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[OBF-401104-001-01]
Briefkorpus

Montag, am 4. November 1940

Geliebtes Herz! Meine liebe, liebe [Hilde], Du! Holde mein!

Du! Ich glaube, wir werden noch richtig eifersüchtig aufeinander werden. Dein lieber, lieber lange Bote kam heute. Ich habe mich ja so sehr darüber gefreut. Ich danke Dir vieltausendmal dafür. 1½ Std. hat mein Telegramm gebraucht. Das war so recht etwas für meine liebe, wilde [Hilde] am Waschtag, und über dem Kopfschütteln [^]der Eltern war ihr Triumpf nur noch größer, und Dein Hubo triumpfiert mit Dir: „Was die nur miteinander immer anstellen und haben!” Ja, ganz sehr lieb haben sie einander, wie ihr es kaum ahnt. Kein Weg ist ihnen zu weit, kein Geld zu teuer, wenn es dieser Liebe gilt. Ja, Du! So sehr er mich erfreut hat, Dein lieber Bote, so besinnlich wollte er mich stimmen, und er täte es auch, wenn ich Zeit dazu hätte. Ich hatte heute gerade einen Dienstgang nach Eckernförde – aber meine Gedanken kamen doch nicht ganz in Ordnung. Sollst nichts Schlimmes denken, Herzliebes! Deine große Liebe beschäftigt mich, und ob und wie ich ihrer wert sei. Herzallerliebste! Ich selbst habe an Lichtenhain erinnert, und es ist recht, daß Du meine Gedanken dazu aufgreifst, und klärst. Herzallerliebste, Du! Meine liebe [Hilde]!! Daß ich Dich verkannte! Daß ich Dich übersah! Daß ich in meiner zu großen Zurückhaltung und Verschlossenheit die Worte nicht fand, Dich zu trösten und Deinen Schmerz zu lösen! Daß ich mich zu wenig in diesem jungen heißen Mädchenherzen zurechtfand! Daß ich Dir wehtat und es Dir so schwer machte! Es reut mich alles so sehr, heute noch, Du! Du! Geliebte! Ich möchte mich verteidigen und rechtfertigen, leidenschaftlich und eifersüchtig! Ich tat es schon – und wenn ich damit fortfahre – ich weiß, daß Du mich ganz verstehst und mir alles längst verziehen hast – es bleibt dabei, daß ich Dich nicht verstand und erkannte – und daß ich Dir deshalb wehtun mußte.

Aber eines, Geliebte: Glaubst Du, daß ich schon damals Dich gelassen hätte, Dich von mir gelassen hätte, allein Dich gehen in Nacht und Verzweiflung? Liebste, Herzallerliebste, glaubst Du das? Du?? Nein, nein, niemals! Geliebte! Niemals hätte ich Dich wieder losgelassen, niemals Dich wieder freigegeben, schon damals nicht! Hörst mich, Herzliebes? Glaubst Du das Deinem [Roland]? Traust ihm soviel Liebe und Treue zu, Du? Siehst, nun bin ich richtig eifersüchtig geworden. Glaubst mir auch, daß unter meiner Zurückhaltung und Verschlossenheit damals unruhig und tief erregt ein liebendes Herz schlug? Du selbst warst schon Zeuge meiner Eigenart: daß ich manchmal etwas in mich ‚hineinfresse’, und nicht gle[ic]h das lösende und erlösende Wort finde. Du, Geliebte! Aus Deinem lieben, langen Brief leuchtet mir wieder das Wunder Deiner großen Liebe, vor dem ich staunend und auch beunruhigend stehe, voll Jubel, Glück und Dankbarkeit – und dann von dem festen, leidenschaftlichen Willen, Dich zu lieben mit meiner ganzen Kraft, Dich zu halten, und Dir alles zu weihen, was mir wert und teuer ist. Herzallerliebste! Das habe ich Dir schon bekannt,: daß ich Dich noch viel lieber gewinnen will. Und diese Gewißheit hast Du, das weiß ich, Geliebte; daß Du meiner Sehnsucht und hohen Meinung von der gemeinsamen Lebensfahrt reiche Erfüllung bist, heute schon! Daß ich Dich nie mehr lasse, Geliebte!! Daß ich immer und immer wieder werben und dienen will um Deine Liebe!! Du! Mein über alles geliebtes, teures Herz!! Meine liebe, gute [Hilde], Du!! Gott gebe mir noch viele Jahre, Dir mit meiner Liebe und meiner Freue zu leben!!! Dich, Geliebte, glücklich zu sehen, mit Dir zu bauen und zu schaffen, das ist mein größter, inniger Wunsch auf Erden!

