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[OBF-401112-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 12. November 1940.

Geliebte! Du! Du!! Mein liebes, teures Herz! Holde mein! Du!!

Wie soll ich Dir danken? Ich kann Dir mit Worten nicht danken! Ein kleines Postamt für mich hätte ich heute haben mögen: 1 Paket und 3 Briefe bekam ich heute! Wie lieb und fleißig hast Du meiner gedacht trotz Deiner vielen Arbeit, ich wußte es, Du! Ich habe gezittert vor Freude, als ich sie öffnete. Licht und Sonne brechen mir in das graue Einerlei und Gleichgültige aus Deinen teuren Bogen.

Du! Geliebte! Ich danke Dir so sehr!! Und Dein Paket — ich war ganz überrascht — so groß, immer pfundiger werden die. Und wieviel Liebes und Warmes erzeigst Du mir wieder. Du! Das Süße kannst mir ja nicht schicken, das mußt mir selber bringen, und Du willst es ja so bald, Geliebte!! Du hast mir schon früher mit Deinen Paketen soviel Freude bereitet, weißt, ich denke an Dein liebes Adventspaket! Was hast nun wieder alles ausgedacht: Ohrenschützer, Pulswärmer, und nun auch noch was Chemisches. Du! Wenn es mal not tut, schluck ich von den Pillen, weil Du sie mir schickst! Wenn Du bei mir bist, kosten wir sie erst mal gemeinsam. Nun bin ich mit Wäsche versorgt, bis Du kommst. Heute werde ich gleich noch die Unterhöschen wechseln, und die schönen rosafarbenen leb ich mir auf, damit Deine Färberarbeit auch mal bewundern kannst, und damit ich nicht so auffalle, wenn Du bei mir bist, will Dich doch auch bissel reizen! Du!!

Und nun etwas Wichtiges: Ich sehe schon kommen; Du bist bepackt wie ein vierbeiniger Langohr, wenn Du zu mir kommst: Meine Wäsche, Deine Wäsche, Photo, Weihnachtsarbeiten, selbstgeback[e]ne putzige Dinger u. was sich da noch mehr zusammenfinden wird. Mein Rat: Du gibst einen Teil des weniger dringlichen Reisegepäcks auf, vielleicht einen Tag vorher. Das holst Dir dann hier ab, wenn es auch 1 oder 2 Tage später ankommt. Es fährt ein kleines Bähnel nach Barkelsby, und Du brauchst Dich also gar nicht zu schleppen. Bitte, überlege Dir das! Ich möchte, daß Du froh und bequem reisen sollst.

Befehl!! In Halle: setzt Du Dich sofort 2. Klasse, suchst dann erst den Schaffner: Ich möchte 2. Klasse nachlösen. Das macht mit dem erhöhten Zuschlag etwa 12 M, die Du bereithalten mußt.

Bitte, Herzliebes, folge mir!! Sollst in die Polster gelehnt schon ganz froh an Deinen Hubo denken und froh die Fahrt genießen! Fein schaukeln soll mein Herzliebes zu seinem Dickerle! Ist dann auch nicht so müde und gerädert!

Ein paar Worte zu der Post. Diesen Brief schreibe ich am Dienstagabend. Der geht morgen Mittwoch am Vormittag hier weg und ist Donnerstagnachmittag erst bei Dir, wenn er gut geht, sonst erst Freitagmorgen. Einmal muß ich doch noch fragen (nicht etwa Dich mahnen): Ist denn der Kusselhubo nach Maß (8 ½ x 13 ½) angekommen? Ich weiß jetzt nicht, wann ich ihn abgeschickt habe. Und nun zu dem, was Du schreibst: Ich habe Dir geschrieben, daß Du Dich erkundigen sollst, ob Du Rückfahrkarte lösen kannst. Normalerweise muß dann die Rückfahrt am 4. Tage angetreten werden. Das Lösen der Rückfahrt ziehe ich nur in Erwägung der Bequemlichkeit wegen. Für Deine Rückreise (aber davon wollen wir jetzt noch gar nicht sprechen) habe ich einen D-Zug gesucht, der schon frühzeitig fährt, mit dem Du schon 1244 wieder in Leipzig bist (die Hallenser Verwandten brauchst dann also gar nicht mehr zu inkommodieren), und da wäre es gut – – – und dann brauchten wir doch während Deines Hierseins für son Kram keine kostbare Minute zu verschwenden. Aber wenn es eben nicht geht – – wirst ja sehen.

