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[OBF-401002-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch am 2. Oktober 1940

Herzallerliebste, liebes, teueres Herz, meine [Hilde], Du!

Wie schön endet der heutige Tag! Eine ganze Welle Glückes brandet an mein Soldatendasein. 3erlei Post! Vielbeneidet bin ich und gewiß der glücklichste unter allen, heute, und sonst immer, weil ich an die hohe Bestimmung unseres Bundes glaube. Herzliebes! Dein Geheimnis halte ich in Händen. So überraschend schnell kam es. Eben habe ich die kleineren Bilder in mein Album gesteckt. Nun stehen sie im Rahmen. Schön, prächtig, Liebste! Ich habe sie den beiden entsprechenden von früher gegenübergesteckt [sic]. Und nun habe ich viel zu betrachten, Du! Viel! Früher und jetzt. Und wenn ich mir einig bin, will ich Dir auch davon schreiben. Aber eines steht schon fest: Du hast mir eine ganz große Freude damit bereitet, hast mir ein ganz köstliches Geschenk damit gemacht, und ich brenne nun darauf, Dir mit gleichem zu danken. Nur augenblicklich ist dazu nicht die Möglichkeit. Und den Dank meines Herzens kann ich Dir erst abstatten, wenn ich die vielen Rosen, die innigen Küsse, von Deinem Münde pflücken kann. Du, die habe ich gleich zuerst gesehen, die vielen, vielen Küsse auf Deinen Lippen! Bitte, bitte Liebste, hebe sie mir auf! Verstecke sie vor den anderen!

Heute muß unsre Stube die Wache stellen. 6 Mann, die ersten 6 der Größe nach, bin ich der sechste. 2 Stunden Wache habe ich von 2230 – 030 Uhr, 2 Stunden Meldedienst von 430 – 6 30 am Morgen. Du! Mit scharfgeladenem, gesichertem Gewehr und Stahlhelm auf dem Kopf! Sternklar ist die Nacht. Kühl. Ich habe schon den Pullover an. Auf die Wache rücke ich mit Mantel und Handschuhen. Zum Meldedienst, Läuferdienst sagt man hier, sitze ich ganz allein in der Wachstube, dann will ich Dein Geschenk hervorziehen und will mich versenken in die lieben Züge, in die Züge meiner [Hilde], meiner lieben, guten [Hilde]! Du magst dann von mir träumen, Liebste. Ganz leis will ich kommen. Aber ich weiß schon, meine Augen dürfen nur ein Weilchen auf deinem Antlitz ruhen, gleich bist Du munter. Und dann will ich ganz lieb zu Dir sein, Du! Du! Ich mußte jetzt einmal daran denken, und deshalb richtete sich mein Augenmerk auch gleich darauf: abgemagert bist nicht, Liebes, auch nicht voller geworden im Gesicht ((pst! ob ander[s]wo, das zeigen die Bilder nicht)), so recht, wie Du mir gefällst. Dickerle merkst Du mich noch immer, Du! Und ich weiß auch, an welchen Körperteil Du da zuerst denkst, Du! Heut morgen im Bett mußte ich daran denken, und automatisch fuhr meine Hand nach dem Allerwertesten, erst die linke, und nach dem Befund auch die rechte, um mich zu überzeugen, daß er wohl nicht verschwunden, aber doch sich auf die wesentlichen Bestandteile zurückgezogen hat. Aber keine Bange. Bedeutend kann die Abnahme nicht sein; denn ein [sic] Nachprüfung auf der Waage am Sonntag ergab mit Stiefeln immer noch 75 kg. Also sag getrost weiterhin Dickerle. Ich freu mich drüber und denke, wer zuletzt lacht, lacht am besten! Du brauchst gar nicht einmal zu fürchten, daß dieses Lachen [^]dann nur aus der Schadenfreude kommt. Verstehst mich? Kennst doch meinen Geschmack und meine diesbezüglich noch offenen Wünsche?! Siehst, jetzt habe ich Dich gleich ein bissel zurückgeneckt. Wie Necken ist mir heute, Du, große Freude und Dankbarkeit ist in mir!

