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[OBF-401211-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 11. Dezember 40.

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]! Holde!!

Du! So schnell läuft unser Bote jetzt! Schon habe ich wieder Antwort auf meinen Sonntagsbrief. Daß er Dir Freude brachte, beglückt mich, mein Herzlieb! Frauen auf dem Barbarafest? Keine einzige außer der Heiligen Barbara selber, und die sah gar verführerisch aus, eine reife, volle Ger[m]ania mit einem reizenden Kirschenmund — war aber leider ein verkleideter Soldat.

Ach Du! Und wenn? Welche vermöchte die tausend Bänder zu lösen und zu entwirren, die um uns geschlungen sind? Welche vermöchte den Anker meines Schiffleins aus dem festen Grunde Deines Herzens zu reißen? Du!! Du!!! Eine hat mich erlöst. Eine hat mein ganzes Vertrauen gewonnen. Eine hat mit ihrer Liebe und Treue das scheue Tierlein meines Wesens eingefangen und sein ganzes Zutrauen erworben. Eine hat hat [sic] mit ihrer Zauberkraft die Quellen meines Wesens angerührt — und nun springen und strömen sie zu ihr, unaufhaltsam, immer stärker, Dank und Liebe und Treue und Sehnsucht und alle heimlichsten Gedanken — zu ihr, all zu ihr. Und so jung und weit und reich ist ihr Herz — mag soviel Liebe fassen und soviel Liebessehnen stillen! Und ist so reich und königlich zugleich: mag so viel zu schenken — und ich werde mein Lebtag nicht fertig und müde werden, mit dem Besten und Edelsten ihm zu dienen — ein ganzes Leben lang.

Meine [Hilde] bist Du!, bei mir, vor den Menschen, vor Gott! Du weißt, was starke Riegel das sind an unsres Glückes Tür, niemand vermöchte sie zu sprengen: mein Jawort! mein Ehrgefühl! mein Eid vor Gott! Kennst Du meinen Eigensinn, Geliebte, meine Anhänglichkeit, meine Treue, mit der ich von Kind an das meine behauptete und hielt und hegte — vo[m] Spielzeug angefangen? Wer Dich von mir risse, der fügte mir namenlosen Schmerz zu, der zerrisse mein Herz! Du!! Solange Du noch auf dieser Erde wärest — ich würde Dich suchen müssen, müßte mich verbluten vor Schmerz und verzweifeln an dem Unfaßbaren, Unverständlichen. Keine Freude vermöchte diesen Schmerz zu lindern — nichts brächte mich dazu, noch einmal Ja zu sagen zu diesem Leben. So unfaßbar und unverstän[d]lich mir das wäre — so unmöglich und unvorstellbar, mich von Dir zu scheiden, mich auch nur innerlich von Dir zu entfernen. Dich verlassen? Du! Dich allein lassen? Geliebte! Dich lassen, versinken lassen in Schmerz und Trauer und Verzweiflung? Meine [Hilde]! Meine liebe, liebe [Hilde]!! Ich bin Dein [Roland]! Dein! Für dieses ganze Leben, ja, Du! Und Du bist meine [Hilde], für dieses ganze Leben, ich weiß es! Du! Wie fest wir einander halten! Du!! Du!!! Geliebte!!! Herzallerliebste! Ich warte mit Dir, Du! Spürst Du es, wie ich bei Dir bin und mit Dir warte? Unruhe des Wartens ist in mir. Ich kann keinen Gedanken fassen heute, als Dir sagen und Dich gewiß machen, daß ich Dein bin, daß Du mein bist — daß ich zu Dir stehe, froh und bereit, Dich zu schützen, Dich einzuhüllen in meine Liebe, für Dich einzutreten mit meiner ganzen Persönlichkeit — bereit, Dir Halt zu sein, Dir Kraft und Stolz und Selbstbewußtsein und Freude einzuflößen.

[G]eliebte! Unruhig müßten wir sein beide, wenn wir die Tür nicht wüßten, an der wir anklopfen dürfen, wenn wir die Hand nicht wüßten, die wir ergreifen dürfen, wenn wir schwach werden. Du! Ich bin zuversichtlich, was auch kommen mag. Sei Du es mit mir!

Gott behüte Dich! Er segne unseren Bund und lasse uns gute Früchte bringen!

Mein Herzlieb! Ich warte mit Dir! Dein [Roland]! Ich streiche Dir zärtlich über Dein Köpfchen — froh und glücklich und dankbar fühle ich mein Liebstes und Kostbarstes, Dich, meine [Hilde]!! Froh und glücklich spüre ich den Schlag Deines Herzens: es schlägt zu mir. Und uns[e]re Augen spiegeln die grundlose Tiefe uns[e]rer Liebe! Ich liebe Dich! Du! Ich liebe Dich aus tiefster Seele! Ich bin immer bei Dir! Dein [Roland]! Ganz Dein!! Und Du bist mein Herzlieb, meine [Hilde]!!!

Bitte grüße die lieben Eltern!

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Einordnung
Hilde Nordhoff auf einer Wiese, warm gekleidet mit Handschuhen und Hut.

Ba-OBF K01.Ff2_.A16, Hilde Nordhoff, 1940, Barkelsby, Fotograf wohl Roland Nordhoff, Büttenrand weggeschnitten.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946