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[OBF-400910-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 10. September 1940.

Herzallerliebster! Du mein lieber, lieber [Roland]!

Nun habe ich wieder mein liebes Zuhause um mich, und ich bin recht froh - fühle mich wohl. Gestern abend um 6 Uhr traf ich wieder hier ein. Und seit gestern haben wir in unsrer Gegend auch wieder Regenwetter. Alles sieht trostlos grau aus. Es liegt eine unruhige Zeit hinter mir. Die beiden Jungen haben meine starken Nerven direkt angegriffen. Von morgens an, wenn sie die Augen auftaten, bis zum Abend ging ihr kleines Mundwerk, als wäre es aufgezogen. Diese Fragerei – bis aufs' Blut [fr]agen sie dich [sic] aus! Und dabei sind sie so verwöhnt und auch verzogen, ich sagte Dir das schon einmal.

Beim Essen ging es nie ohne Tränen ab. Immer etwas Andres hatten sie im Sinne, nur nicht das Stillesitzen [sic]. Der Vater haut ja zu, aber wenn er dann wieder den ganzen Tag über im Geschäft ist, reißt das bissel Erziehung wieder ein. Tante Herta ist zu gut mit den Rangen. Ich war nun auch in einer schwierigen Lage. Alles konnte ich nicht zulassen, wenn sie in meiner Obhut waren. Ich wollte aber auch das Zuhauen vermeiden, man weiß ja nicht, wie man bei den Eltern [an]kommt. Und die Kinder können doch den Mund nicht halten wenn sie eine fremde Person verhaut. So hab ich sie nur immer derb bei der Hand genommen und ihnen mächtig laut und deutlich in's  Gewissen geredet, dann ging es auch wieder ein Stück. Aber sieh, für die Dauer macht dich das ganz fertig. Zwei solche Originale können für eine Mutter zur Strafe werden. Ob sowas bei uns wohl auch vorkäme?, das frage ich mich hier. Na, da können wir sicher beide beruhigt sein, ja? Wir haben ja ganz Andres vor mit unseren eigenen Kindern.

Man bemerkt auch immer wieder, wie gut es für ein Kind ist und wie es zur Erziehung beiträgt, wenn auch der Vater sich einige Stunden am Tage dem Kinde widmen kann.

Ich hatte nun gestern gleich eine Anzahl Post, die unterdessen eingegangen war, zu studieren. Da war zuerst Dein lieber Bote. Ich danke Dir dafür, Liebster! Du hast mich sehr erfreut.

Warum Du nur das Päckchen noch nicht hast? Und ich hatte Dir doch solch [einen] dicken Brief mit hineingepackt, Du! Hoffentlich ist es nun mittlerweile in Deine Hände gelangt. Über den genauen Küchenzettel freute ich mich recht; es war eine wahre Beruhigung zu lesen, was man Euch vorsetzt. Alle Achtung! Muß ich sagen, es ist da keineswegs etwas von dem fürchterlichen Einerlei eines Eintopfessens, das beim Militär so beliebt ist. Ich glaube auch [sow]as kommt nur vor auf Märschen, wo die Feldküche, die hinterdrein [sic] fährt, nicht in der Lage ist, anderes als Eintopf zu kochen. Frühstück und Abendbrot - überhaupt alles in allem, Ihr könnt mit dieser Verpflegung zufrieden sein. Und wenn Du schön gesund bleibst, kannst Du nicht verderben und wirst auch tapfer durchhalten. Das heißt: Ich stelle natürlich dabei auch meine Ansprüche, im Winterhalbjahr muß ein paarmal Urlaub herausspringen, sonst erstarre ich Dir zu Eis, sag' das Deinem Hauptmann! Und vergiß auch nicht besonders zu betonen, daß man Dich herzlos aus den Flitterwochen gerissen hat! Ach ja - mit dem Urlaub will ich mich besser noch nicht so vertraut machen, damit ich nicht noch sehnsüchtiger an Dich denken muß, als jetzt. Mein Vorsatz ist: Wenn Du bis Weinachten nicht heim zu mir kannst, und auch zum Fest nicht, dann werde ich zu Dir kommen. Ob Du mir das erlaubst? Wenn nicht - dann würde ich Dir zum ersten Male ungehorsam!

