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[OBF-401220-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 20. Dezember 1940.

Geliebter!! Herzallerliebster!! Du!! Mein [Roland], mein [Roland]!!

Du!! Dein Bote ist bei mir! Gestern nachmittag kam er noch, als ich schon garnicht mehr auf ihn hoffte — so spät. Mein [Roland]! Du!! Du!!! Antwortest mir nun endlich! Ich habe sie ja so sehnsüchtig erwartet, Deine Antwort, Du! Herzlieb! Mein [Roland]! Du freust Dich!! Du freust Dich mit mir!! Du!! Ach Du!! Wie glücklich hast Du mich gemacht! So froh, so von Herzen froh ging ich gestern abend zum Singen! Du hast meiner gedacht — Du! Ich habe es gefühlt, Du! Und genau um 8 an uns[e]rer Uhr war es, als ich den Schlucken ganz sehr hatte.

Liebster!! Ich habe Deinen Brief immer und immer wieder gelesen, ich wurde nicht müde, ihn zu lesen, Du!! Mich Ganz tief hineinversenken wollte ich mich immer wieder in Deine Freude, die ja auch meine Freude ist, Du!! So hell, so rein!! Du!!! Schau mir ganz tief in die Augen! Du mußt sie doch leuchten sehen! Herzlieb!! Ich könnte ihr ja garnicht [sic] wehren, sie zurückdämmen! Du!! Und jetzt, da ich Deine Freude dazu spüre — ach Du!! Du!!! Ich könnte Dir am liebsten um den Hals fallen vor Glück!!

Auch Du konntest es garnicht fassen, Du!! Daß es nun doch noch einmal eine ganz helle, lautere, lustvolle Freude sein soll, die uns bewegt. Auch Du hattest dich mehr nach der stilleren, ernsteren Freude hin bereitet! Du! Du!! Mein Herz! Wir haben es beide wieder ganz ernst und wichtig genommen mit unser[e]m Weg in die Zukunft — und es war doch so recht und gut, so wie wir taten. Hätten wir uns nicht so gesorgt, Du! Die Freude, die Gewißheit wäre uns wie ein unverdientes Geschenk in den Schoß gefallen. Hätten wir sie so von ganzem Herzen zu schätzen gewußt, dann? Nein — ich glaube es nicht. Du! Du!! Wenn wir beiden uns auch oft zu viel sorgen, und zu weit voraus denken — es hat auch sein Gutes, und wir festigen uns so immer mehr fürs Leben, wenn wir uns die Augen nicht verschließen. Und wenn es sich zuletzt doch wendet, und zur Freude hin wendet, Herzlieb, Du! Sind wir da nicht doppelt glücklich, als wenn dann das Leid auf uns stürzt — ganz unvorbereitet? Herzallerliebster!! Du!! Auch Dein Herz schlägt voll Dankbarkeit dem Herrgott entgegen. Und ist es nicht, als habe er uns beiden bei unserem Gebet bis auf den Grund der Seele gesehen? Ist es nicht, als habe er in uns das Bereitsein auch für die andere Seite erkannt? Daß wir nicht nur an unser junges Glück denkend, die größten Aufgaben und Pflichten zurückschoben, weit zurück, und nur darum ihn so innig baten um Erlösung, um die bessere Gewißheit? Er hat unseren inneren Kampf gewußt, er hat auch gesehen wie wir bereit wurden, alles auf uns zu nehmen, trotz Entsagung und Trennungsschmerz — aber weil wir nicht haderten mit unserem Geschick, weil wir vertrauensvoll zu ihm aufblickten und aus seiner Hand empfangen wollten, demütig, bereit, was er uns schickt. Liebster!! Der Herrgott hat in unser Herz gesehn — ich weiß es — und er hat uns lieb, uns beide, sehr lieb, Du — darum schickte er uns das Glück aufs Neue! Die Freude! Du! Du!! Wir wollen sie nicht leichtfertig feiern, unsre Freude! Dank, Dank sei ihm — wir vergessen das beide nicht, mein Herz!

Mein Lieb! Von der hellen, unbeschwerten Freude junger Liebender schreibst Du mir. Und Du fragst mich, Du! Ob uns beide der Gedanke noch angeht? Herzlieb!! Geliebter!! Was sind denn hier Zahlen? Dürre, nüchterne Alterszahlen? Das Herz! Das junge, liebende Herz zählt hier nur!!

