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Briefkorpus

Donnerstag den 24. Oktober 1940

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebe [Hilde] Du! Holde mein!

Komm, rück mal erst ganz nah heran: muß Dir erst etwas im Vertrauen sagen: Schlecht geschossen habe ich heute. Es war die schwierigste Übung: stehend freihändig. Ich kann die schwere Knarre nicht ruhig halten. Da hab ich bloß bis in Dein Herzel getroffen: kannst es Dir denken? Eine 13! Ich bekam einen Schuß zu — eine Fahrkarte, Du! Es blieb bei der 13. Ist das nicht in Ordnung? Einen Schuß in Dein liebs Herzel und eine Fahrkarte dazu — zu Dir, Lieb, ohne Rückfahrt? So, nun noch ein langes, tiefes Küssel, und nun hörst mir weiter brav zu.

Außer dem Boten vom Freitag, den Du in Deinem lieben Brieflein vom Dienstag erwähnst, sind noch zwei nach Kamenz abgegangen, einer vom Sonnabend, einer vom Sonntag vormittag. Die werden Dir wohl ordnungsgemäß nachgeschickt werden! Gestern erhielte ich einen Schreibebrief von Frau Sch. Die Schreibschulden steigen. Aber sie werden erst auf dem neuen Kommando erledigt. Heute sind wir hin und zurück zum Schießen gefahren. Weißt, ich danke immer Gott, wenn ich von dem Lastwagen wieder herunter bin. Zu 30 eng wie das Vieh auf solchen Wagen gepfercht, dazu noch ein wilder Fahrer auf der schmalen Straße. Na, es ist glücklich überstanden.

Einen Tag bist nun schon wieder zu Hause, wieder eingespannt in Deinen Pflichtenkreis. Morgen ist Freitag, und das bedeutet in Eurem Hauswesen einen anstrengenden Tag. Nimm Dir nur Zeit, übernimm Dich nicht! Racker Dich nicht ab! Denk auch dran, daß es jetzt auf den Winter zugeht. Dann ist es gut, wenn man etwas zuzusetzen hat. Weißt, wenn wir uns wiedersehen, ist strenge Musterung! Du!

Deine Arbeit hast nun wieder, aber auch Deine Ruhe, Du, im zweiten Stock, am Nachmittag. Wenn es dann mal klingelt, Du, lang – kurz, das bin ich. Ach Liebste! Holde! Bin ich wieder bei dieser Strophe – sie kommt mir nicht aus dem Sinn – sie verfolgt mich jetzt – da ich das Maß der Anstrengung unsres Dienstes kenne, desto mehr: daß wir uns bald wiedersehen möchten, Herzliebes!! Vielleicht hätten wir uns gar nicht viel zu erzählen; aber, Geliebte, Holde – – soviel Sehnsucht, soviel Zärtlichkeit, soviel Liebe will sich verschenken, will sich kundtun, will sich lösen – Du! So viel!! Ich habe ja schon so oft hin und her überlegt – es hat nur jetzt wenig Sinn – wenn es gar nicht recht klappen will, Du, dann will ich zu Dir kommen! Herzallerliebste! Wie wird mir, wenn ich denke, daß Du mich erwartest, daß Du mich empfängst, daß Du mich herbergst! Ach Du! So wäre es mir am allerliebsten, ich komme zu Dir! Und wäre es nur auf eine Woche Ende November. Diese Möglichkeit fasse ich mit ins Auge.

Dieser Bote wird Dich voraussichtlich am Sonntag errei[c]hen. Wie gern würde ich Dir eine besondere Freude bereiten. Aber ich weiß, Geliebte, nur mit einem könnte ich Dich recht erfreuen, nur einen großen Wunsch hegst Du: Daß ich zu Dir komme. Ich kann ihn Dir jetzt nicht erfüllen. Ich muß Dich vertrösten, ja noch schlimmer, in Sorge um Dein Herzlein muß ich sagen: Sei fein geduldig, halt fein still, sei stark, bezwinge Dich, unterdrücke Dein Sehnen! Es tut so weh, Geliebte! Und muß doch sein! Nach Feierabend und morgens in meinem Bettlein, richtiger auf meinem Lager, dann kommt die Sehnsucht, Du! Dann drehe ich mich um nach Dir, aber auf der Seite liegt mein Nachbar. Das stört mich in meinem Träumen. So drehe ich mich denn wieder um. Ach Du, in meinem Bettlein würde es Dir wohl nicht gefallen! Ein wenig hart ist die Unterlage. Daran gewöhnt man sich. Aber das Kopfkissen ist so hart und dürr.

