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[OBF-401117-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 17. November 1940

Herzallerliebste! Geliebte mein! Meine liebe, liebe [Hilde], Du!

Es geht jetzt alles bissel verquer, bei Dir wie bei Dir [^]mir. Siehst, schon wieder habe ich mich verschrieben. Ich hatte heute eine Wut im Leibe, Du! Denk, bis nach 5 Uhr haben wir im Schreibzimmer gesessen! Lauter alten Mist (entschuldige den drastischen Ausdruck) mußte ich erledigen, es wollt kein Ende nehmen. Ab 2 Uhr habe ich aber auch ein Gesicht aufgesetzt, das kann ihm nicht entgangen sein. Weißt, das ging gegen meine eiserne Grundsätze des Privatlebens: Sonntag, und am Sonntagnachmittag, gleich gar, wird nischt gemacht, und wenn es noch so brennt. Nichts Häßlicheres, als wenn der Sonntag so zum Alltag entwürdigt wird. Na, mit Rücksicht auf das kommende kam es zum Glück zu keiner Entladung meinerseits.

Also, es war schon dämmrig, als ich nun ledig aller Pflicht mich nach Frau Holle in Marsch setzte. Sie war zu Haus. In der dämmrigen Stube der bekannte Personenkreis. Ich konnte mich nicht gedulden und bat, unser Stübchen sehen zu dürfen. Nun war ich mit Großmutter allein; denn das Stübchen ihr Bereich. Liebste! Du! Klein ist alles, noch viel kleiner [a]ls in Lichtenhain. Wird es Dir gefallen? Viel, viel ist Dein im kleinen Stübchen, es fehlt eigentlich nichts, was zur Einrichtung eines Wohnzimmers und Schlafzimmers gehört. Nur das Bettlein stand noch nicht drin. Dein Dickerle mußte die Frau Holle erst ein mal [sic] dahin beruhigen, daß wir, und Du speziell, nicht anspruchsvoll sind. Ich habe ihr erzählt, daß wir schon oft mit so bäuerlichen Verhältnissen uns abfinden mußten.

Und dann hat Dein Hubo Regie geführt und Anweisungen gegeben und fragen gestellt: hier das Sofa, und hier das Bettlein, und hier den Spiegeltisch, und dort etwas zum Aufhängen der Kleider und ein Fach für die Wäsche, und Verdunklung, und Licht, und das Töpfchen unters Bett (ja, Du lachst, Frau Holle nahm das auf mit der verständnisvollsten Miene). Und sie ging auf alles freundlich ein. Was mag sie wohl von mir gedacht haben? Und nun ist das Stübchen fest bestellt, bis auf Tag und Stunde mit Feuerung. Du!! Ich glaube, frieren werden wir im Stübchen nicht! Der Ofen ist reichlich. Dein warms Dickerle! Der Kerzenschein! Du!! Da brauchst keine wollenen Höschen! Aber sonst möchte ich Dir doch auch in aller Milde raten, für die Reise und für eo [sic] Spaziergänge und für Dein Alleinsein etwas Warmes mitzunehmen. Ich glaub, Deine Gummine kannst zu Haus lassen.

Ja, Herzliebes! Über diesen Vorbereitungen und Vorkehrungen vergaß ich alles Träumen. Und das ist doch auch recht so; denn es soll doch alles Wirklichkeit werden, Du!! Ich glaub, am Ende wird es Dir und uns recht gut gefallen! Nicht [n]ur das Stübchen, sondern auch die Menschen. Sie sind für diese Gegend ziemlich aufgeschlossen. Ich mag davon nicht erzählen, das wirst Du erleben. Wir haben über ein Stündchen geplaudert bei Kerzenschein, allerlei Photos habe ich bewundern müssen. Du! Eine Kerze genügt, um unser Stübchen mit Licht zu füllen. Das kannst Dich nicht verstecken, höchstens unters Sofa oder unters Bettchen — und da find ich Dich, Du!

