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Briefkorpus

Freitag, am 6. Dezember 1940.

Herzallerliebster!! Mein [Roland]!! Mein lieber, lieber [Roland]!!

Vor acht Tagen rückte unser Abschied immer näher – Du – weißt Du noch? So wenig Zeit erst ging darüber hin – aber mir ist zumut, als hätte ich Dich schon so lang nicht mehr gesehen – Du – glaubst, Herzlieb?, ich hab schon wieder ein bissel Sehnsucht nach Dir, Du!! Aber ich will dieser Sehnsucht nicht nachhängen – ich würde mirs' schwer machen – Du – das Warten. Und ich wäre ein ganz undankbares Geschöpf, wollte ich – und sei es nur im kleinsten Winkel meines Herzens – hadern mit meinem Geschick, daß wir noch immer nicht ganz umeinander sein dürfen. Wir haben das große Glück gespürt, mit unserem Herzschlag; wir haben uns das große Glück aus den Augen gelesen – Du!! Du!! Es war immer und überall mit uns, Herzlieb!! Das wissen wir beide. Und es ist auch heute noch mit uns – vielleicht nicht mehr so sichtbar in all seiner strahlenden Helligkeit, wie in den Tagen, da wir beisammen waren – aber wir fühlen es in uns und auch um uns – Du!! So froh, so ganz froh fühle ich es, mein [Roland]!! Viel inniger und fester noch hänge ich an Dir – Du – wie kommt es nur? Du? Weil Du mich so lieb hattest – Herzlieb – so lieb - und weil ich Dir die Liebe, Deine große Liebe zu mir deutlicher als je zuvor aus Deinen lieben Augen strahlen sah, Du!! Und weil – weil Du mich erlöst hast!! Du!! Weißt Du denn, was das bedeutet? Herzlieb!! Weißt Du denn, was Du mir damit schenkst?

Ach – Du! Dafür sind doch alle Worte viel zu gering und zu kalt, um Dir meiner Seligkeit Ausdruck geben zu können.

Am besten kann ich Dir danken dafür mit meinem Gegengeschenk, Du!! Und da braucht es der Worte nicht – Du – wir verstehen uns ja so ganz, mein [Roland]!! Geben und nehmen – es macht beides gleich reich und glücklich, es ist beides gleich süß und beseligend, und es verschmelzt unsere Seelen immer inniger miteinander.

Die Liebe, so sündhaft schön sie ist – man möchte sich bangen vor ihr – so groß und gewaltig greift sie doch ein in das Leben zwischen Mann und Weib. Und es ist so wichtig, zu wissen und zu fühlen: auch in dieser Liebe seid ihr eins – ganz eins.

Wir Menschen sind sündhaft – darum hängen wir an dieser Liebe – und ich bin gewiß, wir beiden werden nie die sinnliche Lust in ihr sehen und Oberhand gewinnen lassen – nein – wir denken an den tiefen, großen, ja heiligen Sinn der Liebe, der sich uns ja einmal offenbaren soll – Du!! Das ist doch unser Herzenswunsch! Und wenn ich so an all das denke, das uns fest verkettet, zusammenhält – nicht nur das Einssein in der Liebe – all das viele, andre Schöne, was das Leben erhöht, bereichert; all das, was uns in den Tagen unseres Beisammenseins an Erleben, an Wünschen über die Lippen floß, uns verband und gemeinsam vorwärts schreiten ließ – in Gedanken und in der Tat – wenn ich an all das denke, Du!! Dann kann ich ganz stille sein in mir und kann warten – beglückend froh in dem Wissen um unser Einssein kann ich warten, wie ein Mensch [n]ur warten kann, der aufn [siehe Ausschnitt aus dem Brief] die höchste Erfüllung seines Lebens glaubt.


Dieser Glaube gibt auch Kraft, Herzlieb – und die brauche ich auch. Du fühlst unser Glück wie ich auch, Du! Und es erwächst auch Dir die Kraft, alles zu ertragen, was das Dasein beschatten will – dessen bin ich froh gewiß, Du!! Du sagst es mir immer wieder, auch in Deinen lieben Briefen. Und ich will mich auch nicht so sehr sorgen um Dich, Du!! Wie Du mir wünschst, mein Herz, daß mich das Glück unserer Liebe wärmen und durchsonnen möge, so wünsch ich das auch Dir von ganzem Herzen!! Du mein Leben!! Herzallerliebster! Nun habe ich heute bereits den zweiten Brief von Dir in Händen! Heut früh der vom Dienstag, nachmittags den vom Mittwoch. Du! Sei recht herzlich bedankt, mein [Roland]!