Eben bekomme ich noch 3 Bildchen von unsrer Vereidigung. Hast doch wenigstens wieder etwas im Bilde vor Dir. Ach Liebste! Deine Bilder sind mir jetzt stete Begleiter. Wie froh bin ich, daß ich sie habe! Denk nur, von den beiden, die ich Dir schenkte, bekam ich je ein halbes Dutzend. Ich hatte gar nichts ausgemacht. Und dieses Bild soll doch nur Dir gehören, es soll doch selten sein! Nun habe ich schon überlegt, was ich damit mache. Ich verschenke keines anderweit, das steht fest. Eines will ich Dir nun so zurechtschneiden, daß es in Deinen Glasrahmen paßt. Eines will ich zur Größe Deiner Bilder zurechtschneiden, einmal für Dich, einmal für mich. Dann kann ich uns beide nebeneinander halten, Du, eine Feierstunde ist es mir! Sie hilft mir über das Weh hinweg. Was dann mit den übrigen geschehen soll? Rate mir!

Herzliebes! Die Zeit drängt. Sie soll drängen, damit sie vorbeigeht, die böse Zeit der Trennung. Nun möchte ich Dich zum Schluß noch recht froh machen: Holde! Dein Hubo ist gesund und wohlauf. Es ist ihm so gut gegangen die ganze Zeit daher. Du! Geliebte! Er hat Dich so lieb, nur Dich! Er sehnt sich nach Dir! Nur nach Dir, Herzlieb! Er ist Dir ganz nahe, immer, in seinen Gedanken! Er wäre es noch viel lieber ganz anders, Du, bei seinem geliebten, herzigen, schönen Weibe, dem allerliebsten, allerschönsten, bei seiner lieben Frau! Er weiß es stolz und dankbar: nur Dein Auge leuchtet mir so lieb, nur Deine Arme umschließen mich so voll Liebe, kein and[e]res Herz in dieser Welt entbrennt mir je in solcher Liebe und Huld!

Behüt Dich Göott! Herzallerliebste! Grüße die lieben Eltern! Verlebe Deinen Sonntag froh und dankbar! Du! Ich bin bei Dir! Ich gehöre Dir! Ich liebe Dich aus ganzem Herzen!

Du mein liebes, süßes Weib! Meine liebe gute [Hilde]! Holde!

Dein [Roland]! Nur Dein! Und Du bist mein, ganz mein! Nun hast so brav zugehört. Ich glaub, wir sitzen schon lang nimmer ganz brav bei diesen Gedanken! Liebste!

Deine Augen! Dein Mund! Deine Händlein! Dein Herzlein! Sie verraten Dein Sehnen! Wie singen wir doch?

„Ich konnt nicht widerstehen,

ich brach das Blümelein!"


Holde, laß Dich küssen, Du! Erst ganz fein und leis – und nun fester – und nun ganz lang und tief! Du! O Du!

Ich lasse Dich nie und nimmer!

Dein [Roland].

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Kommentare

laura.fahnenbruck

Fr., 24.02.2023 - 12:26

Die Zeile, die Roland hier zitiert, „Ich konnt nicht widerstehen, ich brach das Blümelein!" , stammt aus dem Marschlied Edelweiß des ganz bekannten Soldatenliederkomponist im 'Dritten Reich', Herms Niel

Einordnung
Eine Gruppe von 19 Wehrmachtsoldaten steht vor einem Gebäude, vor ihnen einige Gewehre in Ruheposition.

Ba-OBF K01.Ff2_.A61, Vereidigung Roland Nordhoffs, 1940, Kiel, Fotograf unbekannt.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946