Die Mutter schrieb auch aus Großdehsa, vielerlei und was sie alle miteinander treiben. Frau H. liegt mit draußen im Liegestuhl u. Mutter muß mal richtig faulenzen, das gefällt mir an Elfriede. Die Mutter schreibt auch, daß wir Dich besuchen wollen, na siehste [sic], wenn Du eben nicht willst! Jedenfalls bist Du vor uns nicht sicher! Vater schrieb, der Ärmste, er wäre nicht für alles zuständig daheim. Ich hatte heim zu Mutter geschrieben wegen Deinem Nachthemd und da war sie aber schon fort zu Elfriede. Nun ist sie sicher wieder zu Hause und wird Dir eins schicken. Es war gut, daß Du mir Bescheid gabst, wie ich mich zu verhalten habe, beim Schicken, nun werde ich fortan nicht mehr lügen! Wenn Du Wäsche schickst, Du!, dann steck Dich nur ganz fest in Dein Hemd, kommst mal auf [ein] paar Tage zu [m]ir und gehst dann mit der frischen Wäsche zurück!

Wenn das doch möglich wäre!

Tante Marie P. schrieb mir einen Brief! Sie hätte sich recht gefreut über meine Zeilen und sie bedauert so, daß Du fort mußtest. Sie denkt, wir fahren an den Geburtstagen nach Kamenz[,] ich [sic] soll dort alle grüßen. Besonders aber Dich, mein lieber Mann. Wann wir hinfahren ist jetzt noch ungewiß. Die Bilder hab ich bestellt, Liebster! Bin neugierig, auf die Rechnung.

Vielleicht sind sie fertig bis zu den Geburtstagen der Eltern. [M]utter hat von Tante Gretchen ... [sic: siehe Abbildung] geschenkt bekommen und ich soll ihr dafür ein Paar wollene Hosen von Strick-Pöschmanns' in Mittelfrohna besorgen. Und weil ich schon so überlegt habe, was wir beide ihr zum Geburtstage schenken, so will ich ihr die Hosen kaufen, als unser Geschenk. Ist Dir das so recht? Vater muß wohl oder übel mit einem Kistchen Zigarren vorlieb nehmen, ich wüßte nichst [sic] sonst für ihn.

Liebster! Dein Freund Herbert schrieb heute an uns, ich lege Dir seine Zeilen bei. Schreibe Du ihm selbst einmal.

Mit unseren Marken haben wir gar keine Schwierigkeiten gehabt bei der Rückgabe, nur die alte Marmeladenkarte wollen sie noch haben. Die bringe ich mal hin, wenn sie Mutter mir geschickt hat. Heute früh war ich aus, unseren Gewinn einzuheimsen, wir hatten aber lauter Nieten!

Unglück im Spiel - Glück in der Liebe! Was ist wertvoller? Wollen wir zufrieden sein, so wie es kam? Du!

Ja. Ich habe eine Strickjacke für Dich - weil Du es nun erraten hast. Aus Angorawolle, ganz wundervoll weich. Willst sie nicht raus haben?, bekommst sie halt zu Weihnachten. Na Du! Mit Deinen Ärmeln haben wir ja einen Drasch. Einen hatten wir 3/4 fertig, langt das Garn nicht. Wir kriegen auch keins. Aufgetrennt - nun teilen wir das Garn so: [es] ist 3 fädig – wickeln wir all Knäule ab, bis es nur 2 fädig ist und somit mehr daraus wird. Trage den Pullover ja in Ehren, wenn er endlich fertig ist, Du!

Was sagst Du zur Kriegslage? Man hegt so große Hoffnungen hier bei uns - wollen getrost abwarten. Es ist aber phantastisch, was unsre Flieger leisten. Es ist noch kein Alarm wieder gewesen. Aber bei Euch draußen war es in den vergangenen Tagen unruhig.

Liebster! Wenn Du mir nur bleibst, dann ist ja alles, alles gut. Dann will ich schon gerne noch eine Weile von Dir [ge]trennt sein. Unser Herrgott wird mit unserer Liebe sein, wie immer bisher. Und wir wollen ihm nur fest vertrauen, auch in schweren Tagen, was könnte uns jetzt einen besseren Halt geben, als der Glaube an Ihn, den Beschützer unserer Liebe?

Ich liebe Dich! Du! Ich gehöre Dir so ganz, Liebster!

Wisse, daß ich Dein bin, für alle Zeit, Du!

Es küßt Dich in Treue

Deine [Hilde].

Die Eltern freuten sich sehr über Deinen kl. Brief, sie grüßen Dich recht herzlich, wünschen Dir alles Gute und danken Dir für die Zeilen.

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Eine Frau spielt mit einen Kind. Beide sitzen auf einer Bank vor einem Gartenzaun.

Ba-OBF K01.Ff3_.A27, Elfriede Nordhoff, 13. Juli 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946