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[OBF-400918-002-01]
Briefkorpus


3. [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

Mittwoch, am 18. September 1940.

Herzallerliebster! Du mein lieber, lieber [Roland]!

In dieser Woche wirst Du nun an einem Tag leer ausgehen beim Briefe verteilen. Der gestrige Brief liegt im Wäschepaket. Du wirst darum nicht traurig sein.

Heute empfing ich Deinen lieben Boten; habe Dank, Liebster! Hast also am Sonntag doch ein wenig Sonnenschein gehabt, das freut mich für Dich. Ja, das wird nun nicht besser, die Jahreszeit betrachtet; mußt dann wohl oder übel mit drinnen sitzen bei den öden Gesellen. Willst Du, daß ich Dir Bücher schicke?, ich würde Dir eventuell die von zu Hause aus Kamenz gewünschten heraussuchen und dann schicken. Auch das vom Pfarrer M. ist hübsch geschrieben, ich bin bald zu Ende damit. Sag mir nur, was Du auf dem Herzen hast, ich möchte Dir so gerne recht viel Liebes tun und Dich auch zufrieden wissen in Deiner Umgebung, Du! Wenn Ihr dann Ausgang habt, suche Dir nur Zerstreuung. [A]ch, darum ist mir auch nicht bange, Du wirst die Stadt und die Umgegend mit Deinen Augen sehen. Und was die alles zu schauen vermögen, das weiß ich ja so gut, Liebster! Wenn erst wieder einmal der Tag kommt, an dem wir gemeinsam das Neue, Schöne erleben dürfen! Freust auch Du Dich darauf? Ob nun bei Dir an der See, oder im Binnenland, wo wir unser Nest bauen wollen, das ist mir gleich Liebster, wenn Du nur bei mir bist.

Ich würde mich ja so von Herzen für Dich freuen, wenn die Nachricht bald käme, die Deine Ernennung zum ständigen Lehrer verkündet. Das ist wohl mit Deiner Einberufung nicht hinfällig, oder wenigsten aufgeschoben worden?

Was das Schicksal auch mit uns vor hat, wir wollen es bereit[willig] auf uns nehmen, so meistern wir es auch am leichtesten.

Schön wäre es ohne Zweifel, wenn man zur Reklamation der Lehrer griffe! Aber nicht zu fest in diesen Gedanken hineinleben. Wenn Du noch diesen Winter bleiben mußt ist es insofern auch gut, als ich eine ganz annehmbare Summe sparen kann. Das Geld würde dann gleich zur Anschaffung eines schönen Bücherschrankes, vielleicht auch eines Schreibtisches verwendet. Das ist dann das Freudengeschenk zu Deiner Heimkehr, Du!

Aber ein Teil muß springen für die Reise zu Dir! Solange, ohne Dich zu sehen? Nein, da könnte mich auch der schönste Bücherschrank nicht erfreuen. Dich gewiß auch nicht, Du!

Ach, Du! Wir beide, so viel haben wir noch vor, Liebster! Daß Du in dieser Freude auf unser gemeinsames Schaffen ebenso jung bist wie ich? Dummerle! Welche Zweifel sehe ich? Wer hat in Deinem Alter ein jüngeres Herz als Du?

Fühlst Du Dich älter, der paar silbernen Anzeichen halber im [Ha]ar? Wer weiß besser mit der Jugend zu gehen, als Du?

Wer auf der ganzen Welt ist überhaupt lieber und besser, als Du? Und wenn Du Dir [sic] nur ein einziges Mal den Versuch wagtest, aus etwaiger Bequemlichkeit heraus, den Alten zu spielen, o Du! Dann wird Dich Deine junge Frau schon kurieren — ob mit List oder Gewalt! Spiele ja nicht mit Feuer! Du könntest meine schlummernden Kräfte entfesseln — zu Deinem Schrecken und Graus!

So, nun hast Du vielleicht genug Respekt vor mir. [siehe Abbildung]

Ich bin heute nicht ganz wohl. So müde und zerschlagen fühle ich mich. Ich muß dann erst mal ein wenig ruhen, ehe ich weiter arbeite. Krank geworden bin ich, es ist nicht normal. Erst 25 Tage seit dem letzten Male. Ich will mich recht schonen. Ein wenig Angst hatte ich doch immer noch und sah gespannt dem nächsten Eintreffen entgegen. Meine Angst wird unbegründet sein. So lieb mir die Gewißheit wäre, die mir dann würde, jetzt müßte ich aber traurig sein darüber.

Entbehren würde ich ja zu Hause nichts. Aber mein Wunsch ist, wenn ich ein [Kin]dlein tragen soll, dann mußt Du immer um mich sein; es soll Dein Wesen atmen; es soll Deine liebende Fürsorge fühlen und wie Du mich in Deine Liebe zärtlich einhüllen würdest, so geschähe ja auch unserem Kindlein. So wünsche ich mir das Leben dann, Du! Herzliebster! Es soll sein wie Du, mein [Roland]. Liebster! So wie ich mit meinem ganzen Herzblut an Dir hänge, so sollte uns diese Gewißheit dann verbinden zur engsten Dreisamkeit. Ich sehne mich heute so unsagbar nach Dir, Du! Und wenn ich nur einmal Deine liebe Hand fassen, Dir über die Wange [st]reicheln dürfte — so glücklich wäre ich, so glücklich.

Wie soll ich das noch länger aushalten? Ich liebe Dich!

Immer Deine [Hilde].
 

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Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946