Ach Liebste! Du!! Nun komm! Komm zu Deinem [Roland]! Er ist ja doch nur halb ohne Dich! Alle Kostbarkeiten seines Lebens hast Du in Deinem Besitz!!! Heute ist Sonntag. Kein Bote kam. Die vom Freitag und Sonnabend stehen noch aus. Du! Wenn mal schnell etwas zu sagen ist: [I]ch bin zu erreichen durch Fernsprecher Eckernförde 612./

Hoffentlich geht es der lieben Mutsch wieder besser, und Du kannst in aller Ruhe Deine Vorbereitungen treffen, ich wünsche es so sehr! Ja, das ist alles, was ich am Sonntage ausrichten konnte, und das allein Wichtige [^]ist besorgt. Daß aus der Geburtstagsfeier nichts wurde, ist mir gleich recht.

Ach Liebste! Was soll ich noch sagen heute?

Ein wenig wird unser Beisammensein die Spur des Flüchtigen, des Unzulänglichen, ^des Krieges tragen. Wir werden es vergessen in den glücklichsten Stunden. Wann ich auf Urlaub komme, Du, dann gelingt es uns vielleicht, für Tage sie ganz auszulöschen. Und immer weiter müssen wir u[ns]ere Hoffnungen spannen: Möchte es doch bald Frieden werden, daß wir für immer beisammen sein können! Gott walte es! Nun müssen wir ein paar Tage noch ganz brav sein! Die Sorge um Deine Reise, die Sorge um die liebe Mutsch machen mir es leichter. Freilich, die Ungeduld wird von Tag zu Tag zunehmen. Und morgen wird Dein lieber Bote kommen! Herzliebes! Ich überlege eben, ob ich Dir noch etwas Wichtiges zu sagen habe. Mir fällt gerade nichts ein. Hoffentlich fragst mich noch zeitig genug. Hast etwas zu lesen auf die Reise? Ich denke schon lange daran. Bin aber wochentags nicht in die Stadt gekommen. — Du! Ich rechne eben: das ist mein letzter Bote nach Oberfrohna! Einen will ich noch nach Halle schicken.

Geliebte! Herzliebes! Holde mein! Dein [Roland] wartet auf Dich! Er wartet [a]uf Dich sein ganzes Leben, sooft Du ihm fern bist. Er wartet auf Dich mit der ganzen Sehnsucht seines Lebens. Er sehnt sich eins zu sein mit Dir, und Dich erfüllt das nämliche Sehnen. Du! Wir beide gehören zusammen! Wir sind einander angetraut vor Gottes Angesicht! Du bist mein, ich bin Dein! Dem gilt unser ganzes Trachten und Wollen und Sehnen! Liebste, Du! Ich glaube fest, daß Gott es so in unsre Herzen legte! Ich glaube, daß er über unseren Wegen wacht, daß ich Dein Beschützer werden sollte, und daß Du mir Deine Liebe schenken solltest! Ihm wollen wir uns anbefehlen in allen Stunden. Er ist die einzige Gewißheit, die einzige Gerechtigkeit, Güte und Liebe in dieser Welt, der einzige Halt. Liebste! Ihm will ich Dich befehlen [f]ür Deine Reise, ihm wollen wir befehlen alle Stunden unsres Beisammenseins. Wir wollen ihn bitten, bei uns zu bleiben auch in den Stunden menschlicher Schwachheit.

Behüte Dich Gott! Herzenskind! Holde mein! Ich bin Dein [Roland] ­— in den Stunden des Glückes (wieviele möchten dann nicht Dein sein, süßes Weib!) — ich bin Dein [Roland] in allen Stunden, mit dem Blick auch auf alle ernsten Stunden, mit dem Blick auf den ganzen Ernst dieses Lebens — Geliebte, mit meiner ganzen Treue! Königen meines Herzens, Du! Heiß und dankbar schlägt mein Herz Dir zu, weil Du mir allein Dich schenktest, Dein großes Herz und Deine unermeßliche Liebe mir weihtest. Dank! Geliebte! Dank! Du!! Ich liebe Dich! Ich lasse Dich nie und nimmermehr! Ich bin Dein [Roland]. Geliebte! In Treue und mit meiner ganzen Liebe Dein [Roland]!

Und Du bist mein! Du!! Mein! Bald bist es wieder! Du!! Komm, Liebste, Holde mein!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946