In der Wachstube sitze ich jetzt, Geliebte. Meine Wache ging glücklich vorbei. Es war gar nicht so kalt. Ein Südsturm heulte, er trug mir Grüße von Dir zu. Ja, immerzu wollten die Gedanken zu Dir entwischen, während ich auf meinem begrenzten Raume auf, und abging, und sie durften doch nicht, aufpassen sollte ich doch, die vielen Sterne, darunter unsre guten Bekannten, verleiteten mich immer wieder dazu. Schnell gingen mir die 2 Stunden vorüber. In Richtung Kiel spielten die Scheinwerfer und blitzen die Mündungsfeuer der Flak. Wir hatten Alarm. Nun habe ich 4 Std. geschlafen, nur einmal gestört durch das Bellen der Flak in unsrer Nähe. Jetzt versehe ich meinen Läuferdienst. Schreibzeug und Deine lieben Bilder habe ich mit herübergenommen. Sie stehen auf dem Tisch und sehen mich an. Die Lampe ist ganz tief gezogen, in der Ecke schläft der wachhabende Maat. Ihn ½ 6 Uhr zu wecken ist mein nächster Dienst. Bis dahin kann ich ganz ungestört mit Dir plaudern. Eben habe ich noch einen neuen Umschlag geschrieben. Wirst ja nun in Kamenz sein. Und ich möchte doch, daß dieses Zeichen meiner großen Freude und meines Glückes ohne Verspätung in Deine Hände gelangt deshalb schicke ich es lieber nach Kamenz. Hast mir gar nicht geschrieben, wie lange Ihr dort aufnehmen wollt, Herzliebes. Nun wird wieder Leben sein im Kinderzimmer, Du! In welchen Bettlein wirst Du schlafen? Zieh auch schön zu abends, weißt? Dieser Brief mag nun mein Willkommen sein. Du schreibst davon, daß Du wieder ein paar Päckchen zur Post gegeben hast. Sei schon im voraus herzlich bedankt für Deinen Liebesdienst.

Ja, nun will ich mal zum Schluß kommen. Grüße mir die lieben Eltern hier und dort. Reist glücklich miteinander und verlebt ein paar recht frohe Tage in Kamenz! Die Eltern bekommen bald einen Brief, damit sie nicht eifersüchtig werden. Mit Deinen Schreibverpflichtungen habe ich sie schon vertraut gemacht.

Geliebte! Behüte Dich Gott auf allen Wegen!

Wieviel Küsse zum Willkommen? Du! Denkst noch an Lichtenhain? Ich denk noch immer dran. 13 bot ich damals und ahnte nicht, wie schwer das ist, Du! Du! Aber unterdes haben wir ja doch gelernt. 13 Tage ich wieder, Herzliebes! Ich bin vorsichtig und denke daran, wieviel Küsse schon auf Deinen Lippen warten. Noch einmal Liebstes, nimm sie gut in acht [sic], heb sie mir auf, bitte, Du!

Ach, so voll Freude bin [^]ich, und doch nun auch voll Sehnsucht Liebste! Nur mit Dir kann ich mich trösten, nur damit, daß auch Du so sehnsüchtig wartest. Und nun will es wieder jubeln: Sie liebt mich! Liebt mich über alles! Mehr mag ich nicht auf dieser Welt! Lieberes kann mir nicht widerfahren! Liebe [Hilde]! Geliebte! Meine ganze Liebe gilt Dir allein! Ich bin bei Dir! Ich bin Dir ganz nahe! Ich halte Dich ganz fest! Ich liebe Dich, Du! Ich Küsse Dich herzinnig und bleibe Dein in Liebe und Treue, heute und immer

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946