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[OBF-400927-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 27. September 1940.

Herzallerliebster!  Du, mein lieber, guter [Roland]!

Eben fällt's mir wieder ein, mein Briefpapier ist alle. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir welches zu kaufen. Vollauf beschäftigt war ich gestern, heute und morgen den ganzen Vormittag auch noch. Ein schöner Tag war heute. Doch das Wetter fängt schon wieder an umzuschlagen. Es ist nicht länger als 2 Tage schön und dann regnet's wieder. Mein Programm heute: Elternschlafzimmer, Dornröschenschloß, Stube, Vorsaal, Treppenhaus. Alle Wände abkehren; Betten raus, Matratzen bürsten, lüften; Fensterrahmen abseifen, Scheiben putzen; Bilder, Spiegel putzen; Möbel sauber waschen; die belieb[t]en Nippsachen aufwaschen; Fußböden scheuern; einbohnern, blank reiben; wieder einräumen. Betten sauber bürsten, gut durchschütteln, 5 Std. lüften, raufschleppen, frisch überziehen. Mittags gab es Karnickelbraten (vom G. unten) natürlich wollten die Freßsäcke grüne Klöpse haben, obendrein auch das noch! Naja, man war wenigstens satt bis abends. Also wie gesagt, heute abend bin ich total fertig! Nun hats aber wieder [ei]ne Weile Ruhe, nun verreise ich erst mal, Du! Es ist bald 9 Uhr. Ich bin fertig mit baden. Wenn ich auch sehr müde bin; aber einen Sonntagsgruß soll mein Liebster haben! Wer weiß, ob ich Dir am Sonnabend und Sonntag schreiben kann, wenn die Kinder und M.s da sind. Aber Deiner denken will ich mein Lieb, allezeit, das verspreche ich Dir, Du! Voriges Jahr waren wir zum ersten Male miteinander in der Kirche zum Singen, Du! Wie werde ich daran denken! Vor 3 Jahren, 1937 hast Du mich auf dem Heimweg angesprochen: was man wohl heute am Kirchweihfest angeben soll?, ich war so verwirrt. O, wenn ich daran denke. Mein amerikanisches Kleid hatte ich damals zum ersten Male an, Du mußtest mich oft ansehen. Und nachmittags, M.s waren auch da, bin ich zweimal bei Dir vorbeigefahren, mit Stephan im Kinderwagen, der war noch klein; doch ich habe Dich nicht gesehen. Ich war den ganzen Tag so voll Unruhe, ich wußte nicht, was mir fehlte. Und ich ahnte, daß Du Dich einsam fühlen würdest, weil Du fragtest, was Du machen könntest. Ich glaube, Du warst in Grünfeld.

Diesmal wiederholt es sich, und Du bist so weit fort.

Dein so lieber Bote kam, Deine 2 schönen Bilder dabei! Du! Ich danke Dir. Du gefällst mir so gut. Ich möcht Dich gleich mal drücken, Du! Liebster! Liebster! Bester! Hab ich Dich erschreckt? Du, das will ich doch nicht! Mein Geheimnis ist nicht so groß und wertvoll, wie Du zu ahnen glaubst! Ach Liebster! Glaub mir, wenn es das wäre, dann müßte ich erst selbst Gewißheit haben, ehe ich Dir davon spräche. Und wenn es so wäre, dann müßt ich es Dir sagen, Du! Nicht schreiben. Ich müßte zu Dir kommen, um alles in der Welt. O, nein!- Es ist halt auch eine kritische Zeit, ei gewiß! 3-4 Wochen! Von welcher Seite mein Geheimnis kommen wird? Ja, das ist schwer zu sagen. Von der Herzseite natürlich! Ach, Du alter Neugieriger!, warte nur fein still, wirst schon erleben!! Aber bitte, mache Dir keine Sorge um mich mein Herz! Ich bin so ganz nur Deine [Hilde], Du!

Über die heutige Sondermeldung, soll man nun froh sein oder bedenklich? Ich weiß nicht, ob es gut ist, diese fremde Rasse, fremde Nation so heranzuziehen. Aber es geht hier um mehr; nicht darin, ob uns ein Volk symphatisch [sic] ist oder nicht. Dasselbe hätte man schon beim Russe [sic] sagen können. Die Regierung wird es wohl reichlich überlegt haben. Und wir wollen unserem guten Stern vertrauen. Liebster! Ich muß nun schlafen gehn, ich kann nicht mehr, ich hab es so sehr satt. Weil ich Deine Bilder habe, Deine lieber Briefe!, ich lese immer vorm Schlafengehn[,] das ist so schön, Du! Herzallerliebster! Du mein Lieb! Verlebe einen recht frohen Sonntag. Behüt[e] Dich Gott auf allen Wegen! Ich denke Dein in großer Sehnsucht, Du! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen!

In steter Treue bleibe ich immer

Deine [Hilde].

Recht frohe Sonntagsgrüße an Dich von den Eltern!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946