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[OBF-401109-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend am 9. November 1940.

Herzallerliebster! Mein lieber, lieber [Roland]! Geliebter mein!

Feierabend ist nun für mich. Es geht auf 6 Uhr. Ein arbeitsreicher Tag war es wieder, und ich bin nun recht froh, daß ich mal sitzen und ausruhen kann. Aber die Hände und die Gedanken, die können nicht Ruhe geben. Mein [Roland], Du! Sie wollen immer nur zu Dir, die Gedanken. Und die Hände wollen sich immer nur regen für Dich! Für unser Wiedersehen rüsten sie jeden Tag jetzt, Du!! Ach, so vielerlei habe ich doch wieder vorzubereiten. Es ist gerade wieder wie einst, als ich Dich in Lichtenhain besuchen kam, Du!!

Aber diesmal sind es so viel mehr süße, heimliche Gedanken, die mich bewegen, wenn ich so für die Reise rüste! Ach Du!! Diesmal fragt mein Herz nicht zweifelnd, bangend nach dem hohen Glück der Erfüllung, Herzlieb!!

Ich weiß, Du!! Genau so voll jauchzender, jubelnder, froher Gewißheit wie Du bin ich!! Es wird zu uns kommen, das Glück des Einsseins!! Es wird uns nicht verlassen, solang ich bei dir bin! O mein Geliebter!! Ich denke so voll heißer Sehnsucht Dein!! Was ich Dir nun noch schreibe vor unserem Wiedersehn, es dünkt mich ja alles so matt, so glanzlos gegen das, was in mir lebt und wogt. Du!! Ich kann Dir's ja nicht niederschreiben! Ich muß zu Dir kommen!! Aus meinen Augen sollst Du es lesen, aus meinem ganzen Wesen sollst Du fühlen, wie ich Dich so grenzenlos liebe!! Du!! Wie ich Dich liebe!! Mein [Roland]!! Wenn doch erst der Tag meiner Abreise da wäre! Ich kann ihn kaum mehr erwarten!

Aber ich soll ja erst noch einmal krank werden. Und so krank bin ich auch am liebsten zu Hause. Ich will mich ganz gut halten und schonen, damit ich ganz, ganz kerngesund bin, wenn ich zu Dir komme, Du!! Manchmal gibt es auch einen Rückfall, bei Luftveränderung, doch das will ich nicht hoffen.

Überhaupt, die Reinigungsfrage — kann man in Eckernförde baden? Gewiß gibt es dort Badeanstalten, ist ja ein Bade-Kurort? 12 oder gar 14 Tage ohne Bad, das hielt ich nicht aus! Oder, wenn ich nicht in der Stadt baden kann, bringe ich mir den Badeanzug mit und bade mit Dir in Eurem Brausebad — aber bloß mit Dir!!! Die Frage mit dem Essen ist nun auch geregelt, das ist sehr schön, daß ich gleich in voller Pension wohne.

Hoffentlich ist die nordische Küche nicht ganz so wunderlich! Ach, ich habe vielleicht ganz wenig Hunger, Du!

Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, schlank wiederzukommen! Hörst Du? Ich glaube das werd ich auch, wenn ich trotzdem esse! Meine Marken bringe ich auf 14 Tage mit, selbstverständlich. Zum Abendbrot kann ich doch selbst für uns einholen? Oder mußt Du Dein Abendbrot von der Kaserne nehmen? Na, das wird sich finden.

Und für Heizung ist wohl auch gut gesorgt? Oder muß ich Kohlen mitbringen? Wenn mir's zu kalt ist, da[nn] komm' ich einfach zu Deinem Uffz. und bitte ihn, mich in Eurer Schreibstube wärmen zu dürfen. Wäre Dir das fatal? Aber ich bringe meine Gummiwärmflasche mit!! Ich kann es nicht glauben, jetzt noch nicht, daß Du eine ganze Nacht bei mir bleiben darfst. Du??

Und ich erfriere Dir sonst! Ich brauche meine 'Gummine' jeden Abend, eher kann ich nicht einschlafen.

Und mit dem Licht? Eigentlich ist das schön, romantisch! Ich will fleißig Lichter sammeln, Du!! Ich will Dich doch auch abends sehen!! Aber Du! Wenn Du mir nicht vor der Musterung versprichst: Kein bissel zu lachen, über meine Dickte [sic]! Du!! Ich gebe kein einziges Licht raus!! So sehr schießt Ihr? Daß mein Bett wackelt? Du!!

Wenn ich plötzlich Angst kriege, dann wundere Dich nicht, wenn ich bei Dir auftauche nachts!! Dann laufe ich davon, schnell zu Dir!! Daß Du beobachten konntest, wie ein Flugzeug abstürzte, brennend! Ich möcht das auch einmal sehn. Allerhand Schneid hatte der Tommy, so bei Morgengrauen noch rumzukurven! Die trauen sich doch sonst nur bei Nacht.

Bei uns war jetzt Ruhe. Ich bin auch froh. Gestern abend hatte ich richtig ein wenig Angst, ich war ganz allein im Haus — vielmehr in der Wohnung! Die Mutsch ist ¼ 7 [Uhr] nach Chemnitz gefahren. Papa um 6 zum Dienst. Ich habe nach Kamenz geschrieben abends noch und Hellmuth zum Geburtstag gratuliert. Dann war ich so müde.

