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[OBF-401226-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 25. Dezember [’]40.

Mein liebes, teures Herz!

1. Weihnachsfeiertag am Abend. Herzliebes! Was gibst Du wohl jetzt an? Sitzt vielleicht am Radio, wenn ihr es noch gekriegt habt? Heut gab es eine Festaufführung der Bohème von Puccini. Ich habe nur ein ganz kleines Stück gehört, herrliche Stimmen, und gerade wieder die Stelle vom kleinen Händchen! Ach Du! Was ruft diese Musik herauf an Seehnen und Süße!! Mein Tageslauf heute? Um 8 Uhr Wecken. Um ¼ 10 Uhr gemeinsames [F]rühstück: Belegte Brötchen, Bohnenkaffee. 10-12 Uhr: An Deinem [B]rief geschrieben. 12 Uhr Mittag: Rumsteak, Rotkraut, Pudding. Ab 1 Uhr Mittagsruhe. ¼ 4 Uhr weckte man mich zur Arbeit: Restliche Photoalben waren gekommen und mußten beschriftet werden. Um 5 Uhr bin ich nach Eckernförde gegangen, Deinen Brief zur Post zu bringen. Hinein im scharfen Gang — heimzu über den Bahnhof, besinnlich. Kurz davor erhielt ich Deine lieben Boten vom 22. und 23. Dezember. Von ihrem Glück bewegt, ging ich den Weg, den auch Du kennst. Es war ein milder, stiller, verträum[t]er Wintertag. Morgen vormittag will ich zur Kirche gehen, es predigt unser Kamerad Benn. Es ist noch recht lebhaft in der Stube. Ich will Dir deshalb erst mal Deine Fragen beantworten: Die Geschäfte zum Monatsersten: 1) Lebensversicherung, 1. Vierteljahr 1941, 8,35 M auf einer grünen Postscheckzahlkarte. Ich habe Dir wohl ein Muster gelassen. 2) Hanseatisch 1. Vierteljahr 1941, 2,40 M, durch Giroüberweisung. 3) Ehestandsdarlehen.

Wenn Du zum Zahnarzt gehst, brauchst Du keinen Krankenschein. Die Anschrift von Tante Maria, der Kemnitzer:

Frau Marie B., Dresden A. 39, Am K. 17.

die andere, die [Nordhoff]sche

Frau Marie P., Lauta-W[unklar] b. Dresden

Straße weiß ich nicht, kommt auch so hin.

Geliebte! Wie meine Gedanken und Empfindungen so gern nun alles kreisen, was Oberfrohna umschließt, Du glaubst es gar nicht, die Landschaft; alles, was ich da erlebte und zu Dir Beziehung hat; um die Straßen und Wege, auch die häßlichen Limbachs, um Euer Haus, und — alles war darin steckt. Ach Du, Geliebte! Wie das wohl kommen mag? Du! Weil ich Dich lieb gewann! So lieb!! Und nun ist all das Vergangene verklärt, überglänzt umwittert von all den köstlichen Heimlichkeiten, von unseren Hoffnungen und Empfindungen. Geliebte! Wieviel Glanz und Freude liegt auf meinem Leben, seit Du mein geworden bist! Und ich weiß, wo Du auch an meiner Seite schreitest, da ist es immer wieder so! Ach Herzlieb! Ich bin so froh und glücklich!

Ich wollte noch auf einen Gedanken aus Deinem Geburtstagsbrief eingehen, obwohl mir gar nicht so ganz zu Sinn ist dazu heute. „Du hast mich zu Dir heraufgeholt“. Herzlieb, das muß richtig heißen: „Du hast Deine Hand um mich gelegt.“ Heraufgeholt nach den Vorstellungen der Welt der Klassen- und Standesunterschiede. Ich lasse sie nicht gelten in diesem alten starren Sinne, Du weißt es.

Du, hier habe ich gestern abend aufgehört. Glaubst, daß ich keine Lust habe, an diesem Faden weiterzuspinnen? Weil ich so froh bin. Nur das noch: Es ist recht, daß Du Deinen Stolz nicht herauskehrst. Betonter Stolz ist falscher Stolz. Weißt Du, daß ich auf Dich ganz stolz bin? Stolz, was heißt das? Stolz, das ist die Empfindung vor den anderen; Wertschätzung, das ist die Empfindung vor Dir, sie ist viel wichtiger. Na, und die Aufzählung ersparst Du mir heute, ja? Ach Herzlieb, von uns[’]rer Liebe möchte ich reden. Viel lieber würde ich sie betätigen, Du!! Ich sehne mich so danach.

Du! Ich weiß gar nicht, was das ist, die Feder ist so unwillig heute, die Gedanken sind so scheu und lassen sich nicht einfangen. Ich glaube, die Müdigkeit hat mit Schuld daran. Gestern wurde es 1 Uhr, eh alles im Zimmer zur Ruhe kam. Und die Unruhe war so unfestlich, unheimlich, unfruchtbar. Gut, daß die Feiertage zu Ende gehen und die Burschen wieder eingespannt werden in einen Dienst. Eben habe ich ein wenig geruht nach dem Essen. Am Vormittag war ich zum Gottesdienst. Eine so kleine Festgemeinde, daß es Gott erbarmen möchte! Die Predigt gut, aber so resonnanzreich [sic] wie die unsres Predigers war sie nicht, konnte sie nicht sein. Nun ruhte ich wieder zum Gehen, wie gestern, nach Eckernförde zur Post. Dann, um 5 Uhr, hab ich mich mit den Kameraden H. u. L. verabredet, die ich zufällig auch am Geburtstag traf. Ich freue mich, mal an die Luft zu kommen. Es ist um Null, regnet u. schneit mal. Spätestens um 9 Uhr bin ich wied[’]r zurück. Morgen sind wir Wachbatterie, dann ist hi[’]r wied[’]r mal Ruhe.

Ach Geliebte! Wie ich mich sehne nach Dir, nach Deinem Heim, das Du wieder so schön bereitet hast. [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

Für wen? Ach, ich weiß, Du übst Dich, mich zu empfangen. Geliebte, Herzallerliebste! Vielleicht kommt noch ein [B]ote jetzt von Dir, es soll gleich die Post verteilt werden. I[c]h würde mich so freuen. Ach Du, meine Schrift wird immer schnell[e]r. Was ist das heute mit mir? Du?! Du!!! Du!!! Mit Dir ganz still zu sitzen und einer verlorenen Musik zu lauschen, die aus der Stille kommt und wieder sich in ihr verliert, was gäbe ich darum, Du! Du!! Herzlieb, sehnst Dich auch so? Ach Herzlieb! Brav warten u. uns gedulden.

Ich lieb Dich so sehr. Du! Du!! Ich bin Dein [Roland]!! Immer und immer, in unerschütterliche Treue! Gott behüte Dich mir. Du! Mein liebe, liebe [Hilde]! Mein Glück, mein Leben!! Du!!! Bitte grüß die lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946