Du!!? Du!!!? Wollen wir’s auf eine Probe ankommen lassen, wessen Herz jünger ist, in der Liebe, im Leben?

O Du! Da muß ich doch mit Bange an mein Resultat denken! Ich denke dabei an unser Wiedersehen in Barkelsby, Du!!

Du warst mir ja so über! Du!!! Du hast ihn ja ganz leer geschöpft, den Brunnen meiner Liebe!!! So hab ich Dich noch nie geseh[’]n, Du!!! Mein Lieb!! Und doch war ich so sehr glücklich, so selig müde, wenn Du auch es warst, der als Sieger hervorging Du!! Du!!! Ach mein [Roland]!! Leise, ganz schmerzlich und leise drängte sich mir der Gedanke in den vergangenen Tagen immer wieder auf, der auch Dich bewegte. Du!! Du!!

Und auch ich verschloß ihn wieder in’s Innere — ich wollte es Dir nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon geworden wäre. Sie sollte schon zu Ende sein, die glückliche Zeit uns[e]rer jungen Liebe, die köstliche Zeit des Sichverschenkens? So kurz, ach so kurz war sie doch erst. Mein Geliebter!! Wir haben einander so unendlich lieb, Du! Was läge denn näher, als dieser eine Gedanke, der uns so ganz beseelt und erfüllt? Und wir müssen ihn auch nicht schamhaft verbergen voreinander, Du! Ach, was der Mund auch verschweigen will — die Augen, die Augen, Du! Sie verraten es uns einander doch! Du!!! Herzlieb!! Mein [Roland]! Auch ich sehnte mich so sehr, daß wir uns in dieser unbeschwerten Freude seligen Umfangens immer inniger noch zusammenleben dürften. Ach, es war mir so schwer um’s Herz, wenn ich daran dachte. Du!! Du!!! Und wenn ich's Dir nun heute beichte, Du, was ich Dir verschwieg, mein Herz! Du wirst mich verstehen können, ja? Wie auch ich Dich verstehen kann, Du!!

Er öffnete sich uns beiden ja doch zum ersten Male, der Himmel der Liebe, Du!!! Und so schnell sind wir nicht schon müde, in sein strahlendes Licht zu schauen! Du!? Du!? Mein [Roland]!!! Ich bin noch lange, lange nicht müde. Und Du? Herzlieb? Muß ich denn fragen? Du!!! Du sollst mich noch viele Male glückhaft erlösen, Du!!! Ich muß Dich immer lieber gewinnen, immer lieber gewin[ne]n dann, Du!! Und das ist so schön, so unsagbar schön!!! Ich will Dir so gerne so viel Glück und Liebe schenken, mein [Roland]! So viel ich nur habe, Du!! Du sollst ganz, ganz glücklich und froh sein mit mir, Du!!!

Du freust Dich mit mir, mein Herz!! Du freust Dich!!! Du beseitigst alle Sorgen, die ich hatte,: um unseren Kindlein schon eine rechte Mutter zu sein. Du bist so lieb, so gut! Und aus Deinem Munde, von Deiner Hand, ich glaube Dir, nur Du kannst mich überzeugen, nur Du kannst mir Mut und Kraft schenken. Doch der Kummer über das Alleinsein, der bedrückte mich wie Dich, Du! Es wäre so schmerzlich gewesen, aber wir hätten hindurch müssen, Du! Und es wäre uns auch gelungen — ja. Daran zweifle auch ich nicht. Du!

Aber so ist es besser — so ist es besser, mein [Roland]!

Er ist mein Herzenswunsch, der Wunsch uns[e]res Kindleins, so wie es auch Deiner ist. Und er wird auch weiter in mir wach bleiben, Du! Aber ich will ihn ganz tief im Herzen hegen, bis — bis wird sich der and[e]re Wunsch erfüllt haben: Unser Heim — und Frieden. Du!! Dann wollen wir beginnen, froh uns zu bereiten und zu rüsten auf unser Kindlein! Dann hat es ein Heim, einen lieben Vater und eine glückliche ganz, ganz glückliche Mutter. Du malst mir dieses glückliche, frohe Leben, daß wir dann gemeinsam beginnen in so warmen, schönen Farben aus, Du! Daß ich es kaum noch erwarten kann, bis es endlich soweit wird sein! Du!! Ich sehe es schon manchmal ganz deutlich vor Augen, das Bild: Unser Heim! Darinnen wir! Wir!! Allein!, nur wir!!!!! Herzlieb!! Das ist soviel Freude noch und Seligkeit, die uns[e]rer wartet! Möge sie uns der Herrgott gesund und froh erleben lassen, mein [Roland]!!!

