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[OBF-401218-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 18. Dezember 1940.

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]! Holde mein!

Geliebte! Die große Freude erfüllt mich noch ganz. So wie Dir ist's friedlich in mir geworden. Wie ein Druck ist es von mir gewichen. Ich habe ihn wieder und wieder lesen müssen, Deinen Glücksboten, Du! Es ist doch wie ein Wunder! Und Dein Traum zuvor so seltsam. Und Erlösung brachte er uns beiden.

Ich weiß es nun, daß auch Du befreit, froh und dankbar aufgeschaut hast. Alle Sorgen hast auch Du gesehen. Geliebte! Zu der Gewalt dieses Erlebens wäre eine bedrückende Enge der Verhältnisse gekommen: Die Sorgen, die vielen Sorgen, deren meiste dann schwinden, wenn wir gemeinsam in Ruhe im eigenen Heim dem allen entgegensehen könnten. Geliebte! Es ist eine große Gnade, daß es so sich fügte! An die Geburtsstunde unseres Kindleins, wie wir es dachten, habe ich noch oft gedacht. Habe mir überlegt, ob wir auch recht bereitet waren, innerlich und äußerlich. Liebste! Die Verantwortung ist so ungeheuer, wenn man es bedenkt. Und wer denken kann, dem ist es Sünde, wenn er nicht bedenkt, wo er es müßte. Was gibt es Bedeutsameres, als die Geburtsstunde des Kindleins? Du besinnst [Dich], daß ich [zu] Dir schon einmal davon sprach. Wir werden uns noch davon [sic] unterhalten. Als ich alles so bedachte — einer Verfehlung war ich mir nicht bewußt — wir hatten nicht getrunken, wir umfingen einander in großer Liebe — aber innerlich ganz bereit waren wir doch beide nicht — ich war es nicht. Noch bannt mich die Stunde des Naheseins ganz anders, Du!! Noch brennt die Flamme der Liebe nicht ganz rein, sie kann es noch nicht, sie ist ja eben erst angezündet, Du!

Freilich, wir möchten noch soviel bedenken, wenn Gottes Segen dazu fehlte, es wäre doch vergebens. Aber er wird nur segnen, worum wir uns mit allen Kräften mühen.

Geliebte! Daß uns die Stunde innigsten, tiefsten Vereinens noch bevorsteht, Du!! Ich habe sie heute erst richtig gelesen, Deine Frage, Geliebte!: Ob Du wohl mir die rechte Mutter seiest? Geliebte! Herzallerliebste! So wahr ich Dir näher war in unseren Tagen, Du! näher als je zuvor — so gewiß Du fühlst, daß ich Dich lieb gewonnen habe, so lieb, Du!, daß ich Dich Liebe [sic], wie kein andrer Dich so leicht lieb gewinnen mag — so teuer und heilig ist mir Dein Schoß — von wem möchte ich mir lieber ein Kindlein schenken lassen als von ihr, die mich allein in ihrem Herzen wohnen läßt? In welchem Schoß wäre es geborgener als in dem ihren, die so reich ist an Liebe? Herzallerliebste! Und was Dir noch fehlen möchte bis zur ernsten Mutterpflicht, und wie lange es noch sein möchte bis dahin? Geliebte! Nichts fehlt Dir, wenn wir be[i]einander sein können für immer, Du!! Und keine Stunde, keinen Tag brauchten wir dann zu warten, Herzliebes! Was Dir fehlt? Das besitze ich. Und was mir fehlt, das besitzt Du! Du, Geliebte! Weißt Du, wie sehr ich mich freue, immer um Dich zu sein? Wir [sic] ich mich sehne, daß wir einander ergänzen! Wie ich mich sehne, von Deinem Wesen, dem Wesen meines lieben Weibes, umstrahlt zu werden und mit meinem Wesen es zu umstrahlen! Geliebte! Wieviel Glück wartet uns[e]rer! Gott segne es in Gnaden! Du!! Du!!!

Du! Nun will auch mich ein Schimmer der seligen Weihnacht treffen. Laß Dich recht erfüllen davon, mein Herz! Winter ist bei Dir! Und so kalt! Halt es schön warm, Dein liebes Herzel! Bei uns ist alles kahl. Montag hatten wir etwa 6° Kälte. Es gab Glatteis, und seit 2 Tagen ist es tückisch rauh und unfreundlich. Aber ich sitze warm, Du! Am Montag war ich so wie Du unterwegs in der Stadt. Von meinem Kauf habe ich Dir schon geschrieben. Ich freute mich der Gelegenheit, die Waagen waren frisch eingetroffen. Es war viel Leben in der Stadt.

Über Deine Einkäufe freue ich mich. Ich werde gern einmal nachschauen, was Du gewählt hast, und wieviel Freude Du damit gestiftet hast. Frau P. war mit ihren Töchtern am Sonnabendabend im Lager — ich go kann von meinem Mondscheinmarsch heim — [a]ls ich sie sich eingehakt, geräuschvoll und wankend von einer Verrichtung in die Kantine bewegen sah — kein feiner Eindruck in dieser Umgebung — ich begrüßte sie kurz und freundlich — und Mutter P. berichtete erfreut von Deiner Sendung. — Heute schrieben Vater und Mutter. Siegfrieds Urlaub ist am Sonntag zu Ende gegangen. 3 Tage hatten die Eltern zwei ihrer Jungen zu Hause. E. war da, sie haben viel erzählt, gelacht, geschlafen und gegessen. Ich gönne es ihnen von Herzen. Ich freue mich mit denen, die jetzt auf Urlaub fahren [k]önnen. Und Geliebte! Die Tage meines Urlaubes, sie rücken näher! Nur erst den alten kalten langen Januar vorbeilassen. Er steht schon im Zeichen der aufsteigenden Sonne.

Herzliebes, die Zeit ist wieder um. Glaubst mir das? Du!! Ich bin ein richtiger Schreiber jetzt von früh bis abend, vom Erwachen bis zum Schlafengehen. Und ich habe des Abends nicht eher Ruhe, als bis ich vor meinem Bogen sitze, um mit Dir zu reden.

Für heute Lebwohl, Geliebte! Gott behüte Dich! Halte Dich brav und werd mir bald gesund. Laß Frieden sein in Dir! Und die Weihnachtsarbeiten, laß sie ruhig herankommen und übernimm Dich nicht mit ihnen, es ist alles so unwichtig und nicht wert, daß wir uns dabei übernehmen. Aber wichtig ist, daß es Weihnachten wird in uns. Geliebte! So glücklich bin ich, weil ich Dich habe! So geborgen fühle ich mich mit Dir! So eins fühle ich mich mit Dir — wie mit keinem Menschen sonst auf dieser Welt. Ich bin in Liebe und Treue Dein [Roland]!

Dein so ganz!! Unverlierbar!! Liebste! Ganz Dein!!!

Und Du bist mein!! Mein!!! Meine liebe [Hilde], Du!!

Bitte gruße mir die lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946