Ach Du! Ich hab doch ein wenig aufgeatmet, als ich über die ‚Scheingeschichte' las! So ist es nun – man verrennt sich oft in einen Gedanken und 's ist doch anders! Weiβt noch, wie ich im Zimmer droben immer begann mit nachrechnen? Und ich ließ mich auch gleich beschwichtigen von Dir: „nein nein, der Schein ist bei mir zu suchen!" Ich glaub mich besinnen zu können: daß du nochmal unten beim Portier warst um zu zahlen u. er nahm es aber nicht an – u. ich habe Dir den Schein gewiß wieder abgenommen, an seinen Platz gelegt damit er nicht verloren ginge. Und morgens hast Du ja dann aus Deinem Täschchen bezahlt, Du! – Erst wolltest Du mit einem Braunen zahlen, das weiß ich noch – aber daß ich nur noch 2 hatte, nicht mehr 3, das wußte ich doch nicht genau. Na – recht gut so, wie es nun ist, Du!! Und meine Vorsätze schrieb ich Dir ja nun auch. Daß ich nicht mal auf die einfache Idee kam, nachzurechnen, jetzt die Zeit daher?? Ja, so sind die dummen Frauen, sie legen alles in die Hände des lieben guten Mannes: ‚nun sieh zu, Dickerle, wie du [sic] kommst!’ Bist mir böse? Du, ich will mich ändern – mit Dir! Du!! – Also, gebadet haben wir da gerade um die gleiche Zeit?! Ich habe aber auch ganz fest an Dich gedacht und auch darum, weil ich jemanden brauchte, zum Rücken waschen, Du!!

Was Du mir im zweiten Briefe für Neuigkeiten bringst?! Die müssen erst den Weg über Schleswig Holstein nehmen? Und dabei sind wir Kamenz viel näher?! Der Siegfried ist schon da!! So 'ne Überraschung! Haben sie uns noch nichts geschrieben. Ob nun Hellmuth auch noch kommt? Da hätten sie aber keinen Jungen um Weihnachten daheim. Siegfried, der Arme muß nun grade vor den Feiertagen wieder weg. Hoffentlich kommt Hellmuth da erst später. Es wird sich ja zeigen. Morgen, oder am Samstag werden die Kamenzer gewiß mal schreiben.

Und Päckchen sind angekommen? Du machst mich ja neugierig! Für uns beide? Wer mag denn der Absender sein?

„Du wirst bald genaueres darüber wissen." Du Geheimnisvoller, Du!! Die Eltern haben sich recht sehr gefreut über Deinen lieben Brief, Du! Und so viel? sagte Mutsch! Mehr, als die Frau kriegt!

Sie will Dir auch bald mal wiederschreiben. Papa erinnert sie schon eben dran, der „Faule", hält sich großzügig 'ne Sekretärin!

Sie nennen Dich ihren lieben Sohnemann! – und ich? Ich bin die Goglhilde [sächsisch-landschaftlich für: Gogl[hilde] (wegen der Lichtverschwendung!)

Mein lieber [Roland]! Du!! Mein lieb's Mannerli!

Zum Sonntag wird Dich mein Bote grüßen, so rechne ich – so hoffe ich stark! Und ich will Dir ein wenig Freude bereiten, Du!! Ich komme selbst zu Dir!! Aber bloß auf Papier und Du darfst alle behalten, ich habe meine auch für mich. Du gefällst mir ja so sehr – ich muß Dich behalten – ich hab Dich schon so gedrückt, an meine Wange, sogar an den Mund, Du! Gefallen sie Dir auch? Herzallerliebster!! Jetzt muβ ich schlieβen, die Zeit drängt der Bote [m]uβ auf den Weg! Du!! Du!! Ich wünsche Dir von Herzen einen frohen, recht frohen Sonntag! Ich bin in Gedanken immer bei Dir, mein Herz!! Ich denke an den vorangegangenen Sonntag, Du!!! Der so viel heimliches Glück birgt – Du!!! Der vielleicht – vielleicht der Ausgang sein soll, der Anfang, zu einem ganz großen, schönen Glück?! Du!! Du!!! Leis, ganz leis nur daran rühren – Geliebter mein!!!

Du!! Herzallerliebster!! Gott behüte Dich mir! Er erhalte Dich froh und gesund, Du! Ich liebe Dich!!! Ich liebe Dich!!!

In unwandelbarer Liebe und Treue immerdar

ganz, ganz Deine Holde.

Und Du bist mein!! Mein!!!!!

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Einordnung
Hilde Nordhoff sitzt auf einer Bank mit Blick auf den Hafen von Eckernförde. Im Hintergrund ist ein markantes Backsteingebäude zu sehen. Das ist der Rundspeicher am Hafen von Eckernförde.

Ba.OBF K01.Ff2_.A43, Hilde Nordhoff am Hafen von Eckernförde, 1940, Eckernförde, Fotograf wohl Roland Nordhoff.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946