Wie lieb Du mir von Deinem Sonntag berichtest. Du! Liebes!! Wenn wir allein gewesen wären — zugeschlossen hätten wir die Tür — Geschossene Gesellschaft — Herrschaft verreist — und dann, Du?!! Dann war mein Lieb gefangen, in der Stube, — und dann hätte ich mir[’]s gefangen, in die Arme, ins Kämmerlein, ins Bettlein — und dann hätte ich mirs gefangen, mein Herzel – – – –!!! Du Liebste! Jetzt nicht so daran denken! Fein brav und still. Du! Wenn es mich auch soviel Überwindung kostet. — Radau? wenn wir zusammen sind? Du, womit denn, sag?? Mit dem Wündchen? Geht doch nicht! — Ich weiß weiter nichts als die Kanone vom Hubo — und die Matratzenfedern, Du!! Weißt doch, wie verräterisch die sein können!!! Ganz heimlich und still sind wir dann wie die Kinder, wenn sie etwas ganz Süßes schlecken, Du! Du!! Herzlieb, daß auch Du Dich so sehnen mußt! Aber gelt, Herzlieb, Herzallerliebste! Und wenn sie noch so brennt und schmerzt, die Liebe und Sehnsucht, wir bleiben uns treu deshalb, dann erst recht!!! Es sind wohl [die] schlechtesten Menschen, die die schwache Stunde eines Weibes ausnutzen und in Abwesenheit des Mannes mißbrauchen.

Ja, nun hattest also einen hartnäckigen Sonntagnachmittaggast.

Und mit einem bösen Alarm wurde es beschlossen, der Sonntag, wie bei Deinem Hubo. Der mußte um die Zeit gerade Alarmwache stehen, und als er dann die Motoren hörte, hat er seine Hände gefaltet, es möchte doch für alle gnädig vorübergehn. Eine reichlich dunkle Geschichte ist mir Euer Alarm, ich werde nicht klug: erst Übung, dann Ernst. Herzliebes! Sollst nicht ängstlich sein deshalb. Die Alarme lassen jetzt nach. Seit ich hier bin, hat unsre Batterie erst einmal ganz kurz geschossen.

Gestern und heute tobt hier ein wilder Sturm mit Regenschauern. Deshalb war auch die vergangene Nacht ruhig, und von der heutigen erwarten wir es auch.

War ein arbeitsreicher Tag heute. Was Dein Hubo lange nicht mehr gespürt hat: ein bissel Nervosität, von dem Geklapper der Schreibmaschinen, von dem Geklingel des Telefons dazwischen, von dem lebhaften Kommen und Gehen den ganzen Tag hier, von dem durcheinander der Anliegen, von der Nervosität des Hauptfeldwebels, von der Kleinlichen Umsicht, die die verschiedenen Aufgaben erfordern. Heute war ich auch mal spürbar nützlich, das ist mir recht, weißt, Holde?! Du, wie schnell Leute abkommandiert werden, große und kleine, das habe ich heute gesehen! Das macht uns viel, Arbeit die nächsten Tage. Desto schneller vergehen sie bis zu Deinem Kommen, Geliebte!!

Will mich nachher gleich noch rasieren, abends um 10 Uhr! Ich komme sonst nicht dazu. Heut mittag ließ ich mir die Haare abschneiden. Ist Dein Dickerle heut abend richtig besuchsfähig — oder empfangsfähig! Blinder Alarm. Du!

Herzliebes, Du! Spannst Deinen Hubo noch so auf die Folter!: „Ich habe, ich ganz allein!, allerhand noch vor!“ Du! Du!! Was soll ich mir dabei denken? Ach Du, da kann sich Dein Dickerle soviel dabei denken, soviel Süßes auch! Meine Lieblingswünsche erfüllst mir ja doch, Du Liebe! Und die Überraschung wird ja keine Enttäuschung sein, das weiß ich ja heute! Und daß [s]ie nur mich bestimmt ist, Du!! Aber für Dein pfiffiges Hm! Kriegst doch eins aufs Popochen, ob Du’s nun dick oder dünn einpackst, ich such mirs schon, Du, und finds auch ohne Kompaß!! Hätte beinahe auch geschrieben ‚ohne Lichter’. Aber dann bringst keine mit, und das wäre ganz schade! Du!! Liebste!! In manchen Märchen begegnet man diesem Motiv: „Und wenn Du nur ein Wort sprichst — Und wenn Du Dich nur einmal nun siehst — Und wenn Du nur den Mund verziehst zum Lachen — dann ist alles dahin, der Zauber, das Wunder, die Pracht!“ Du Liebste! Kennst Deinen Hubo? Hast ihn schon einmal mehr zum Lachen ermuntern [^]oder als ihm das Lachen verwehren müssen?

Liebste! Geliebte!! Der Augenblick, da wir einander gegenübersteh[e]n - - - Du! Du!! O Du!!!

Behüte Dich Gott! Er walte gnädig über unserem Glück!

Liebste Du! Magst aus diesen Zeilen meine große Freude, meinen tiefen Dank, meine Liebe und Sehnsucht zu Dir!, nur zu Dir!! erkennen, die Du mit Deinen lieben Zeilen zu neuer Glut angefacht hast. Du! Ich muß jetzt aufhören, Du! Ich bin schon ganz unruhig. Fein brav und still! Ich darf es nicht vergessen. Du! Weißt! Vielleicht kaufst noch bissel Kaffee ein, damit ich nicht immer das Sodazeug trinken muß. [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]


Herzallerliebste! Dein [Roland] bin ich, Dein Hubo, Dein Dickerle! Wartet auf seine Hubo, auf seine liebe Frau, auf sein Weib, seine [Hilde]!!

In unwandelbarer Treue und mit meiner ganzen Liebe hänge ich an Dir, und halte Dich fest und lasse Dich nie und nimmer!!!
Du, meine Holde!!! [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.401112-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946