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[OBF-401105-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 5. November, 1940.

Herzallerliebster Du! Mein lieber, geliebter [Roland]! Du!!

Ich habe gestern in den Akten gekramt und da fand ich auch das Schreibpapier, das mir mein lieber Mann fürsorglich aufhob! Will nur gleich darauf schreiben – die kleinen Bogen, die ich bis jetzt benutze, gefallen mir garnicht. Also Dickerle! Das Geld ist hin! Ich hab den Möbelhändler bezahlt. Ich habe auf meine 490 ℛℳ in Bedarfsdeckungscheinen 10 ℛℳ wieder herausbekommen, und die habe ich gleich mit angelegt für einen Weihnachtsmann, für Dich! Denk aber nicht, daß ich Dir 'was verrate! Du!— schon ist's!! — Und noch 'was und noch 'was hab ich, eins kriegst Du am 4. Advent!! Genug.

Ich habe nun noch Linoleum überall drauf außer auf den Stühlen, sonst ist alles in Ordnung; der Spiegel kommt noch aus Chemnitz, der war doch beschädigt. Er hat gar keine Schwierigkeiten gemacht, weil nun unsre Möbel vielleicht etwas länger drüben stehen, als geplant war. Und so brauchen wir uns auch keine Gedanken zu machen; wenn nicht grade eine Bombe drüben einschlägt, bleibt alles unversehrt.

Am kommenden Freitag soll ich zu Tante M. nach Chemnitz kommen Kinderwarten, sie hat wieder große Wäsche.

Ich fahre nicht – ich hab ihr eben die Absage geschrieben. Erstens ist ihr Mann zu Haus und da bleibe ich nicht über Nacht. Zweitens hab ich noch genug mit meiner Wäsche zu tun. Und in Anbetracht meiner Reise! Du! Ist ja garnicht daran zu denken. Was ich noch alles vorhabe! Wenn es sich mal um 1 Tag handeln würde – ja. Aber so soll ich gleich 3 / 4 Tage bleiben. Ich hab das auch der Mutsch klargelegt. Sie kann mich verstehen. Sie will mal reinfahren zu ihr am Freitagabend, weil sie den Sonnabend sowieso frei hat. Ich bin einverstanden, Papa auch.

Lieber will ich zu Hause alles allein reinemachen, aber da bin ich wenigstens für mich mit meinen Gedanken.

Ach, die Mutsch ist nun beinahe auch so aufgeregt wie ich, wenn ich ihr so der Reihe noch erzähle, wie unser heimlicher Plan immer mehr Gestalt annimmt. Das letzte Mal hat sie mich direkt beeinflußt mit ihrer Ängstlichkeit und Sorge, die sie sich macht, wenn ich fahre. Als ich mit ihr von Halle übernachten redete, und ich Schäfel hab mich auch für einen Tag von ihr einschüchtern lassen und habe Dir sogar geschrieben von meinen Bedenken. Am andern Tag, wo ich mir alles schön ruhig durch den Kopf gehen ließ, sah es doch viel, viel weniger wild aus.

Meine Mutsch macht mich aber auch manchmal verrückt.

Und Du denkst womöglich nun, ich bin Feige und ich habe Angst, [Roland]? Du!! Das darfst Du nicht!! Hörst'? Ich komme zu Dir!! Und ich komme auch richtig hin!! Mag kommen was will. Wenn Du schreibst: komme! Dann komme ich.

Du!! Heute bekam ich wieder 2 Briefe von Dir!!

Wie ich mich gefreut habe, Herzlieb!! Ich dank' Dir so sehr! Ich schenke Dir einen ganz lieben, langen, „leisen“ Kuß! Du!! Weil Du nur das Gute, das Beste Dir abgewinnst, mein [Roland] von allem, was nun eine Weile Dein Reich sein soll. So kann es Dir nicht so schwer fallen. Ich habe gewußt, daß Du Dich zurecht finden wirst, daß Du auch nicht trübsinnig dreinschaust, wenn nicht alles nach Deinem Wunsch und nach Deiner Vorstellung sich schickte. Ich denke bei mir, es ist ganz gut so, wo Du jetzt steckst. Erstens bist Du nicht unmittelbar in der Stadt – und wenn Mannschaften mit da liegen, ist auch sicher die Verpflegung in Ordnung. Ich glaube nicht, daß die, die bei der Abteilung sind, immer das bessere Los siehen. Es wird Dir gewiß mit der Zeit auch Spaß machen, wenn Du Dich nun einarbeiten kannst in den neuen Pflichtenkreis. Es ist meiner Ansicht nach gar nicht so ganz uninteressant, Eurer Schaffen. Ihr bekommt doch auch mal einen tieferen Einblick in das ganze Geschehen rings um uns, in der jetztigen Zeit. Und es ist eben die Arbeit, die Beschäftigung nicht so schrecklich einseitig wie das fortwährende Exerzieren und Drillen. Wer nun beispielweise zur Infanterie ausgehoben ist, der muß doch eine ganze Zeit Fußdienst und Schießen und was weiß ich noch üben.

Du sitzt aber auch jetzt sozusagen zu der Quelle – vieles Wichtigen! Halte mir brav Dein Riechorgan auf Posten, damit Du weißt, wie die Aktien liegen!

Du! Ich freu mich, daß Du so bissel weißt, was los ist!! Herzlieb!! Was Du da doch schon alles ausgekundschaftet hast! Ich kann garnicht schnell genug lesen, was Du mir wieder Neues zu sagen hast über unseren Feldzugsplan!

Auf dem Lande ists, das freut mich eigentlich Du! Damit ich nicht auf dumme Gedanken komme, wenn mein Hubo nicht bei mir ist, nehme ich mir schon Beschäftigung mit!

Ach, wenn ich Dich nur jeden Tag einmal sehen darf, dann bin ich schon ganz froh, Herzlieb! Und Sonnabend – Sonntag gibts ja bissel mehr frei! Vielleicht, wenn ich einmal mit zu Deinem gestrengen Herrn Vorgesetetzten komme, empfindet er ein menschlich Rühren und läßt Dich 3 Tage laufen!!

Na, das ist dann der geringste Kummer, weißt? Wenn ich mir einmal erst dort bin, dann finden wir schon Rat!

Stell' Dich mit dem ,Kammerfitzer' gut; es ist möglich, daß wir eine Uniform brauchen! Wenn's garnicht anders geht, Du!! Lernst mich eben an bei Dir in der Schreibstube.

Du!! Du!! Ich bin ganz aus dem Häusel, daß ich nun weiß, an welchen Ort ich nun ,vielleicht' komme, in was für ein Häusel! Wenn's nur sauber ist, dann ist alles gut. Es ist nun der festgelegte Termin schon so nahe, Du!! gebe Gott, daß es sich so erfüllt, wie wir uns ersehnen.

Herzlieb!! Wie schade, eben, kommt die Oma aus Mittelfrohna. Ich soll mit ihr noch Limnach gehen, einen Hut einkaufen, da ist nun meine Ruhe hin, Du!! Du!! Ich plaudere morgen weiter mit Dir mein Herzlieb! Also für heut auf Wiedersehen!

Behüte Dich Gott! Bleibe ganz froh und gesund! Ich will zu Dir kommen, Liebster! Bald! bald!

Es küßt Dich innig, ganz innig in mündlicher Liebe

in ewiger Treue

Deine Holde.

Einen recht schönen Grüß von Oma!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946