n] in den Fluten der Donau um, die über ihre Ufer getreten war. Der Sohn des Alten, ein Rittmeister in Garnisondiensten soll das Erbe antreten — er liebt seine Laufbahn — er will seine Uniform nicht mit dem Arbeitskleid vertauschen; denn das müßte er, das Anwesen ist heruntergewirtschaftet. Als er so die Leute seines Vaters um sich versammelt, um ihnen den letzten Lohn zu geben, sie zu verabschieden, da fügt es sich, daß er durch das Gespräch mit de[r] einfachen, verständigen Julika, der Tochter dieses Kutschers anderen Sinnes wird, daß er durch ihre einfachen Worte plötzlich erkennt was es heißt, sich die Heimat zu erhalten, durch seiner Hände Arbeit. Sie fangen klein an miteinander; ohne jede andre Hilfe, sie haben Erfolg in der Ernte, das Anwesen kann vergrößert werden. Die Zeit [ver]geht. Man sagt Julika Schlechtes nach im Dorfe, weil sie allein mit dem Rittmeister unter einem Dache haust; sie geht ihren Weg unbeirrbar weiter, sie kennt nichts als Arbeit, sie will ,ihm' seine Heimat erhalten helfen. Sie liebt ihn, aber das wird ihr erst bewußt, als er im Nachbargut mit der schönen, leichtsinnigen Komtesse schön tut, sie hat ihn ungewollt mit ihr ganz vertraut zusammen gesehn. Sie hält trotzdem zu ihm. „Dienen heißt seine Pflicht tun", die Worte ihres verstorbenen Vaters stehen ihr immer vor Augen, wenn sie einmal schwach werden will.

Er ist im Grunde seines Wesens kein leichter Bursche, er hat nur nach jahrelangem Mühen und Arbeiten plötzlich wieder einen Blick in die Welt da draußen tun können, durch das Auftauchen der schönen Komtesse, er unterliegt der Versuchung — er sieht die Vergangenheit hell wieder vor sich, die leichte, glanzvolle Zeit, wo er umschwärmt, ang[e]betet von Frauen in seiner schneidigen Uniform das Stadtleben genoß, das Gesellschaftsleben.

Er ist voll großer Pläne, er will sie heiraten, sie wollen gemeinsam schaffen — sie täuscht ihn, aus irgend einer Laune heraus - sie verspricht sich einem, der reicher ist als er. Alles stürzt zusammen.

Da sieht er vor sich Julika — in ihrer Jugend, in ihrer Unberührtheit und Reinheit, an ihr ist kein Falsch — sie ist dieselbe geblieben, sie steht treu bei ihm, noch immer — trotz allem. Sie hat ihn mit ihrer Treue und mit ihrer Liebe bezwungen. Er sieht wie erwachend um sich. Und als sie, wie immer, zusammen den Hafer einbringen, da nimmt er sie beglückt in seine Arme und — belohnt sie für ihre Liebe mit den Köstlichsten, was sie sich erträumt, er bringt ihr seine Liebe. — Es war ein netter Film. —

Heut morgen bin ich erst um 9 Uhr aufgestanden, Du! Es ist gestern abend doch noch ½ 1 [Uhr] geworden, ehe ich Deinen Brief zuklebte, und ich war so müde. Die Post blieb für mich aus heut, von Dir. Aber dafür hat mir ein lieber, alter Freund geschrieben! Herr Ernst K.! Er hat Dir im November ein Paket mit Brief [g]esandt und bekam es dieser Tage mit dem Vermerk: „nicht zustellbar" zurück. Er ist sehr enttäuscht darüber und er bittet mich, zu schreiben, ob Du wohl unterdessen eine neue Anschrift habest. Ich habe ihm diese Bitte natürlich gern erfüllt und ihm heute Nachmittag ein paar Zeilen geschrieben. Nun wird sich schon etwas rühren! Ich war ja heute bis nach dem Essen mit Papa allein, die Mutter blieb in Mittelfrohna über Nacht und hat auch mit unten zu Mittag gegessen: Karpfen. Bei mir gab es Kalbsbraten mit Blumenkohlgemüse und Apfelmus. Ich hab also meine Hausarbeit wie immer getan, Vater ist um 1 [Uhr] wieder zu Bett, er hat heut abend ab 6 Uhr Dienst. Dann habe ich noch an Tante Marie nach Kemnitz  geschrieben und nach Halle, dahin hab ich auch seit 4 Wochen nichts mehr gesandt, mußt ich do[ch] unbedingt zur Jahreswende mit gratulieren. Darnach legte ich die Wäsche, die ist nun endlich alle trocken[.] Mittlerweile war Mutter heimgekommen, sie hat tücht[ig] gearbeitet in der Küche, alle hätten zu essen haben wollen. Viel, viel Betrieb sei gewesen. Sie haben im Saal allein 600 M eingenommen! Gaststube und die Esserei [ga]rnicht gerechnet. Mutter hat 10 M bekommen für ihre Hilfe. Von mir sei kein Wort gefallen.

Nächsten Sonnabend ist wieder Tanz und Sonntag früh Markenausgabe, weißt die Lebensmittelmarkenverteilungsstelle. Ich weiß nicht, ob sie nun wieder runter geht, versprochen hat sie es ihnen noch nicht.

Mein lieber, guter [Roland]! Du! Was wirst Du denn heute angegeben haben? Warst auch mal aus? Du!! [J]etzt tobt draußen ein Schneesturm, das Licht wird immer mal dunkel, ich habe es angebrannt, weil die Kerzen heruntergebrannt sind. Ich bin froh, daß ich in der warmen Stube sein kann. Ach mein Lieb!! Du hast doch wohl keine Wache? Ich hab so sehr an Dich denken müssen, heut wieder den ganzen Tag, Du!! Ich sehne mich so nach Dir — und wenn Feiertag ist, da ganz sehr, Du!!! Hast Du heute das Wunschkonzert angehört? Ich hab nur d[en] Anfang gehört, Mutter sagt, es sei so schön gewesen.

Du! Die Hanni W. hat sich verlobt zu Weihnachten, mit dem Friseur. Ich habe ihr eine Schale hingeschickt durch meinen Vetter Gerhard, eine von meinen vielen, die mir persönlich nicht so gefällt. Ich mußte mich abfinden.

Du!! Mein Dickerle!! Jetzt will ich nun schlafen gehn! Du!!! Wer wird mein Bettlein angewärmt haben? Du!!! Mußt bald einmal kommen, ehe die Kälte vorbei geht! Du!! Heut werde ich wohl träumen von wogenden Ährenfeldern, von der Erntezeit u. die Bilder aus dem Film werden sich vereinen mit unserm frohen Ernteer[l]ebnis vom Sommer, Du!! Du!! Vom Sommer unsrer Liebe!! Du!! Wie schön ist er doch, der Sommer. Mit Dir in den Sommer hinein leben!! Geliebter!! Mein Sehnen!! Mein Glück!! Mein ganzes Leben bist Du!!! Du!! Gott behüte Dich mir! Mein treues, geliebtes Herz!! Ich bin Dein!!! Ich gehöre Dir für alle Zeit!!

Deine [Hilde]. Ich liebe Dich!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946