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[OBF-401103-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 3. November 1940

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste, Holde mein!

Was meinst denn, was Dein Hubo heute getan hat? Du! Schwer zu raten — — er hat nach unserem Stübchen ausgeschaut, Du! Ganz anders ist es, als ich mir es geträumt habe und als Du Dir es ausmalen magst, Geliebte! Meine Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Die entscheidende Person war nicht anwesend. Die Anschrift habe ich mir von einem Kameraden geben lassen, dessen Frau da schon gewohnt hat. Ich erzähle Dir davon auch Näheres nicht eher, als bis ich eine Zusage habe. Sollte ich die nicht erhalten, stehen noch ein paar Möglichkeiten offen. Nur ein wenig vorbereiten will ich Dich. Wenn Du das Häuslein sehen würdest, Du wärest enttäuscht, wie ich zunächst. Es steht auf dem Dorfe, nicht ganz unähnlich dem Lichtenhainer, unweit der Schule. Ja, auf dem Dorfe. Dieses Dorf liegt unsrer Stellung näher als Eckernförde. Bis zur Stadt sind es 25, bis zum Dorfe 8 Minuten, das ist natürlich entscheidend.

Ach Du, von außen sieht es ärmlich aus, wie viele Häuser hier oben, aber innen ist es sauber. ‚Unser Stübchen’, wenn es das werden sollte, war verschlossen, ich habe durch die Fenster hineingeschaut — Du! Mein Lieb war noch nicht drinnen! Traulich und klein war alles eingerichtet. An der Decke hängt die Petroleumlampe, Du! Andres Licht gibt es nicht. Das Petroleum ist rar. Müßten wir Kerzen brennen. Müßtest Du Kerzen mitbringen. Müßtest Du von unserem Vater Dir einen Vorrat schicken lassen. Ja, Du! Ich will ja mein Herzlieb auch mal sehen, Du, Du!! Seine Augen, das Mündchen, ich finde es doch sonst gar nicht! Weißt, wegen des Süßigkeiten, die wir doch zusammen verschnabulieren wollen! Mußt nun schon fleißig sparen, Du! Ich auch! Und dann die große, strenge Musterung, Du! Kommst nicht darum herum, mein Dickerle!

Ach Geliebte, Du! Jetzt zittert mir schon der Bleistift — und ich vertiere mich in meinem Übereifer doch schon in Einzelheiten!

Nein, das darf ich [^]nicht. Aber rechtzeitig hole ich mir den endgültigen Bescheid, noch diese Woche, damit Du, Geliebte, rechtzeitig Deine Vorbereitungen treffen kannst. Und nun weißt Du auch schon, welcher Art sie sein können. Du! Schon nimmt der Mond wieder zu! Und nicht mehr sind ganz 3 Wochen bis zu Zeit, da wir uns, will's Gott, wiedersehen wollen. Du! Herzlieb! Sei recht lieb zu Vater und Mutter, wenn Du ihnen erzählst von Deinen Vorhaben, zerstreue mit Liebe ihre Bedenken! Überlege Dir auch, was Du ihnen erzählen willst von allem. Bedenke auch Du mit mir, daß diese Reise eine ganz schöne Unternehmung ist, nicht ganz ohne Schwierigkeiten, mit allen Gefahren, die jede lange Reise in sich birgt, daß sie in eine Gefahrenzone führt, in der auch Dein Hubo lebt. Herzlieb, ich weiß jetzt schon, was Du mir darauf entgegnen wirst, Du gutes, tapferes Mädel. Und Du weißt, wenn ich nicht selbst im Vertrauen auf Gott diese Gefahren gering achtete und sie für nicht größer halte als sie auch das Leben anderwo birgt: ich ließe es nicht zu, daß Du mich hier aufsuchst. Und Du weißt, was ich an Schwierigkeiten aus dem Wege räumen kann, das tue ich.