Ich las aber trotzdem erst noch in Deinen lieben Briefen eine lange Weile, bis mich fror in der Küche. Dann nahm ich meine Gummiwärmflasche und kuschelte mich in mein Bettlein. Der Mond schien so hell, ach ich sehnte mich ja so sehr nach Dir, mein Geliebter!! Ich konnte nicht einschlafen, es war so unheimlich still und jedes außergewöhnliche Geräusch ließ mich aufschrecken. Ich hatte meine Nerven wohl ein bissel überanstrengt. 3 Briefe, erst an Dich, an die Eltern, an Hellmuth und obendrein noch feste reine gemacht; es war zu viel. Ich hätte nicht so spät, so vorm Schlafengehen schreiben sollen, da sind immer alle Nerven angespannt. Heute früh war mir, als sei ich eben erst in's Bett, als ich aufstand.

Ich will heute nicht so spät schlafen gehn. Papa ist auf 'Tour' nach Niederfrohna! Er soll sie nur bissel betteln, wenn er's macht!— von mir aus, um 'eins' mehr! Ich möchte doch manchmal so putzige Dinger backen, ehe ich komme! Sag, hast Du überhaupt das Nußbrot bekommen, daß wir von Kamenz aus schickten? Und sind denn nun meine beiden Wäschepakete endlich nachgeschickt worden?

Daß mir nichts verloren geht.

Die beiden Nachthemden sind nun wieder neuwaschen und auch geflickt, die schicke ich besser, ehe ich sie mitbringe, ja?

Da kriegst sie eher. Du! Vorhin habe ich Deine Hochzeitsschuhe zum Schuster gebracht. Hat der geschimpft! Wie Du hast bloß die Absätze so runterlaufen können! Das ließe er sich von einem Handwerksburschen gefallen — aber von einem Schulmeister! Er war außer sich! Er will Dich tüchtig ausschimpfen, wenn Du kommst! Ich soll Dich extra mit hinbringen! Siehste!! Warum folgste auch Deiner [Hilde] nich [sic] !!

Hat das mit den Taschentüchern Zeit, bis ich hinkomme, Dickerle? Mutter möchte Dir besser auch noch ein Winternachthemd geben, D[u] hast hier zwei so dünne für'n Sommer bei der Wäsche gehabt. Dein Dienstagbrief kam erst gestern früh, Dein Mittwochbrief am Nachmittag. Du!! Herzlieb!! Ich dank' Dir so sehr!! Du hast mir nun schon den Fahrplan geschickt!, wie ich mich freute!! Du!! Ich will alles ganz fein brav, genau so machen, wie mein lieb's Dickerle mir vorschlägt! Es ist so lieb so! Und wenn alles klappt mit den Anschlüssen, also besser könnt' es doch garnicht sein! Ich werde mich nur den Tag in Halle zur Ruhe zwingen müssen, Du!!! Ich will ein ganz nasser Schwamm sein auf der Fahrt, verstehst?!! Nicht vor Rührung, Du! Auch nicht, weil ich mich etwa erkältet haben könnte u. ein Organ, ein [ge]wisses, müßt darunter leiden! Du!! Nein!!! Ich werd' eher kein Feuer fangen!! Ich hab alles gut verstanden! Fein, daß Du mir die Fahrtrichtung mit Fahrplan zum Reisegebrauch abtippen willst! Du, darf ich denn in Halle unterbrechen? Wieviel Male darf ich die Fahrt unterbrechen?; vielleicht, daß ich zurück auch wieder in Halle aussteige über Nacht! Ich frage, ob ich Rückfahrt kriege u. wann ich da die Fahrt wieder angetreten haben muß. Du! Da fällt mir eben ein. Ich fuhr das letzte Mal mit einem Mädel von Kamenz zurück, die hatte ihren Verlobten besucht, wohnte in München. Die hatte auch Rückfahrt und konnte doch bloß 4 Tage bleiben. Wieso, weiß ich nicht. Ob ich in der Zeit mal frage, ehe ich die Rückfahrkarte ausstellen lasse, wie lange ich eigentlich bleiben darf mit Rückfahrt? Wenn das so kurz befristet wäre, etwa 4-6 Tage, da löse ich eben nur bis Eckernförde. Und herzu wieder neu. Das würde sich doch nicht verlohnen, so wenige Tage, Du!! 2 mal 2 Tage gehn auch noch Fahrt ab!!

An 150 M hatte ich auch gedacht, die ich abheben müßte. Du!! Darf ich denn??

Es ist aber auch nicht angenehm, wenn man reist und hat nicht bissel Geld flüssig. Komisch — wie's manchmal zugeht.

Ach Du!! Nun ist es bald soweit!! Wie mein Herz klopft, wenn ich daran denke!! Du!! Wirst mich denn abholen kommen, an der Post, oder am Bahnhofe?

Du, ich will aber vor den Leuten nicht weinen! Ich will ganz, ganz fröhlich sein! Abends wenn's niemand sieht, außer Dir, dann ist mir's gleich. Herzlieb, es ist vor 8 jetzt, ich will den Boten noch auf den Weg bringen. Sollst nicht allzu lang warten müssen auf ihn! Morgen mehr! Dickerle!

Ich küsse Dich! Du!! Ob ich's denn noch kann?? Ich hab Dich ganz, ganz sehr lieb! Du!!

Herzallerliebster! Mein [Roland]! Behüt' Dich Gott!

Ich bin ganz Deine Holde in Liebe in unverbrüchlicher Treue immer nur Deine Holde.

Du!! Du!! Bald komm' ich!!!

Dein Bote blieb heut' aus, ob er morgen kommt? Ja, ja!! Du!!

 

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946