Der Traum, unser froher Traum vom häuslichen Glück, vom freudigen, rüstigen Beginnen, er soll noch nicht zu Ende sein? Du!! Du!!! So fragst Du mich!! So Gott will! Nein! Du!!!

Ich freue mich mit Dir!! Ich bin dankbar mit Dir!! Herzlieb!! Du!!! Daß Du so froh in Dein neues Lebensjahr gehen sollst — so froh das Weihnachtsfest begehen sollst! Das macht mich ganz besonders glücklich, Du!! So viel Sorge und Unruhe wird Dir nun erspart bleiben, es ist so gut, so schön, Du!! Ob Dich denn am Sonntag, an Deinem Festtag mein Paket erreichen wird? Ich wäre traurig, wenn es nicht pünktlich wäre, Du! Und der Geburtstagsbrief steckt doch mit drin! Ob Du denn wenigstens auch ein bissel Freude hast dann an diesem Brief, Herzlieb? Ich denke aber, daß alles ankommen wird, ich habe das Geburtstagspaket am 12. Dezember früh abgeschickt, 10 Tage? — an eine Privatadresse — nicht Feldpost! Wir werden’s erleben, Du!!

Und wenn es doch später kommt, Du freust Dich auch noch, ja?? Nimm hier noch einmal meine innigsten Glück- und Segenswünsche zu Deinem Wiegenfeste, mein Herzlieb! Der Herrgott behüte Dich mir und lasse Dich gesund zu mir heimkehren! Ich denke in treuer, inniger Liebe Dein, am Sonntag, Du! Und ich schicke Dir hier einen ganz, ganz lieben, langen Geburtstagskuß!!!!!

Nächstes Jahr! Du!! Da will ich Dir keinen Tintenkuß schenken Du?!! Da muß es ein echter sein!! Und wenn noch, noch kein Friede ist, Du!! Dann sag’s ihm nur immer, Deinem Chef: Die treue, brave Mutti befiehlts’!

Mein Lieb! Du hast eine Waage für uns?? Du!! Schon a[bg]eschickt? Wie ich mich freue, Du!! Und wie werden Mutsch und Papa gucken! Du!! Bitte! Bitte kaufe mir nicht soviel!! Du!!! Ich kann Dir doch auch nichts mehr schenken zum Fest!! Und da will ich auch nichts haben!! Du!!! Du vertust mir alles, bis auf den letzten Pfennig und dann kannst Du womöglich nicht heimfahren zu mir!!!? Aus dieser Sorge heraus hab ich Dir nun heut das Geld gleich abgeschickt! Hoffentlich bekommst Du’s auch!. Also: Aufheben fürs’ Fahrgeld!!!!! Du!! Du!! Geliebter!! Daß wir so glücklich sein dürfen!! Daß wir uns so reinen Herzens noch freuen dürfen, daß nichts zwischen uns steht und in uns ist, was die Seele bedrückt. Es ist soviel Gnade und Glück! Du!! Wir wollen uns dankbar freuen, mein geliebtes Herz!! Du!! jetzt muß ich erst mal aufhören — ich hab mich schon zu lang verplaudert!! Was wird Mutsch denken, wo ich mit meiner Arbeit noch stehe? Ach was — Arbeit! [Roland]! [Roland]! Heißt das Wort, worum sich’s hier noch dreht! Du!! Niemand kann mich verstehen — niemand, als einer! Einer!! Und ihn liebe ich! Liebe ich aus ganzem, heißem Herzen!!! Du!! Mein Glück!! Mein Leben!!

Gott behüte Dich mir! Ich liebe Dich!!! Ich bin in Treue

ganz in alle Zeit Deine Holde, Dein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946