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[OBF-400906-002-01]
Briefkorpus

Chemnitz, am 6.  September 1940.

Mein lieber [Roland]!

Momentan bin ich in der gleichen Lage wie Du in bezug auf die Anrede!  In einer ganz neuen Umgebung richte ich meine Zeilen an Dich, ich sitze in der Küche meiner Tante Hertha; es ist ½ 11 eigentlich hat um diese Zeit die Hausfrau mit dem Kochen Arbeit, noch das brutzelt auch ganz lustig nebenbei weiter.  Ich koche Gulasch mit Makkaroni[.]  Mal sehen, ob sie mit mir zufrieden sind.  Die Kinder habe [i]ch heute früh versorgt und nun tummeln sie sich auf dem Spielplatz draußen, ist wieder ein herrlicher Wetter heute, so schön warm!  Ich mußte vorhin um 1000 [Uhr] so sehr an Dich denken, mich schluckte es so, ob Du gar heute erst mein Paket erhalten hast?  Oder einen Brief?

Die Tante wäscht unten u. ich habe hier in der Wohnung das Regiment.  Ach, was glaubst Du, wie ich gestern abend gelacht hab, als wir uns zum Schlafen fertig machten. Die Tante zog 1 Paar lange, selbst gestrickte Strümpfe an, [ein]e dicke Hose u. wollene Jacke - so legte sie sich neben mich ins Bett. Ja, das mache ich jeden Abend so, wenn Alarm ist, bin ich wenigstens schnell fertig u. ich bin warm, hab doch noch 2 Kinder anzuziehen. Das kann ich nicht begreifen, wie man sich so wohlfühlen kann. Von Alarm war nichts zu hören, ganz ruhig alles.

Hast Du auch schön zugehört, als der Führer sprach? Ich dachte an Dich, er ist voller Zuversicht und man schaut immer ein wenig zuversichtlicher in den Tag danach. Ich bin gespannt, wie sich alles entwickeln wird in nächster Zeit.  Ach, man hat hier keine Ruhe beim Schreiben, die kleinen Geister haben immer etwas andres. Und bei mir geht alles durcheinander. Ich sehe es schon kommen, in Chemnitz muß ich mein täglich geöffnetes Nachrichtenbüro einstweilen schließen. Ich werde Dir wieder mehr erzählen, wenn ich zu Hause bin. Will voraussichtlich Sonntag gegen Abend zurück, mal sehen, ob sie mich fort lassen die Kinder. Sie spielen nämlich gerne mit mir. Heute früh, es war noch ganz finster, wir schliefen noch halb miteinander, da krähten sie schon schlaftrunken: "Wo ist meine Tante [Hilde], ist sie denn noch da?"

Ja ja mein Lieb, da bin ich nun vollauf beschäftigt. Aber ich vergesse meinen lieben, guten, großen Jungen deshalb nicht.

Ich hab Dich von ganzem Herzen lieb, Du mein [Roland]!

Ich bin ganz Deine, für alle Zeit nur Dein, Du!

Behut Dich Gott!  Bleib froh und gesund!

Einen frohen Sonntag wünscht Dir, verbunden mit einem lieben Kuß

Deine treue [Hilde]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946