Und nun will ich auch gar nicht mehr eifersüchtig sein, will lernen, mich auch von Dir beschenken zu lassen, von meinem reichen, geliebten Weib. Es ist so reich und hat so viel zu schenken! Und Dein [Roland] ist so voll Glück und Freude bei dem Gedanken, daß es kommen will, ihn zu beschenken, daß es diese Freude und dieses Glück aus seinen Augen lesen will zu seinem eigenen Glück – und Dein [Roland] brennt darauf, Dir zu sagen und zu zeigen, daß er Dich, Herzliebes, auf dieser Welt ganz allein nur Dich, liebt hat, über alle Maßen liebhat! Gott schenke uns in Gnaden dieses Glück!

Herzliebes! Ich sitze hier am Tische, Watte in den Ohren. In unsrer Stube ist ein Radio, das unbarmherzig die Stube mit seinen Tönen berieselt und nicht fragt, ob es angenehm ist oder nicht. Von meinem Leben hier mag ich Dir heute nur sagen, daß ich mich schon besser dareinschicke [sic], und daß es für mich langsam Arbeit gibt. Schon in etlichen Briefen schreibst Du von Schnee und Winter und Kälte. Davon ist hier nichts zu sehen und zu spüren. Heute war wieder ein ganz abnorm warmer Tag. Also, komm hier herauf nach dem Norden, Frosthäschen, da weht es wärmer vom Meer herüber, und da hast Du auch Deine richtige Wärmflasche.

Dein Dienstagbrief erreichte mich noch am Donnerstag in Bülk. Deine beiden Päckchen stehen noch aus. Die verflossene Nacht verlief ruhig bis auf einen 2 stündigen Alarm von früh 5 Uhr ab. Wir wurden dafür erst nun 9 Uhr geweckt. Vor unseren Fenstern sind diese Läden, die den hellen Tag zur Nacht machen können.

Herzallerliebste! Gott behüte Dich mir! Er erhalte Dich froh und gesund! Herzliebes! Meine Gedanken gehen immer zu Dir, wenn sie frei sind. Den Hubo schneide ich Dir gelegentlich für Deinen Rahmen passend. Jetzt habe ich ja auch ein Lineal. Heute habe ich eine Taschenlampe mit Batterie erstanden für Deinen Besuch. Morgen oder übermorgen will ich mir in Barklesby [sic] Gewißheit holen.

Grüße mir bitte auch die lieben Eltern.

Herzliebes, Holde! ,Nimm meine Liebean [sic]’, so soll ich nicht schreiben, Du magst mich nicht klein sehen, Herzliebes, ich wußte es. Aber eines darfst Du mir nicht verwehren: daß ich mich von Zeit zu Zeit so bescheiden und hilflos wie ein Kind an Dein großes, mütterliches Herz lege und in Deinen lieben Schoß flüchte. Du! Ich bin Dein [Roland], Dein Hubo, Dein Dickerler, immer und ganz nur Dein!

Du, meine [Hilde], Holde, ich liebe Dich! Ich liebe Dich, so viel ich kann, in großer Treue und bin

Dein [Roland]!

Und Du bist meine [Hilde]! Geliebte! Holde meine! Ganz mein!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946