Herzallerliebste! Ohne jede Störung verlief die verflossene Nacht. Es war sehr stürmisch. Um 8 Uhr Wecken. Dann am Vormittag in der Schreib[^]stubemaschine gestanden und mich umgesehen, mich ein wenig geübt im Maschineschreiben. Dann mir noch 4 Stunden Nachmittagsurlaub erwirkt, 2-6 Uhr. Mein erster Gang nach dem Dörfchen, ‚unserem Dörfchen’ mit dem seltenen Namen Barglesby [sic], nur um mir einmal die Häuser anzusehen. Er war die Stunde nicht, irgendwo vorzusprechen. Mit dem Entschluß, auf dem Rückweg da noch einmal durchzugehen, bewegte ich mich nun in ganz entgegengesetzter Richtung nach Eckernförde. Dieses Städtchen bietet baulich wenig Reizvolles. Ich brauchte nicht lange zu gehen, bis ich auf meine Kameraden stieß. Darob große Freude. Wir teilten unsre Sorgen, unsre Erfahrungen, unsre Enttäuschungen — ein jeder hatte fürs erste ein Haar in der Suppe gefunden. Er besteht die Aussicht, daß wir auf diese Weihe uns jeden Sonntag auf ein paar Stunden treffen. Das wäre fein. Nachdem wir das Städtchen ein wenig durchstreift hatten, setzten wir uns in ein Kaffeehaus. 2 große schöne Kaffeehäuser gibt es hier. Brotmarken haben wir kürzlich von uns[e]rer Kompanie erhalten, sodaß uns alle Genüsse offen standen, mit ihren kriegsmäßigen Beschränkungen. Die Kameraden begleiteten mich in meine Stellung, um meinen Bericht an Ort und Stelle nachzuprüfen.

Dann trennten wir uns — und Dein Hubo marschierte noch einmal am Lagereingang vorüber nach unserem Dörfchen — Du! — so! voll innerer Spannung! [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

Er hat alles auch mit Deinen Augen angesehen, Geliebte! Und voll innerer Unruhe kehrte er zurück — und nun schreibt er sich ein wenig davon von seinem Herzen — die andere bewegt ihn nun all die Tage — bis, ja bis — Du! Du!! Und Du, Geliebte, es ist in dieser Unruhe auch unsre heimliche Freude, Herzlieb! Es ist darin die ganze große Hoffnung und Sehnsucht zu Dir, Holde! Gott, behüte Dich! Er behüte uns! Er erhalte uns demütig im Glücke!

Morgen, Du! rechne ich, daß ich Deinen lieben Boten wieder empfangen kann. Alles Post geht durch die Schreibstube, ich bekomme sie aus erster Hand, darf sogar den Stempel selber draufdrücken. Ja, Du, was Dein Dickerler jetzt nicht alles kann! Aber was wird aus seinen starken Soldatenarmen werden? Die Kraut — Du! — man hat sie uns weggenommen — das Seitengewehr auch dazu — ganz entwaffnet hat man uns — Dein Hubo kann nicht mehr schießen — Du! Was sagst dazu? Nun kann er nur wieder mit dem Federhalter seine Pfeile verschießen — Du, er würde schon gerne einmal sehen, ob seine Pfeile auch treffen, ob sie in Dein Herzel treffen, richtig in die Mitten, Du! — Ja, nun muß sich Dein Hubo wieder an sein Frauchen halten — wenn er es nur gleich hier hätte! "Gewehr umhängen!" Ja, Du, wie machen wir denn das? "Ehrenbezeigungen mit um den Hals gehängtem Gewehr!": Du, ich glaube, so wird das Kommando zu unsrer Begrüßung heißen müssen. Aber das ist ja Unsinn. Bist doch nicht mein Gewehr.

Herzallerliebste! Morgen will ich wieder mit Dir plaudern. Gott behüte Dich! Er schenke Dir ein fröhliches, starkes Herz! Du! Ich freue mich so. Ich möchte Dich ganz lieb haben — Dich drücken, Dich küssen — Dich auf mal herumwursteln (Du, das ist aber nicht mein Ansinnen, das stammt von Dir) — Ach Geliebte! Komm zu mir! Komm bald! Ich bin Dein [Roland]! Dein Hubo! Dein Dickerle! Und Du bist meine liebe gute [Hilde]! Meine liebe Frau! Mein schönes, geliebtes Weib! Mein! Ganz ganz mein!! Holde! Du! Du!!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.401103-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946